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Informationen zum Dokument  BGer 1C_85/2014  Materielle Begründung
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BGer 1C_85/2014 vom 09.04.2015
 
{T 0/2})
 
1C_85/2014
 
 
Urteil vom 9. April 2015
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler,
 
Gerichtsschreiber Dold.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. B.A.________ und C.A.________,
 
2. E.D.________ und F.D.________,
 
3. G.________,
 
Beschwerdeführer, alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stefan Mattmann,
 
gegen
 
H.________,
 
Beschwerdegegner, vertreten durch
 
Rechtsanwalt Franz Hess,
 
Politische Gemeinde Buochs,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Beat Zelger,
 
Regierungsrat des Kantons Nidwalden.
 
Gegenstand
 
Baubewilligung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 11. März 2013 des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
2.1. Die Beschwerdeführer machen in ihrer Beschwerdeschrift geltend, Richterin Wettstein sei vorbefasst gewesen und hätte nicht am Entscheid mitwirken dürfen. Sie sei bis am 30. September 2009 Bauverwalterin der Gemeinde Buochs gewesen und habe sich in dieser Funktion mehrfach mit dem Gestaltungsplan "Unterfeld" befasst, dessen Anwendung vorliegend im Zentrum stehe.
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2.2. Das Verwaltungsgericht erklärt in seiner Vernehmlassung, Richterin Wettstein habe am angefochtenen Entscheid nicht mitgewirkt. Dass sie im Rubrum aufgeführt worden sei, beruhe auf einem redaktionellen Versehen. Am 11. März 2013 seien insgesamt vier Verfahren beraten und beurteilt worden. Richterin Wettstein habe an zwei davon mitgewirkt, bei den anderen, nämlich den hier zur Diskussion stehenden, sei sie dagegen von sich aus in den Ausstand getreten. Damit habe sie dem Anschein der Befangenheit die Spitze brechen und ein allfälliges Ausstandsverfahren von vornherein vermeiden wollen. Der angefochtene Entscheid sei deshalb in Viererbesetzung gefällt worden. Gemäss Art. 72 Ziff. 3 des Gesetzes des Kantons Nidwalden vom 9. Juni 2010 über die Gerichte und die Justizbehörden (Gerichtsgesetz, GerG; NG 261.1) bedürfe es zur gültigen Beratung und Beschlussfassung der Anwesenheit von mindestens vier Mitgliedern bei Abteilungen mit Fünferbesetzung.
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2.3. In ihrer Replik bezweifeln die Beschwerdeführer, ob Richterin Wettstein tatsächlich im Ausstand war. Vor allem aber machen sie geltend, es widerspreche dem Anspruch auf den gesetzlichen Richter nach Art. 30 Abs. 1 BV, wenn das Verwaltungsgericht in Viererbesetzung entschieden habe, statt die sich im Ausstand befindende Richterin durch ein anderes Mitglied zu ersetzen. Das Verwaltungsgericht entscheide gemäss Art. 33 GerG bei verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten in ordentlicher Fünferbesetzung. Da es gemäss Art. 32 GerG aus dem Präsidenten und neun weiteren Mitgliedern bestehe, wäre es problemlos möglich gewesen, Richterin Wettstein durch ein anderes Mitglied zu ersetzen.
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2.4. Es gibt keinen Anlass, an der Darstellung des Verwaltungsgerichts betreffend die Urteilsfällung und den nachfolgenden Fehler bei der Redaktion des Rubrums zu zweifeln. Was die zentrale Frage der Besetzung des Gerichts anbelangt, haben die vom Verwaltungsgericht und den Beschwerdeführern erwähnten Bestimmungen des nidwaldischen Gerichtsgesetzes, soweit hier relevant, folgenden Wortlaut:
4
Art. 32 Zusammensetzung
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2 [...]
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2.5. Nach Art. 30 Abs. 1 BV hat jede Person Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind ausdrücklich untersagt. Die Regelung soll insbesondere verhindern, dass ein Gericht eigens für die Beurteilung einer Angelegenheit gebildet oder dass die Rechtsprechung durch eine gezielte Auswahl der Richter im Einzelfall beeinflusst wird. Jede Besetzung, die sich nicht mit sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, verletzt die Garantie des verfassungsmässigen Richters. Besteht eine Behörde aus einer bestimmten Zahl von Mitgliedern, so müssen - unter Vorbehalt einer abweichenden gesetzlichen Regelung - alle am Entscheid mitwirken. Die Behörde, welche in unvollständiger Besetzung entscheidet, begeht eine formelle Rechtsverweigerung. Wenn einzelne Mitglieder aus triftigem Grund in den Ausstand treten müssen, sind sie, soweit möglich, zu ersetzen (zum Ganzen: BGE 137 I 340 E. 2.2.1 S. 342; 127 I 128 E. 4b S. 131; je mit Hinweisen). Sieht das Gesetz für die Beschlussfähigkeit ein Mindestquorum vor, so muss zudem geregelt sein, in welchen Fällen die Normalbesetzung unterschritten werden darf (Urteil 2C_381/2010 vom 17. November 2011 E. 2.3.4, in: ZBl 113/2012 S. 268; vgl. zum Ganzen: CHRISTIAN WINIGER, Die Organisation des Solothurner Steuergerichts im Lichte ausgewählter verfassungsrechtlicher Grundsätze, Justice-Justiz-Giustizia 2015/1, Rz. 16 ff.).
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2.6. Die Normalbesetzung des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden umfasst gemäss Art. 33 Ziff. 3 GerG bei verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten fünf Richter. Unter welchen Voraussetzungen ein Urteil von bloss vier Richtern gefällt werden darf, ergibt sich weder aus dem Gesetz selbst noch aus den zugrunde liegenden Materialien. Da das Verwaltungsgericht insgesamt zehn Mitglieder aufweist (Art. 32 Abs. 1 GerG), kann ein sich im Ausstand befindlicher Richter ohne Weiteres durch ein anderes Mitglied ersetzt werden. Weshalb das Verwaltungsgericht vorliegend dennoch nicht in der Normalbesetzung entschieden hat, wird mit keinem Wort dargelegt. Offenbar ging es davon aus, dass es gemäss Art. 72 Ziff. 3 GerG ohne Weiteres auch mit nur vier Mitgliedern entscheiden durfte. Nach der zitierten Rechtsprechung zu Art. 30 Abs. 1 BV trifft dies jedoch nicht zu.
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2.7. Der angefochtene Entscheid ist aufgrund der Verletzung des Anspruchs auf ein gehörig besetztes Gericht aufzuheben, ohne dass die weiteren Rügen der Beschwerdeführer zu prüfen wären. An diesem Ergebnis ändert nichts, dass die vier mitwirkenden Richter einstimmig entschieden haben, wie das Verwaltungsgericht in seiner Duplik vorbringt (vgl. BGE 127 I 128 E. 4c S. 132). Der Mangel des angefochtenen Entscheids ist grundsätzlicher Natur. Eine Heilung kommt nicht in Frage (Urteil 1C_235/2008 vom 13. Mai 2009 E. 3.2.1 mit Hinweisen).
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Erwägung 3
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid aufgehoben. Die Angelegenheit wird zur neuen Beurteilung an das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden zurückgewiesen.
 
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3. Der Kanton Nidwalden hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, der Politischen Gemeinde Buochs, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 9. April 2015
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Dold
 
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