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Informationen zum Dokument  BGer 1C_427/2014  Materielle Begründung
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BGer 1C_427/2014 vom 25.03.2015
 
{T 0/2}
 
1C_427/2014
 
 
Urteil vom 25. März 2015
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Chaix, Kneubühler,
 
Gerichtsschreiber Mattle.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Räber,
 
gegen
 
Bezirksrat Küssnacht,
 
Regierungsrat des Kantons Schwyz.
 
Gegenstand
 
Planungs- und Baurecht (nachträgliche Baubewilligung),
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 25. Juni 2014 des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz, Kammer I.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
 
Erwägung 3
 
 
Erwägung 4
 
 
Erwägung 5
 
5.1. Bauten und Anlagen dürfen im Kanton Schwyz nach § 75 Abs. 1 Satz 1 des kantonalen Planungs- und Baugesetzes vom 14. Mai 1987 (PBG; SRSZ 400.100) nur mit behördlicher Bewilligung errichtet oder geändert werden (vgl. auch Art. 22 Abs. 1 RPG). Die Bewilligung wird im Melde-, vereinfachten oder ordentlichen Verfahren erteilt (§ 75 Abs. 1 Satz 2 PBG; vgl. auch Art. 118 f. des Baureglements des Bezirks Küssnacht vom 1. November 2006 [Baureglement]). Das Baubewilligungsverfahren wird durch die Einreichung eines Baubewilligungsgesuchs in Gang gesetzt (§ 77 Abs. 1 PBG). Im ordentlichen Verfahren legt die Gemeinde das Baugesuch öffentlich auf und gibt die Auflage im Amtsblatt und in ortsüblicher Weise bekannt (§ 78 Abs. 1 PBG). Zudem ist grundsätzlich ein Baugespann zu erstellen (§ 78 Abs. 2 und 3 PBG). Während der Auflagefrist kann gegen das Bauvorhaben Einsprache erhoben werden (§ 80 Abs. 1 PBG). Im vereinfachten Verfahren für kleinere Bauvorhaben oder Änderungen bewilligter Bauvorhaben wird auf die öffentliche Auflage, die Publikation und die Erstellung eines Baugespanns verzichtet, wenn das schriftliche Einverständnis der direkten Anstösser und der zuständigen Bewilligungsinstanzen des Kantons und des Bezirks vorliegen (§ 79 Abs. 1 PBG). Diesfalls wird die Bewilligung den direkten Anstössern und den zuständigen Bewilligungsinstanzen des Kantons und des Bezirks angezeigt (§ 79 Abs. 2 PBG). Fehlt das schriftliche Einverständnis eines direkten Anstössers, so wird diesem mit der schriftlichen Anzeige eine Frist von 20 Tagen angesetzt mit dem Hinweis, dass innert dieser Frist Einsprache erhoben werden kann (§ 79 Abs. 3 PBG). Für geringfügige Bauvorhaben genügt die Erfüllung der Meldepflicht (§ 75 Abs. 6 Satz 1 PBG).
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5.2. Die kantonalen Behörden widersprechen den Ausführungen des Beschwerdeführers nicht, wonach das Baugesuch weder öffentlich aufgelegt und publiziert noch den direkten Anstössern angezeigt worden sei. Wie der Bezirksrat indessen zu Recht vorbringt, konnte vorliegend auf ein entsprechendes Vorgehen verzichtet werden, nachdem er zum Schluss gekommen ist, dass die Nutzungsänderung ohnehin nicht bewilligt werden könne. Die öffentliche Auflage und Publikation eines Bauvorhabens nach § 78 PBG sowie das Anzeigeverfahren nach § 79 PBG dienen der Abklärung, ob das Vorhaben Interessen von Dritten betreffen könnte, und sichern die Beteiligungsmöglichkeit allfälliger Drittbetroffener am Verfahren. Die Verfahrensrechte des Beschwerdeführers wurden durch den Verzicht auf eine öffentliche Auflage und Publikation des Bauvorhabens bzw. auf die Durchführung des Anzeigeverfahrens nicht beschnitten, zumal er vor dem Beschluss des Bezirksrats zur Sache Stellung nehmen konnte. Auch wurde es dem Beschwerdeführer nicht verunmöglicht, den Beschluss des Bezirksrats sachgerecht anzufechten. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV), der Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) oder eine willkürliche Anwendung kantonalen Rechts überhaupt in genügender Weise rügt und begründet (vgl. Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 42 Abs. 2 BGG), vermag er damit nicht durchzudringen.
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Erwägung 6
 
