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Informationen zum Dokument  BGer 1C_821/2013  Materielle Begründung
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BGer 1C_821/2013 vom 30.03.2015
 
{T 0/2}
 
1C_821/2013, 1C_825/2013
 
 
Urteil vom 30. März 2015
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Merkli, Eusebio, Chaix, Kneubühler,
 
Gerichtsschreiberin Gerber.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1C_821/2013
 
A.________ AG,
 
Beschwerdeführerin 1, vertreten durch
 
Rechtsanwalt Dr. Peter Rosenstock,
 
und
 
1C_825/2013
 
Gemeinde Wangen,
 
Beschwerdeführerin, handelnd durch den Gemeinderat Wangen, und dieser vertreten durch Rechtsanwalt Christian Michel,
 
gegen
 
1. Aqua Viva,
 
2. C.B.________ und D.B.________,
 
Beschwerdegegner, beide vertreten durch
 
Rechtsanwalt Dr. Michael Bütler,
 
Amt für Raumentwicklung des Kantons Schwyz, Postfach 1186, 6431 Schwyz,
 
Regierungsrat des Kantons Schwyz, Bahnhofstrasse 9, Postfach 1260, 6431 Schwyz,
 
Gegenstand
 
Planungs- und Baurecht (Ufergestaltung; Testufer Nuolen See),
 
Beschwerden gegen den Entscheid vom 25. September 2013 des Verwaltungsgerichts
 
des Kantons Schwyz, Kammer III.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
Dieser bezweckt gemäss Art. 3 SBV insbesondere die Gewährleistung einer sich gut in die Umgebung einpassenden Überbauung mittels Bebauungsmuster sowie die gestalterische und ökologische Aufwertung des Seeufers. Auf einer Fläche von ca. 51'000 m² werden insgesamt 21 Baufelder festgelegt. Im Osten des Plangebiets ist ein Bereich für den Neubau des Yachthafens Bollenberg festgelegt. Ab Niveau der Seestrasse soll ein weitgehend ebenes Terrain hergestellt werden. Hierfür sind beträchtliche Schüttungen erforderlich, mit einer Mächtigkeit von maximal 8 m. Damit geht eine Seefläche von rund 8'500 m² verloren. Als Entscheidungsgrundlage für die definitive Gestaltung der Uferböschungen ist das Anlegen von Testufern vorgesehen.
1
 
D.
 
 
E.
 
 
F.
 
 
G.
 
 
H.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
 
Erwägung 3
 
3.1. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass sich die Wohnliegenschaft der Beschwerdegegner 2 nur ca. 60 m vom Testufer 2 entfernt befindet, d.h. in unmittelbarer Nähe der Baustelle, und die vorgesehenen Aufschüttungen ein Transportvolumen von rund 40 Lastwagen ergeben. Unter diesen Umständen ist es jedenfalls nicht willkürlich, wenn das Verwaltungsgericht ein besonderes Berührtsein der Beschwerdegegner 2 i.S.v. § 37 Abs. 1 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 6. Juni 1974 (VRP/SZ) bejahte, trotz der bereits erheblichen vorbestehenden Immissionsbelastung durch Kiesaufbereitung und -transport. Art. 111 Abs. 1 BGG stellt lediglich Mindestanforderungen an die Legitimation auf, hindert die Kantone also nicht daran, die Beschwerdebefugnis grosszügiger zu handhaben.
2
3.2. Aqua Viva ist als gesamtschweizerisch tätige Organisation im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes grundsätzlich zur Beschwerde gemäss Art. 12 des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451) und Art. 55 USG (SR 814.01) befugt (vgl. Anhang zur Verordnung über die Bezeichnung der im Bereich des Umweltschutzes sowie des Natur- und Heimatschutzes beschwerdeberechtigten Organisationen vom 27. Juni 1990 [VBO; SR 814.076]). Die Verbandsbeschwerde steht offen gegen Verfügungen der kantonalen Behörden oder der Bundesbehörden, die in Erfüllung einer Bundesaufgabe i.S.v. Art. 2 NHG ergehen (Art. 12 NHG), bzw. gegen Verfügungen über die Planung, Errichtung oder Änderung von Anlagen, für die eine UVP erforderlich ist (Art. 55 Abs. 1 USG).
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3.3. Art. 12c Abs. 3 NHG (wie auch Art. 55b Abs. 3 USG) sieht allerdings vor, dass Rügen gegen einen Nutzungsplan mit Verfügungscharakter in einem nachfolgenden Verfahren nicht mehr vorgebracht werden dürfen, wenn sie im Planungsverfahren nicht erhoben oder rechtskräftig abgelehnt worden sind. Diese Bestimmungen wurden mit Bundesgesetz vom 20. Dezember 2006 (in Kraft seit 1. Juli 2007; AS 2007 2701) eingeführt, d.h. nach der öffentlichen Auflage des Gestaltungsplans Nuolen See im Mai/Juni 2004.
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3.4. Allerdings ist die Änderung der GSchV vom 4. Mai 2011 (AS 2011 1955), auf die sich die Beschwerdegegner berufen, zwei Wochen 
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Erwägung 4
 
