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Informationen zum Dokument  BGer 2C_1038/2014  Materielle Begründung
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BGer 2C_1038/2014 vom 27.03.2015
 
{T 0/2}
 
2C_1038/2014
 
 
Urteil vom 27. März 2015
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Seiler,
 
Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Gerichtsschreiber Winiger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A. und B.C.________, Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Fürsprecher Martin Häuselmann,
 
gegen
 
Steuerverwaltung des Kantons Bern.
 
Gegenstand
 
Kantons- und Gemeindesteuern 1989/90, 1991/92 und 1993/94, Nachsteuern,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
 
vom 9. Oktober 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid (vgl. BGE 134 II 124 E. 1.3 S. 127) eines oberen Gerichts in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, die unter keinen Ausschlussgrund gemäss Art. 83 BGG fällt und daher mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden kann (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Entscheid beschwert und zu dessen Anfechtung befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die im Übrigen form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.
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1.2. Mit der Beschwerde können Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Allerdings prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Bezüglich der Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gilt eine qualifizierte Rügepflicht: Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und belegte Rügen (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 135 III 397 E. 1.4 S. 400; 134 II 244 E. 2.2 S. 246).
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1.3. Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Abs. 2). Das Bundesgericht stellt diesbezüglich strenge Anforderungen an die Begründungspflicht der Beschwerde. Namentlich genügt es nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten. Vielmehr ist in der Beschwerdeschrift darzulegen, inwiefern diese Feststellungen willkürlich bzw. unter Verletzung einer verfahrensrechtlichen Verfassungsvorschrift zustande gekommen sind (BGE 137 V 57 E. 1.3 S. 60). Vorbehalten bleiben offensichtliche Sachverhaltsmängel im Sinne von Art. 105 Abs. 2 BGG, die dem Richter geradezu in die Augen springen (BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.).
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Erwägung 2
 
2.1. Die hier streitigen Nachsteuern betreffen die Kantons- und Gemeindesteuern der Perioden 1989/1990 bis 1993/1994. Diese werden damit vom am 1. Januar 1993 in Kraft getretenen Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Steuerharmonisierungsgesetz, StHG; SR 642.14) noch nicht erfasst bzw. fallen in die achtjährige Frist, die den Kantonen gemäss Art. 72 Abs. 1 StHG zur Anpassung ihrer Steuergesetze an dieses Gesetz offen stand. Das Steuerharmonisierungsgesetz findet daher im vorliegenden Fall noch keine Anwendung. Das gilt selbst dann, wenn der Kanton sein Steuergesetz bereits harmonisiert hat (BGE 123 II 588 E. 2d S. 592 f.). Die unrichtige Anwendung von nicht harmonisiertem kantonalem Recht wird - ausserhalb von schweren Grundrechtseingriffen, die vorliegend nicht geltend gemacht werden - nur über das Willkürverbot erfasst (vgl. Art. 95 BGG e contrario; BGE 134 I 153 E. 4.2.2 S. 158; Urteil 2C_999/2014 vom 15. Januar 2015 E. 3).
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Damit steht im Einklang, dass insoweit der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen nicht gilt, dafür aber die qualifizierte Rügepflicht nach Art. 106 Abs. 2 BGG. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4 S. 254 f.; 133 III 393 E. 6 S. 397). Die Beschwerdeführer müssen - über die allgemeine Begründungspflicht hinaus - in Auseinandersetzung mit den Erwägungen der Vorinstanz im Einzelnen darlegen, inwiefern der angefochtene Entscheid geradezu unhaltbar sein soll (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254; 133 IV 286 E. 1.4 S. 287).
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2.2. Nach dem Gesagten sind vorliegend die Auslegung und Anwendung kantonaler Vorschriften nur unter dem eingeschränkten Gesichtswinkel der verfassungsmässigen Rechte zu prüfen (Art. 95 BGG), wobei namentlich die Rüge der offensichtlich unrichtigen Feststellung des Sachverhalts, der Gehörsverletzung sowie des Willkürverbots in Betracht fallen. Eine den oben umschriebenen, strengen Anforderungen genügende Begründung ist in der vorliegenden Beschwerdeschrift indes nur teilweise zu erkennen.
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2.3. Nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür nicht bereits dann vor, wenn ein anderes Normverständnis ebenfalls möglich oder gegenüber demjenigen der kantonalen Behörde gar vorzuziehen wäre. Willkür in der Rechtsanwendung ist nur dann zu bejahen, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f.; 139 III 334 E. 3.2.5 S. 339; 138 I 49 E. 7.1 S. 51).
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Erwägung 3
 