6.1. Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid erwogen, die Erteilung einer Baubewilligung setze nach Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG voraus, dass das Vorhaben dem Zweck der Nutzungszone entspreche, mithin zonenkonform sei. Sie wies auf den erheblichen Entscheidungsspielraum hin, der den Gemeinden bei der Regelung der zulässigen Nutzung von Industrie- und Gewerbezonen zukomme, und hielt unter Verweis auf die entsprechenden Ausführungen des angefochtenen Entscheids des Regierungsrats fest, für die Beurteilung der Zonenkonformität der Nutzung des Büroraums als Wohnung sei massgebend, ob am Standort der Kunststoffkarosseriewerkstatt aus betrieblichen Gründen eine dauernde Anwesenheit des Betriebsinhabers notwendig sei. Sie führte dazu unter anderem aus, der Betriebsvorgang des Aushärtens von Kunststoffteilen und der Umstand, dass Kunststoffteile nach dem Aushärten innert nützlicher Frist weiter verarbeitet werden müssten, würden keine dauernde Anwesenheit und Überwachung bedingen. Daran, dass eine dauernde Anwesenheit nicht betriebsnotwendig sei, ändere auch der Einwand des Beschwerdeführers nichts, die Anwesenheit des Betriebsinhabers sowie seines ausgebildeten Schäferhunds diene der Sicherheit des Betriebs. Zusammenfassend kam die Vorinstanz zum Schluss, am Standort der Kunststoffkarosseriewerkstatt sei aus betrieblichen Gründen eine dauernde Anwesenheit des Betriebsinhabers nicht notwendig, womit die Nutzung des Büroraums als Wohnung nicht zonenkonform sei.
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6.2. Die Feststellung der Vorinstanz, dass die Nutzung des Büroraums auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers als Einzimmerwohnung gemäss Art. 83 Abs. 1 des Baureglements nicht zonenkonform ist, ist nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer wendet ein, die in der Spezialwerkstatt anfallenden Arbeiten seien wegen des speziellen Tätigkeitsbereichs nicht planbar und der Werkstattinhaber müsse die anfallenden Arbeiten grösstenteils so rasch wie möglich durchführen, weil die Kunden dies erwarteten und darauf angewiesen seien. Dies habe zur Folge, dass der Werkstattinhaber häufig in der Nacht arbeiten müsse. Auch diese Einwände sind - soweit es sich dabei nicht ohnehin um unzulässige neue Vorbringen (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG) handelt - nicht geeignet, eine willkürliche Anwendung von Art. 83 Abs. 1 des Baureglements durch die Vorinstanz darzutun. Allein die Umstände, dass die in der Werkstatt anfallenden Arbeiten schlecht planbar sein mögen und der Werkstattinhaber teilweise in der Nacht arbeiten muss, führen nicht dazu, dass seine dauernde Anwesenheit aus betrieblichen Gründen notwendig erscheint.
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Erwägung 7
 