4.1. Im Gestaltungsplanverfahren wurde eine UVP durchgeführt, in der - neben den geplanten Bootshäfen - insbesondere die vorgesehenen Schüttungen am Ufer der Kibag- und Hunziker-Bucht geprüft wurden, unter Mitwirkung der zuständigen kantonalen Fachstellen (vgl. insbesondere die Umweltverträglichkeits-Beurteilung des Amts für Umweltschutz [AfU] vom 18. Dezember 2006). In diesem Verfahren wurden bereits detaillierte Aussagen zu Ausmass und Ausdehnung der Terrainveränderungen getroffen: Geplant sind Abtragungen von rund 32'000 m
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4.2. Im Gestaltungsplan werden die geplante Ufergestaltung und die hierfür erforderlichen Aufschüttungen und Abträge in den "Schnitten Ufer A1-A10 M. 1:500" und auf den "Detailschnitten Ufer M. 1:200" dargestellt. Angestrebt wird im östlichen Bereich (Kibag-Bucht) eine Neigung von 1:4 und im westlichen Abschnitt eine möglichst flache Ausführung. Allerdings muss die Neigung der künftigen Ufer noch durch die Anlage von Testufern empirisch ermittelt werden (getestet werden Neigungen zwischen 1:2 und 1:10). Erst nach Vorliegen der Testresultate wird daher über die endgültige Ufergestaltung entschieden, weshalb auch erst zu diesem Zeitpunkt das Gesamtmass an Schüttungen und Abträgen feststehen wird. In Ziff. 4 des regierungsrätlichen Genehmigungsbeschlusses findet sich deshalb für die definitive Ufergestaltung ein Vorbehalt zugunsten des Baubewilligungsverfahrens; in den Erwägungen wird festgehalten, dass den Querprofilen des Gestaltungsplans nur Hinweischarakter zukommt.
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4.3. Zum verbindlichen Planinhalt (i.S.v. Art. 4 Abs. 2 SBV) gehören dagegen die vorgesehenen Höhenpunkte und -linien zur Endgestaltung des Terrains landseitig sowie die Baubereiche, die teilweise auf bisherigem Seegebiet liegen. Daraus lässt sich folgern, dass die Aufschüttungen oberhalb des Seespiegels, namentlich im Bereich der künftigen Baufelder, im Gestaltungsplan bereits verbindlich festgelegt werden und in den nachfolgenden Baubewilligungsverfahren nicht mehr zur Disposition stehen. Diese Festsetzung kann daher im Baubewilligungsverfahren nur noch unter den besonderen Voraussetzungen der akzessorischen Überprüfung von Nutzungsplänen in Frage gestellt werden.
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4.4. Den Beschwerdegegnern ist einzuräumen, dass die für Schüttungen erforderlichen Spezialbewilligungen (insbesondere nach Art. 39 Abs. 2 GSchG und Art. 22 NHG) im Gestaltungsplanverfahren weder erteilt noch verbindlich in Aussicht gestellt worden sind; die spezifischen Voraussetzungen dieser Bewilligungen wurden auch nicht thematisiert. Dies widerspricht Art. 21 Abs. 1 der Verordnung vom 19. Oktober 1988 über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPV; SR 814.011) und Art. 25a Abs. 4 RPG. Diese Verletzung des Koordinationsgebots hätte jedoch mit Einsprache und Beschwerde gegen den Gestaltungsplan gerügt werden müssen und kann daher im Baubewilligungsverfahren grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden.
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4.5. Die Beschwerdegegner machen nicht geltend, dass sie die Tragweite des im Mai 2004 öffentlich aufgelegten Gestaltungsplans nicht hätten erkennen können bzw. keine Möglichkeit gehabt hätten, ihre Interessen im Einspracheverfahren zu wahren. Sie berufen sich vielmehr auf seither eingetretene rechtliche oder tatsächliche Änderungen. Ob diese die akzessorische Überprüfung des Gestaltungsplans rechtfertigen, ist im Folgenden zu prüfen.
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Erwägung 5
 
