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Informationen zum Dokument  BGer 5A_248/2014  Materielle Begründung
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BGer 5A_248/2014 vom 27.03.2015
 
{T 0/2}
 
5A_248/2014
 
 
Urteil vom 27. März 2015
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
 
Bundesrichterin Escher,
 
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Bovey,
 
Gerichtsschreiber Möckli.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Raphael Brunner,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Kantonsgericht des Kantons Zug, Einzelrichter.
 
Gegenstand
 
Anerkennung eines ausländischen Konkursdekrets,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, vom 18. Februar 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
A. In der Nachlassstundung der B.________ AG, Zug, meldete die Muttergesellschaft C.________ AG, Rotterdam, am 9. Mai 2012 eine Forderung von Fr. 1'355'147'427.-- an. Gemäss dem Bericht der Sachwalter vom 7. September 2012 wurde die Forderung provisorisch im Umfang von Fr. 1'167'392'680.-- anerkannt und im Umfang von Fr. 187'754'747.-- bestritten. Mit Urteil vom 6. August 2012 eröffnete das Landgericht Rotterdam über die C.________ AG das Insolvenzverfahren und bestellte A.________ zum Insolvenzverwalter.
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B. Mit Eingabe vom 13. September 2013 beantragte A.________ beim Kantonsgericht Zug die Anerkennung des Beschlusses des Landgerichts Rotterdam vom 6. August 2012 über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die C.________ AG. Mit Entscheid vom 8. Oktober 2013 wies das Kantonsgericht das Gesuch ab.
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C. Gegen dieses Urteil hat A.________ am 24. März 2014 eine Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Er verlangt dessen Aufhebung, die Anerkennung des Beschlusses des Landgerichts Rotterdam vom 6. August 2012 als ausländisches Konkursdekret und als Folge die Eröffnung eines Partikularkonkurses im Sinn von Art. 170 ff. IPRG über das in der Schweiz gelegene Vermögen der C.________ AG. Mit Schreiben vom 2. bzw. 5. Mai 2014 haben das Kantonsgericht und das Obergericht auf die Einreichung einer Vernehmlassung verzichtet.
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Erwägungen:
 
1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über die Anerkennung eines ausländischen Konkursdekretes. Die Beschwerde in Zivilsachen ist streitwertunabhängig gegeben (Art. 72 Abs. 2 lit. a und lit. b Ziff. 1 sowie Art. 75 Abs. 1 BGG; BGE 137 III 517 nicht publ. E. 1.1). Angesichts des Begehrens um Eröffnung eines Partikularkonkurses (vgl. Lit. C) und mit Blick auf die allenfalls zu erhebende Kollokationsklage (vgl. Lit. A) ist ein aktuelles und praktisches Interesse gegeben (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
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2. Es geht um die Anerkennung eines ausländischen Konkurserkenntnisses auf Antrag des ausländischen Konkursverwalters im Sinn von Art. 166 IPRG, wobei die Voraussetzung gemäss Abs. 1 lit. c (Gewährung des Gegenrechts durch die Niederlande) umstritten ist.
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3. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Bundesrecht mit Bezug auf die inhaltlichen Anforderungen an das Gegenrechtserfordernis und die Darstellung der Rechtslage in der Schweiz, sodann eine falsche Feststellung des ausländischen Rechts und schliesslich eine Verletzung der Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a BV sowie des Rechtes auf ein faires Verfahren gemäss Art. 6 Abs. 1 EMRK durch Verweigerung der Anerkennung des niederländischen Konkursdekrets, welche Voraussetzung für die Einreichung einer Kollokationsklage in der Schweiz sei.
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4. Gemäss Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG wird ein ausländisches Konkursdekret, das am Wohnsitz bzw. Sitz des Schuldners ergangen ist, auf Antrag der ausländischen Konkursverwaltung in der Schweiz anerkannt, wenn der Staat, in dem das Dekret ergangen ist, Gegenrecht hält.
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5. Wie im angefochtenen Entscheid richtig zitiert wird, geht die Lehre, soweit eine Begründung der geäusserten Ansicht erfolgt, davon aus, dass die Niederlande kein Gegenrecht gewähren ( STAEHELIN, a.a.O., S. 91 f.; HANISCH, Internationale Insolvenzrechte des Auslandes, in: SZIER 1992, S. 15). Diese bereits über 20 Jahre zurückliegenden Publikationen werden auch in jüngerer Zeit verschiedentlich zitiert, ohne dass aber eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Rechtslage in den Niederlanden stattfinden würde ( VOLKEN, in: Zürcher Kommentar, N. 105 zu Art. 166 IPRG; BERTI/MABILLARD, in: Basler Kommentar, N. 39 zu Art. 166 IPRG; ZILTENER/SPÄTH, Die Anerkennung ausländischer Konkurse, in: ZZZ 2005, S. 79; GEHRI/KOSTKIEWICZ, Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheide in der Schweiz, in: SZIER 2009, S. 203; JAQUES, La reconnaissance et les effets en Suisse d'une faillite ouverte à l'étranger, Bellinzona 2006, S. 47). Schliesslich wurde in BGE 137 III 570 E. 3 S. 574 für die Niederländischen Antillen (heute Curaçao) aufgrund der übereinstimmenden Parteibehauptung ohne irgendwelche Prüfung davon ausgegangen, dass kein Gegenrecht gewährt werde.
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6. Zusammenfassend ergibt sich, dass in dahingehender Gutheissung der Beschwerde festzuhalten ist, dass die Niederlande Gegenrecht im Sinn von Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG gewähren. Obwohl die weiteren Anerkennungsvoraussetzungen im angefochtenen Entscheid an sich schon bejaht wurden, ist dennoch kein reformatorischer Entscheid angebracht (Art. 107 Abs. 2 BGG), sondern die Sache - nicht zuletzt wegen der Gehörswahrung von Dritten (vgl. BGE 139 III 504 E. 3.2 S. 508) - zur weiteren Behandlung an die kantonalen Instanzen zurückzuweisen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. In dahingehender Gutheissung der Beschwerde wird festgestellt, dass die Niederlande Gegenrecht im Sinn von Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG gewähren. Die Sache wird zur weiteren Behandlung im Sinn dieser Feststellung an das Obergericht des Kantons Zug zurückgewiesen.
 
2. Der Kanton Zug hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 4'000.-- zu entschädigen.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht des Kantons Zug, Einzelrichter, und dem Obergericht des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 27. März 2015
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: von Werdt
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli
 
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