 
Erwägung 8
 
 
Erwägung 9
 
9.1. Bleibt im Kanton Schwyz bzw. im Bezirk Küssnacht im Meldeverfahren ein der zuständigen Bewilligungsbehörde gemeldetes Bauvorhaben innert 20 Tagen seit Eingang ohne Widerspruch, so gilt es als bewilligt (Art. 119 Abs. 3 des Baureglements i.V.m. § 75 Abs. 6 Satz 2 PBG). Im Widerspruch ist dem Gesuchsteller mitzuteilen, ob das Bauvorhaben materielle Bauvorschriften verletzt oder in welches andere Verfahren das Bauvorhaben verwiesen wird (§ 45 Abs. 3 der kantonalen Vollzugsverordnung vom 2. Dezember 1997 zum Planungs- und Baugesetz [SRSZ 400.111]).
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9.2. Der aus Art. 9 BV fliessende Grundsatz des Vertrauensschutzes bedeutet, dass die Privaten Anspruch darauf haben, in ihrem berechtigten Vertrauen in behördliche Zusicherungen oder in anderes, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden geschützt zu werden (BGE 137 I 69 E. 2.3 und 2.5.1 S. 71 ff.). Allerdings können Verwaltungsbehörden rechtsfehlerhafte Verfügungen, die sie erlassen haben, ändern oder wieder aufheben, wenn das Interesse an der richtigen Anwendung des objektiven Rechts dem Interesse an der Rechtssicherheit bzw. dem Vertrauensschutz überwiegt (BGE 137 I 69 E. 2.2 f. S. 71 f. mit Hinweisen). Wenn schon schriftlich eröffnete Verfügungen unter gewissen Voraussetzungen widerrufen werden können, muss die zuständige Verwaltungsbehörde umso mehr auf eine stillschweigend erteilte, rechtsfehlerhafte Baubewilligung zurückkommen können, jedenfalls sofern dem nicht besonders gewichtige Gründe entgegenstehen.
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9.3. Soweit das Bundesrecht (vgl. Art. 22 Abs. 1 RPG) überhaupt Raum lässt für eine stillschweigende Genehmigung von (geringfügigen) Bauvorhaben, kann sich der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der von der Baubewilligungsbehörde verpassten Widerspruchsfrist nicht erfolgreich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen. Fraglich ist schon, ob der unterlassene Widerspruch innert 20 Tagen eine genügende Grundlage darstellt, auf die er vertrauen durfte. Nicht dargetan oder ersichtlich ist sodann, dass der Beschwerdeführer nach Ablauf der Widerspruchsfrist eine Disposition getätigt hätte, die ohne Nachteil nicht wieder rückgängig gemacht werden könnte. Schliesslich gebietet jedenfalls das Interesse an der richtigen Anwendung des Planungs- und Baurechts, die Bewilligung für die ersuchte Nutzungsänderung zu verweigern. Dass der Bezirksrat die Bewilligung für die Nutzungsänderung verweigert hat, nachdem er dem Gesuch des Beschwerdeführers zuvor nicht fristgerecht widersprochen hat, verstösst somit nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Auch hat die Vorinstanz § 75 Abs. 6 PBG bzw. Art. 119 Abs. 3 des Baureglements nicht im Ergebnis willkürlich angewendet.
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Erwägung 10
 