5.1. Das Bundesgericht hat entschieden, dass die neuen Gewässerraumbestimmungen der Durchsetzung wichtiger öffentlicher Interessen dienen. Mit den unmittelbar anwendbaren Übergangsbestimmungen soll insbesondere sichergestellt werden, dass nach Inkrafttreten der geänderten Verordnung keine unerwünschten neuen Bauten und Anlagen errichtet werden (Erläuternder Bericht des BAFU vom 20. April 2011, Parlamentarische Initiative Schutz und Nutzung der Gewässer [07.492] - Änderung der Gewässerschutz-, Wasserbau-, Energie- und Fischereiverordnung [im Folgenden: Erläuternder Bericht] S. 4 oben). Diese Zielsetzung verlangt, dass die neuen Bestimmungen sofort angewendet werden, sogar auf hängige Bau- und Planverfahren (BGE 139 II 470 E. 4.2 S. 481 mit Hinweis).
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5.2. Die Beschwerdeführerinnen machen allerdings geltend, der Regierungsrat habe mit der Genehmigung des Gestaltungsplans unnötig zugewartet; ohne diese Rechtsverzögerung wäre die Gestaltungsplanung noch vor Inkrafttreten der neuen Gewässerschutzbestimmungen bestandskräftig geworden. Der Bauherrschaft dürfe daraus kein Nachteil entstehen, weshalb das alte, für sie günstigere Recht zur Anwendung gelangen müsse.
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5.3. Der Hinweis der Beschwerdeführerin 1 auf Art. 8 Abs. 1 der Verordnung über Zweitwohnungen vom 22. August 2012 (SR 702, nachfolgend: ZwV), wonach Baubewilligungen nach bisherigem Recht gestützt auf einen vor Inkrafttreten des neuen Rechts genehmigten Sondernutzungsplan erteilt werden dürfen, ist schon deshalb unbehelflich, weil der Gestaltungsplan Nuolen See nicht vor, sondern nach dem Inkrafttreten der neuen Gewässerschutzbestimmungen genehmigt wurde. Im Übrigen beschränkt sich Art. 8 Abs. 1 ZwV auf Sondernutzungspläne, die bereits die wesentlichen Elemente der Baubewilligung vorwegnehmen (lit. b), was vorliegend nicht der Fall ist (vgl. oben E. 4.2 und unten E. 7.4).
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Erwägung 6
 