3.1. Die Vorinstanz hat zunächst festgestellt, dass die hier zu beurteilenden Steueransprüche (Steuerperioden 1989/1990 bis 1993/1994) vor dem 1. Januar 2001 entstanden sind, weshalb gemäss Art. 287 Abs. 1 des Steuergesetzes [des Kantons Bern] vom 21. Mai 2000 (StG/BE; BSG 661.11) noch die materiellrechtlichen Bestimmungen des bis zum 31. Dezember 2000 in Kraft gestandenen Gesetzes [des Kantons Bern] vom 29. Oktober 1944 über die direkten Staats- und Gemeindesteuern (aStG/BE; GS 1944 153) zur Anwendung kommen. Die Vorinstanz hat sodann ausgeführt, auch im Bereich der Nachsteuern seien die altrechtlichen Verjährungsregeln anwendbar, soweit ein Steueranspruch im Streit liegt, der noch nach dem alten Steuergesetz zu beurteilen ist (vgl. angefochtener Entscheid E. 3.1). Die Vorinstanz hat weiter eine zehnjährige Einleitungsverjährungsfrist als massgebend erachtet (vgl. Art. 175 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 182 Abs. 2 aStG/BE) und festgestellt, dass diese Frist mit der Einleitung des Nachsteuerverfahrens am 17. Dezember 1999 bezüglich allen drei betroffenen Veranlagungsperioden gewahrt worden ist (vgl. angefochtener Entscheid E. 3.2). Die Vorinstanz hat weiter festgestellt, dass seit dem 17. Dezember 1999 regelmässig wirksame Unterbrechungshandlungen durch die Steuerverwaltung erfolgten, so dass die relative Verjährungsfrist noch nicht eingetreten ist (vgl. angefochtener Entscheid E. 3.3). Schliesslich hat die Vorinstanz festgestellt, dass die absolute Veranlagungsverjährung für sämtliche noch nach dem alten Steuergesetz zu beurteilenden Nachsteuerforderungen erst am 1. Januar 2016 eintreten wird (vgl. angefochtener Entscheid E. 3.4).
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3.2. Die Beschwerdeführer sind dagegen der Auffassung, für das hier streitige Nachsteuerverfahren sei die (absolute) Veranlagungsverjährung bereits eingetreten. Ihre Ausführungen vermögen indes nicht aufzuzeigen, inwiefern die vorinstanzlichen Erwägungen - unter dem eingeschränkten Blickwinkel der Willkürprüfung (vgl. E. 2 hiervor) - bundes- oder völkerrechtswidrig sein sollen:
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3.2.1. In Bezug auf die Frage des anwendbaren Rechts vertreten die Beschwerdeführer die Auffassung, dass die vorliegende Frage der Veranlagungsverjährung gestützt auf Art. 287 Abs. 2 StG/BE nach neuen Recht zu beurteilen sei, auch wenn die Widerhandlungen vor Inkrafttreten des neuen StG/BE am 1. Januar 2001 beendet worden seien. Dazu hat die Vorinstanz alles Wesentliche dargelegt: Der Vorbehalt von Art. 287 Abs. 2 StG/BE ("Die Bestimmungen über das 
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3.2.2. Die Beschwerdeführer bestreiten sodann nicht (mehr), dass die zehnjährige Einleitungsverjährungsfrist für die drei hier streitigen Veranlagungsperioden gewahrt worden ist. Zudem räumen sie ein, es sei bezüglich der Frage des Eintritts der 
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3.2.3. Das alte Steuergesetz sah - im Gegensatz zu Art. 207 Abs. 3 StG/BE - unbestrittenermassen keine absolute Verjährungsfrist vor, innert der das Nachsteuerverfahren spätestens rechtskräftig abzuschliessen wäre. Die Vorinstanz hat sich in diesem Zusammenhang zu Recht auf die bundesgerichtliche Praxis zur direkten Bundessteuer bezogen. Auch dort kannte der damalige Bundesratsbeschluss vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt; AS 1988 878) - im Gegensatz zu Art. 120 f. DBG (SR 642.11) - keine absolute Verjährung für die Veranlagung. Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich dabei nicht um eine Lücke, sondern um ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers. Übergangsrechtlich trägt die bundesgerichtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts den unterschiedlichen Verjährungsordnungen insofern Rechnung, als sie eine Verjährungsfrist nach dem DBG, die ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des DBG am 1. Januar 1995 zu laufen beginnt, auch für die altrechtlichen Forderungen bejaht (BGE 126 II 1 E. 3 S. 5 f.; Urteile 2C_999/2014 vom 15. Januar 2015 E. 4.3; 2C_267/2010 vom 8. April 2011 E. 5.1 und 5.2; 2A.100/2007 vom 5. Dezember 2008 E. 2.4).
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3.2.4. Damit ist der angefochtene Entscheid - unter dem Blickwinkel des Willkürverbots - nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer liegt hier auch keine "krasse Ungleichbehandlung" und damit ein Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot bzw. Art. 5 Abs. 3 BV ("Treu und Glauben") vor.
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Erwägung 4
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 12'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt.
 
3. 
 
Lausanne, 27. März 2015
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Winiger
 
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