 
Erwägung 10.1
 
10.1.1. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Befugnis der Behörden, im Falle einer rechtswidrig errichteten bzw. genutzten Baute die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands anzuordnen, im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich auf 30 Jahre beschränkt (BGE 132 II 21 E. 6.3 S. 35 sowie mit gewissen Vorbehalten BGE 136 II 359 E. 8 S. 367). Auch vorher ist die Anordnung der Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands im Einzelfall unzulässig, wenn sie allgemeinen Prinzipien des Verfassungs- und Verwaltungsrechts entgegensteht. Dazu gehören namentlich die in Art. 5 Abs. 2 und 3 sowie Art. 9 BV festgehaltenen Grundsätze der Verhältnismässigkeit und des Schutzes des guten Glaubens (BGE 136 II 359 E. 6 S. 364 f.).
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10.1.2. Der Büroraum auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers wurde zur Wohnung umgenutzt, ohne dass vorgängig ein Baugesuch gestellt worden ist. Dass es sich bei diesem Vorgang um eine bewilligungspflichtige Nutzungsänderung handelt, wusste der Beschwerdeführer oder hätte er bei der gebotenen Sorgfalt wissen müssen. Unter diesen Umständen kann sich der Beschwerdeführer im Verfahren zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands nicht auf den guten Glauben berufen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Behörden erst im August 2012 interveniert haben, zumal die zonenwidrige Nutzung weniger als 30 Jahre andauerte. Die vorübergehende Duldung eines rechtswidrigen Zustands hindert die Behörde grundsätzlich nicht an der späteren Behebung dieses Zustands. Eine Vertrauensgrundlage, die der Wiederherstellung der Rechtmässigkeit ganz oder teilweise entgegen steht, wird durch behördliche Untätigkeit nur in Ausnahmefällen geschaffen (BGE 132 II 21 E. 8.1 S. 45; Urteil 2C_499/2014 vom 2. Februar 2015 E. 3.4.5). Vorliegend sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine solche Ausnahmesituation hätten entstehen lassen.
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10.1.3. Die Anordnung der Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands dient der Durchsetzung der grundlegenden Nutzungsordnung, woran ein gewichtiges öffentliches Interesse besteht. Eine diesem Ziel dienende mildere Massnahme ist nicht ersichtlich. Der nicht gutgläubig handelnde Beschwerdeführer legt nicht dar und es ist nicht ersichtlich, inwiefern seine privaten Interessen an der Beibehaltung des rechtswidrigen Zustands die öffentlichen Interessen an der Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands aufwiegen sollten. Er dringt mit der Rüge, die Anordnung der Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands sei unverhältnismässig, rechtsmissbräuchlich und sie verletze den Grundsatz von Treu und Glauben, nicht durch.
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10.2. Zum Einwand des Beschwerdeführers, es sei stossend und rechtsmissbräuchlich, dass ihm die Nutzung des Büroraums auf seiner Liegenschaft als Einzimmerwohnung untersagt werde, obwohl die Behörden in unmittelbarer Nachbarschaft eine Wohnnutzung tolerierten, hat die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid ausgeführt, der Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung gehe einem Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht in der Regel vor. Nur wenn eine Behörde in ständiger Praxis vom Gesetz abweiche und zu erkennen gebe, dass sie auch in Zukunft nicht gesetzeskonform entscheiden werde, könne der Bürger verlangen, ebenfalls gesetzeswidrig begünstigt zu werden. Vorliegend habe der Bezirksrat Küssnacht klar zum Ausdruck gebracht, dass er nicht willens sei, auf dem ebenfalls in der Industriezone gelegenen Nachbargebäude eine zonenwidrige Nutzung weiterhin zu dulden. Damit bestehe von vornherein kein Anspruch des Beschwerdeführers auf Gleichbehandlung im Unrecht.
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10.3. Die dem Beschwerdeführer für die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands anberaumte Frist von 30 Tagen ab Rechtskraft des Beschlusses des Bezirksrats ist zwar relativ kurz, aufgrund der Umstände aber noch verhältnismässig. Dass die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands mit aufwändigen baulichen Massnahmen verbunden wäre, bringt der Beschwerdeführer nicht vor und ist nicht ersichtlich. Unbehilflich ist der Einwand des Beschwerdeführers, seine vertraglichen Pflichten als Vermieter der Liegenschaft stünden der kurzen Frist zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands entgegen, zumal sich aus den Akten ergibt, dass die Liegenschaft des Beschwerdeführers seinerzeit als Gewerbeimmobilie mit Büroraum vermietet worden ist, dass der Büroraum vom Mieter zunächst nicht als Wohnung benutzt worden ist und dass kein separater Mietvertrag für eine Wohnung besteht.
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Erwägung 11
 
 
Erwägung 12
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
Lausanne, 25. März 2015
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Präsidierendes Mitglied:  Der Gerichtsschreiber:
 
Merkli  Mattle
 
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