6.1. Das Verwaltungsgericht führte aus, dass für die Bestimmung des Gewässerraums nach Art. 41b GSchV sowie Abs. 2 lit. c ÜbBst GSchV die Uferlinie im Ist-Zustand massgeblich sei, und nicht eine - in einem Teilzonen- oder Gestaltungsplan vorgesehene - künstliche, mittels Aufschüttungen erst zu schaffende Uferlinie. Die bestehende Seefläche gehe aus dem vom Regierungsrat am 2. August 1995 genehmigten Zonenplan klar hervor und werde durch die grundbuchrechtlichen Eintragungen bestätigt. Selbst wenn die Seefläche durch den Teilzonenplan 2000/2005 neu definiert worden wäre, müsste diesem die Anwendung versagt bleiben, angesichts des Umstands, dass die beabsichtigte Überbauung noch nicht realisiert worden sei.
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6.2. Die Beschwerdeführerinnen halten dem entgegen, dass die Gestaltungsplanung einen Abstand von 20 m zwischen der neuen Uferlinie und den Baufeldern einhalte und insofern mit den neuen Gewässerraumbestimmungen vereinbar sei. Die Zulässigkeit der Aufschüttungen beurteile sich nach Art. 39 GSchG, der nicht geändert worden sei.
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6.3. Dem BAFU ist insoweit zuzustimmen, als die Zulässigkeit von Schüttungen in Seen in Art. 39 Abs. 2 GSchG speziell geregelt ist, und diese Bestimmung seit Inkrafttreten des GSchG am 1. November 1992 nicht modifiziert worden ist. Schon bisher waren Schüttungen in Seen nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen zulässig, nämlich einerseits für standortgebundene Bauten in überbauten Gebieten, wenn überwiegende öffentliche Interessen eine Schüttung erfordern und sich der angestrebte Zweck anders nicht erreichen lässt (lit. a) oder wenn durch die Schüttung eine Flachwasserzone verbessert werden kann (lit. b). Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist mit dem BAFU davon auszugehen, dass die Schüttung (soweit nötig) auch den Gewässerraum in Anspruch nehmen darf.
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Daran hat sich durch das Inkrafttreten der neuen Gewässerraumbestimmungen nichts geändert. Zwar lässt Art. 41c Abs. 1 GSchV im Gewässerraum nur die Erstellung standortgebundener, im öffentlichen Interesse liegender Anlagen wie Fuss- und Wanderwege, Flusskraftwerke oder Brücken zu, und erlaubt Ausnahmen für zonenkonforme Anlagen (wie Wohnbauten) nur in dicht überbauten Gebieten. Daraus lässt sich folgern, dass es erst recht nicht zulässig sein kann, ein bestehendes Gewässer mitsamt dessen Gewässerraum aufzuschütten, um Wohnüberbauungen darauf zu erstellen. Dies ergab sich aber bereits aus Art. 39 Abs. 2 lit. a GSchG, der Schüttungen nur für standortgebundene Vorhaben zulässt, d.h. für Bauten und Anlagen, die auf genau diesen Standort angewiesen sind und sich landseits nicht realisieren lassen (BGE 130 II 313 E. 3.6 S. 320 mit Hinweis auf die Botschaft zum Gewässerschutzgesetz, BBl 1987 II 1144 f. zu Art. 39; URSULA BRUNNER, Bauen im Uferbereich - schützen die Schutznormen? in: URP 1996 S. 744 ff., insbes. S. 754), was bei Wohnbauten praktisch nie der Fall sein dürfte.
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6.4. Dagegen tragen die neuen Gewässerschutzbestimmungen zur Klärung einer anderen, im Planungsverfahren diskutierten Frage bei, nämlich zu der für den Gewässer- und Gewässerraumschutz massgeblichen Uferlinie:
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6.4.1. Die Buchten sind nicht natürlich, sondern künstlich durch den Kiesabbau entstanden. Wie sich aus dem UVB (Ziff. 2.1.8) ergibt, war im Vorfeld der Planung streitig, ob es sich bei den Baggerbuchten um Seefläche handle oder nicht. Die Beschwerdeführerin 1 vertrat stets die Auffassung, es liege eine Industriebrache vor, deren Wiederauffüllung hinter der ursprünglichen Seelinie zulässig sei.
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6.4.2. Art. 39 GSchG (und zahlreiche Vorschriften im Anhang der GSchV) knüpfen an den Begriff "See" an, ohne diesen Begriff zu erläutern. Art. 4 lit. a GSchG definiert lediglich das oberirdische Gewässer als "Wasserbett mit Sohle und Böschung sowie die tierische und pflanzliche Besiedlung". Die oberirdischen Gewässer werden in Fliessgewässer einerseits und stehende Gewässer andererseits unterteilt, wobei die Seen zu letzteren zählen. Art. 39 GschG enthält ein besonderes Verbot von Ablagerungen in Seen und verschärft damit die allgemeinen Anforderungen an Terrainveränderungen bei stehenden Gewässern gemäss Anh. 2 Ziff. 13 Abs. 1 GSchV.
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Soweit ersichtlich, wurde bislang nicht entschieden, welche Anforderungen ein stehendes Gewässer erfüllen muss, um als See qualifiziert zu werden, und ob insbesondere auch künstlich geschaffene Seen in den Schutzbereich von Art. 39 GSchG fallen. Schutzobjekt dieser Bestimmung ist die vom See überflutete Uferbank, in der dank ihrer speziellen Eigenschaften (Ort optimaler Sauerstoffverhältnisse, grosse Temperaturschwankungen, gute Durchlichtung, starker Wellenschlag, dichter Pflanzenwuchs) Schmutzstoffe zu einem grossen Teil abgebaut werden, die den grössten Teil der Tier- und Pflanzenwelt des Sees beherbergt und in der auch allfällige Austauschvorgänge mit ufernahen Grundwasservorkommen stattfinden (Botschaft des Bundesrates zum GSchG von 1991, in: BBl 1987 II 1143). Dies legt eine biologische Definition nahe, wonach als Seen alle stehenden Gewässer gelten, die von ihrer Grösse und Beschaffenheit diese Funktionen erfüllen können bzw. nach einer Revitalisierung erfüllen könnten (ähnlich HANS MAURER, Rechtliche Fragen zum Verlandungsprozess im Wohlensee sowie zu künstlichen Aufschüttungen in Seen, Gutachten vom 21. Februar 2012 im Auftrag des Amtes für Umweltkoordination und Energie, Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, Rz. 69 S. 28 [publiziert auf der homepage der BVE: www.bve.be.ch]).
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6.4.3. Im vorliegenden Fall besteht allerdings die Besonderheit, dass die durch den Kiesabbau künstlich geschaffenen Buchten in den Zürichsee einmünden, der ohne Zweifel als "See" zu qualifizieren ist. Insofern kann sich die Prüfung auf die Frage beschränken, ob die Buchten die Uferlinie des Zürichsees modifiziert haben und damit zur Seefläche gehören.
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Die bereits zitierte Legaldefinition des Gewässers (Art. 4 lit. a GSchG) stellt auf Gewässerbett, Sohle und Böschung ab, d.h. auf Elemente, die sich im Lauf der Zeit verändern können, sei es durch natürliche Vorgänge (Erosion, Verlandung) oder infolge menschlicher Eingriffe. Dies spricht dafür, alle (zumindest periodisch) vom Seewasser überschwemmten Landteile zum Gewässer zu zählen, unabhängig von Zeitpunkt und Art ihrer Entstehung (vgl. Maurer, a.a.O., Rz. 20 f. S. 8 f.).
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6.4.4. Diese Auffassung wird durch die neuen Gewässerraumvorschriften bestätigt:
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Zwar kann im Zuge einer Uferrevitalisierung die Rückkehr zum ursprünglichen Uferverlauf angestrebt werden und können hierfür Terrainveränderungen, einschliesslich Schüttungen zur Wiederherstellung von Flachufern (nach Art. 39 Abs. 2 lit. b GSchG), bewilligt werden. Dagegen ist es unzulässig, die durch Abgrabungen entstandenen Seebereiche dem Schutz des GSchG zu entziehen und Schüttungen oder Überbauungen im Gewässer bzw. im Gewässerraum entgegen den gesetzlichen Anforderungen zu bewilligen.
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6.4.5. Eine Ausnahme ist denkbar, wenn eine Wiederauffüllungspflicht aufgrund einer noch geltenden Konzession oder Abbaubewilligung besteht.
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6.4.6. Nach dem Gesagten hätte der Regierungsrat bei der Bewilligung der Gestaltungsplanung, ausgehend von der bestehenden Uferlinie, die beiden Buchten als Seegebiet qualifizieren müssen, in dem Aufschüttungen nur unter den restriktiven Bedingungen gemäss Art. 39 Abs. 2 GSchG bewilligt werden dürfen. Diese sind vorliegend nicht erfüllt, da die Schüttungen entlang der Uferlinie (in der vorgesehenen Mächtigkeit und im geplanten Ausmass) nicht der Anlage von Flachufern dienen, sondern der Realisierung einer nicht standortgebundenen Wohnüberbauung.
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6.5. Dagegen stellt die 2011 eingeführte Verpflichtung zur Revitalisierung geeigneter Gewässerabschnitte (Art. 38a GSchG i.V.m. Art. 41d GSchV) eine wesentliche Rechtsänderung dar:
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6.5.1. Bisher sah das Bundesrecht eine Pflicht zur Wiederherstellung naturnaher Verhältnisse bei verbauten bzw. beeinträchtigten Gewässern nur im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz oder anderen Eingriffen in ein Gewässer vor (vgl. Art. 4 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über den Wasserbau [WBG; SR 721.100]; Art. 37 GSchG; Art. 9 f. des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über die Fischerei [BGF; SR 923.0] und Art. 18
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6.5.2. Diese Frage stellt sich jedoch seit Inkrafttreten von Art. 38a GSchG und Art. 41d GSchV imperativ. Diese Bestimmungen verpflichten die Kantone zu einer Revitalisierungsplanung unabhängig von Hochwasserschutz- oder anderen konkreten Projekten ("eigenständige Revitalisierungen" in der Terminologie von MAURER, Revitalisierung der Gewässer, URP 2008 S. 451 oben). Priorität haben dabei Gewässer mit einem grossen ökologischen Potenzial und einem günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis (vgl. Art. 41d Abs. 2 und Art. 33a GschV). Ziel des Gesetzgebers ist es, innerhalb von etwa drei Generationen bei den geschätzten 4'000 prioritär zu revitalisierenden Gewässerkilometern die natürlichen Gewässerfunktionen wiederherzustellen (Parlamentarische Initiative Schutz und Nutzung der Gewässer, Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates vom 12. August 2008, BBl 2009 8051 f.).
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6.5.3. Das Gebiet Nuolen See liegt in der Nähe mehrerer nationaler und internationaler Schutzgebiete (ökologische Zustandsanalyse S. 11); unmittelbar westlich der Kibag-Bucht beginnt das Flachmoorgebiet von nationaler Bedeutung Nr. 1844 "Nuoler Ried"; nördlich grenzt das BLN-Gebiet "Zürcher Obersee" an. Gewisse Schilfbestände sind bereits vorhanden; nach Einstellung der industriellen Nutzung (der Kibag-Bucht) und geeigneten Aufwertungsmassnahmen bestünde das Potenzial für eine grossflächige Besiedlung mit Röhricht (ökologische Zustandsanalyse S. 13). Den beiden Buchten wird daher ein hohes ökologisches Potenzial, namentlich für Vögel, zugeordnet (ökologische Zustandsanalyse S. 15 mit Hinweis).
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6.5.4. Die im Gestaltungsplan vorgesehenen grossräumigen Schüttungen im bestehenden Gewässerraum dienen der Erstellung von Wohnbauten. Dadurch würde das Ufer auf einer Länge von rund 700 m überbaut und eine naturnahe Gestaltung der bestehenden Ufer verunmöglicht. Die für die Anlage von Röhricht zur Verfügung stehende Seefläche würde durch die Schüttungen wie auch durch den geplanten neuen Bootshafen Bollenberg verringert. Die Intensiverholungszonen bergen zudem ein grosses Störungspotenzial (z.B. für Brutvögel).
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6.6. Präjudiziert die Gestaltungsplanung Nuolen See somit die Revitalisierungsplanung des Kantons negativ, hätten die im bestehenden Gewässerraum vorgesehenen Schüttungen und Überbauungen auf planerischer Ebene nicht bewilligt werden dürfen. Mit dem Verwaltungsgericht ist daher davon auszugehen, dass die Revision des GSchG und der GSchV eine wesentliche Rechtsänderung darstellen.
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Erwägung 7
 
7.1. Das Verwaltungsgericht hielt fest, dass der Teilzonenplan seit seinem Erlass im Jahre 2000 keine nennenswerten Änderungen erfahren habe. Damit sei die Regeldauer für die Überarbeitung von 15 Jahren (Art. 15 lit. b RPG) schon beinahe erreicht. Das grosse öffentliche Interesse am Gewässerschutz, das sich gerade in den per 1. Januar bzw. 1. Juni 2011 verschärften Gewässerschutzbestimmungen manifestiere, überwiege in jedem Fall das private Interesse der Beschwerdeführerin 1 an der Erhaltung bzw. Beachtung des bestehenden Teilzonen- und Gestaltungsplans. Dieser hätte auffallen müssen, dass der regierungsrätliche Genehmigungsbeschluss zum Gestaltungsplan keinerlei Bezug auf die verschärften Gewässerschutzbestimmungen nehme, d.h. die divergierenden öffentlichen (gewässerschutzrechtlichen) und privaten Interessen nicht genügend abgewogen worden seien. Aus den verschiedenen Abtretungsverträgen, welche die Beschwerdeführerin 1 abgeschlossen habe, liessen sich keine wohlerworbenen Rechte ableiten, zumal die Verträge Vorbehalte enthielten, wonach sie dahinfallen, falls der Teilzonen- und Gestaltungsplan Nuolen See vom Regierungsrat nicht genehmigt werden sollte.
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7.2. Die Beschwerdeführerin 1 rügt in diesem Zusammenhang eine Verletzung des rechtlichen Gehörs: Sie habe sich in der Beschwerdeantwort vor Verwaltungsgericht vom 31. Mai 2013 (Ziff. 15.1) ausdrücklich vorbehalten, zu den Fragen der Planbeständigkeit und des Vertrauensschutzes eingehend Stellung zu nehmen, sollten diese entscheidrelevant werden. Das Verwaltungsgericht sei darüber hinweggegangen, ohne die Beschwerdeführerin 1 nochmals anzuhören.
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7.3. In der Sache rügen die Beschwerdeführerinnen, die Planung sei neueren Datums, weshalb grundsätzlich auf ihren Fortbestand vertraut werden dürfe: Der Teilzonenplan sei 2005 geändert und im Rahmen der Ortsplanungsrevision 2009 bestätigt worden. Zudem seien Teilzonen- und Gestaltungsplan als Einheit zu behandeln, weshalb auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gestaltungsplans im Jahre 2011 abzustellen sei.
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7.4. Der Teilzonenplan enthält im Hinblick auf die streitigen Schüttungen keine verbindlichen, sondern nur generelle Festlegungen, die im Gestaltungsplan- und UVP-Verfahren überprüft und konkretisiert werden mussten. Insofern kommt ihm keine massgebliche Bedeutung zu.
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Unter diesen Umständen ist es von Bundesrechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht prozessual von der akzessorischen Überprüfung eines Nutzungsplans im Baubewilligungsverfahren ausging, und nicht die Einleitung eines Revisions- oder Widerrufsverfahrens verlangte.  Materiell rechtlich ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf gemäss § 34 Abs. 1 VRP/SZ ebenfalls erfüllt seien. Nach dieser Bestimmung können Verfügungen auf Gesuch einer Partei oder von Amtes wegen von der erlassenden Behörde oder der Aufsichtsbehörde abgeändert oder aufgehoben werden, wenn sich die Verhältnisse geändert haben oder erhebliche öffentliche Interessen es erfordern und dabei der Grundsatz von Treu und Glauben nicht verletzt wird. Es handelt sich um dieselben Elemente, die im Rahmen der akzessorischen Überprüfung des Gestaltungsplans zu beachten und deshalb im vorliegenden Verfahren zu prüfen sind. Allfällige Entschädigungsansprüche der Beschwerdeführerin 1 sind dagegen nicht Streitgegenstand.
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7.5. Es ist anzuerkennen, dass die Gestaltungsplanung auf einer langjährigen, bereits durch den Teilzonenplan 2000 eingeleiteten Planung beruht, die durch vertragliche Abmachungen zwischen den beteiligten Kiesabbauunternehmen und den Gemeinden Wangen und Tuggen flankiert wurde.
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7.5.1. Dazu gehören neben verschiedenen Abtretungsverträgen insbesondere der am 25. August 2008 zwischen der Beschwerdeführerin 1 und den Gemeinden Wangen und Tuggen abgeschlossene öffentlich-rechtliche Vertrag. In diesem wurde unter anderem ein Zeitplan für die Beendigung des Kiesabbaus in Nuolen vorgesehen. Gestützt auf diesen Vertrag gewährte die Gemeinde Wangen der Beschwerdeführerin 1 am 25. September 2008 eine Verlängerung der Betriebsbewilligung für den Kiesabbau bis Ende 2013 (statt Ende 1999 gemäss Sanierungsplan vom 13. November 1978). Die Kiesaufbereitungsanlage und das Betonmischwerk in Nuolen sollen bis Ende 2014 abgebrochen werden und die Gruben Rütihof und Bachtellen bis Ende 2017 aufgefüllt und bis Ende 2020 rekultiviert werden.
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7.5.2. Allerdings war das vorgesehene Projekt aufgrund des Ausmasses der Schüttungen und der Gesamtzahl der Bootsplätze UVP-pflichtig (Ziff. 13.3 und 30.3 Anh. UVPV) und auf eine Reihe von kantonalen Spezialbewilligungen angewiesen, die vom Regierungsrat mit der Genehmigung der Gestaltungsplanung koordiniert werden mussten (Art. 21 Abs. 1 UVPV; Art. 25a Abs. 4 RPG; vgl. oben E. 4.4). Insofern standen alle Planungsschritte und vertraglichen Abmachungen, die 
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7.5.3. Nach der Genehmigung des Gestaltungsplans am 15. Juni 2011 bzw. nach ungenutztem Ablauf der Beschwerdefrist durfte die Beschwerdeführerin 1 dagegen grundsätzlich auf den Bestand des Gestaltungsplans vertrauen.
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7.6. Kann die geplante Wohnüberbauung nicht realisiert werden, entfällt das Interesse der Beschwerdeführerin 1 an der schnellen Beendigung des Kiesabbaus in Nuolen, weshalb sich die industrielle Nutzung der Kibag-Bucht verlängern könnte. Dies gilt insbesondere, wenn ihr neue Abbaugebiete in Tuggen bewilligt werden sollten, deren Kies auf dem Seeweg (über den bestehenden Verladehafen) transportiert werden müsste. Dies kann die ökologische Aufwertung der Buchten und ihre Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit verzögern und die Belastung der Anwohner mit Immissionen der Kiesindustrie verlängern. Angesichts der Gesamtdauer der Kiesausbeutung im Gebiet Nuolen (fast ein Jahrhundert) fällt diese Verzögerung jedoch nicht entscheidend ins Gewicht; es überwiegt der mögliche Nutzen einer geänderten Planung für Natur und Landschaft. Eine ökologische Aufwertung der Buchten würde auch den Erholungswert der Landschaft für die Bewohner Wangens erhöhen. Wohnbauten können dagegen auch an anderer Stelle, weiter landeinwärts, realisiert werden. Jedenfalls muss die Möglichkeit einer eigenständigen und umfassenden Renaturierung des Gebiets ernsthaft geprüft werden, bevor diese Chance durch eine Uferüberbauung endgültig zerstört wird.
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7.7. Nach dem Gesagten durfte das Verwaltungsgericht dem öffentlichen Interesse an der Anpassung der Planung zur Durchsetzung der neuen gewässerschutzrechtlichen Bestimmungen den Vorrang einräumen vor den gegenläufigen privaten und öffentlichen Interessen. Dies umso mehr, als sich nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Frage des Vorrangs der Rechtssicherheit und Planbeständigkeit in der vollen Tragweite ohnehin nur für bundesrechtskonforme Pläne stellt (BGE 118 Ia 151 E. 5c S. 160 mit Hinweis). Diese Voraussetzung erfüllt die hier interessierende Planung gerade nicht.
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Erwägung 8
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Verfahren 1C_821/2013 und 1C_825/2013 werden vereinigt.
 
2. Die Beschwerden werden abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten für das Verfahren 1C_821/2013 von Fr. 5'000.-- werden der A.________ AG auferlegt. Für das Verfahren 1C_825/2013 werden keine Kosten erhoben.
 
4. Die A.________ AG und die Gemeinde Wangen haben die Beschwerdegegner 1 und 2 mit insgesamt Fr. 12'000.-- (je Fr. 6'000.--) zu entschädigen.
 
5. Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Wangen, dem Amt für Raumentwicklung, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Kammer III, sowie dem Bundesamt für Umwelt schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 30. März 2015
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Die Gerichtsschreiberin: Gerber
 
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