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Informationen zum Dokument  BGer 6B_521/2014  Materielle Begründung
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BGer 6B_521/2014 vom 06.03.2015
 
{T 0/2}
 
6B_521/2014
 
 
Urteil vom 6. März 2015
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Bundesrichter Oberholzer,
 
Gerichtsschreiberin Siegenthaler.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Sylvain M. Dreifuss,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
 
2. A.________,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Verletzung des rechtlichen Gehörs (mehrfacher Betrug),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 20. März 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
D.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs.
1
1.2. Aufgrund der aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) fliessenden Begründungspflicht (Art. 81 Abs. 3 lit. a StPO) ist das Gericht gehalten, sein Urteil zu begründen. Es kann sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken, muss jedoch wenigstens kurz die Überlegungen nennen, von denen es sich hat leiten lassen und auf die sich sein Urteil stützt. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass der Betroffene in voller Kenntnis der Tragweite des Entscheids die Sache weiterziehen kann und der Rechtsmittelinstanz die Überprüfung der Rechtsanwendung möglich ist (vgl. BGE 139 IV 179 E. 2.2; 138 IV 81 E. 2.2; je mit Hinweis).
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Erwägung 1.3
 
1.3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, schon vor Vorinstanz habe er vorgebracht, die Auskunftspersonen seien anlässlich ihrer Einvernahmen nicht auf die allfällige Strafbarkeit einer falschen Anschuldigung sowie Irreführung der Rechtspflege hingewiesen worden, weshalb ihre Aussagen nicht verwertbar seien. Offensichtlich teile die Vorinstanz seine Meinung nicht. Sie lege ihre Gründe aber nicht dar und verletze dadurch ihre Begründungspflicht. Zwar erwäge sie, dass nicht jedes vorschriftswidrig erlangte Beweismittel unverwertbar sei und eine Abwägung vorgenommen werden müsse zwischen dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung und dem privaten Interesse des Beschuldigten am Schutz seiner Rechtsgüter. Eine Erläuterung, weshalb sie das öffentliche Interesse schliesslich höher gewichtet als seines, sei ihrer Urteilsbegründung allerdings nicht zu entnehmen (Beschwerde, S. 24 ff.).
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1.3.2. Die Vorinstanz hält zunächst fest, aus einem Mangel bei der Beweiserhebung könne nicht ohne Weiteres auf ein Verwertungsverbot geschlossen werden. Es sei eine Abwägung zwischen öffentlichem Interesse an der Wahrheitsfindung und privatem Interesse des Beschuldigten am Schutz seiner Rechtsgüter vorzunehmen. Ausserdem sei zu berücksichtigen, ob das regelwidrig erlangte Beweismittel an sich zulässig und auf gesetzmässigem Weg erreichbar wäre. Im Einzelfall sei überdies zu prüfen, ob die mit der fraglichen Beweisregel geschützten Interessen des Beschuldigten nur mit der Unverwertbarkeit der rechtswidrig erlangten Beweise gewahrt werden könnten (Urteil, S. 11 f.).
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1.3.3. Damit kommt die Vorinstanz ihrer Begründungspflicht nur ungenügend nach. Indem sie die Rüge der unterlassenen Belehrung als verspätet erachtet, verkennt sie, dass sie als Berufungsgericht Rechtsmittelbehörde mit umfassender Kognition ist (vgl. Art. 398 Abs. 2 und 3 StPO). Sie beschränkt diese in unzulässiger Weise, wenn sie sich mit entscheidrelevanten Vorbringen des Beschwerdeführers nicht befasst (vgl. BGE 131 II 271 E. 11.7.1; Urteil 6B_72/2014 vom 27. November 2014 E. 3.4.2; je mit Hinweisen). Dadurch verweigert sie ihm das rechtliche Gehör.
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Erwägung 1.4
 
1.4.1. Der Beschwerdeführer begründet seine Rüge weiter damit, dass auch in Bezug auf die Herabsetzung seiner Entschädigung eine Begründung fehle. Schon vor erster Instanz habe er geltend gemacht, infolge der Verfahrenseinstellungen und Freisprüche Anspruch auf Genugtuung und Entschädigung zu haben - aufgrund der erlittenen Untersuchungshaft und der damit verbundenen Persönlichkeitsverletzung sowie wirtschaftlicher Einbussen. Die Vorinstanz spreche ihm eine reduzierte Entschädigung aus, ohne auf allfällige Herabsetzungsgründe gemäss Art. 430 StPO einzugehen. Es sei ebenfalls nicht ersichtlich, weshalb sie es ablehne, ihm eine Entschädigung nach Art. 429 Abs. 1 lit. b und c StPO auszurichten. Ein Herabsetzungs- oder Verweigerungsgrund sei nicht erkennbar (Beschwerde, S. 49 ff.).
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1.4.2. Die Vorinstanz erwägt (Urteil, S. 19 f.), das erstinstanzliche Gericht habe trotz Freispruchs und verjährungsbedingter Verfahrenseinstellung in mehreren Anklagepunkten die gesamten Verfahrenskosten dem Beschwerdeführer auferlegt und auf die Zusprechung einer Entschädigung verzichtet. Dabei habe es weder dargetan, dass dieser die Einleitung des Verfahrens rechtswidrig oder schuldhaft bewirkt, noch dass er dessen Durchführung erschwert habe. Dies sei auch nicht ersichtlich. Dem Beschwerdeführer seien deshalb die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu drei Vierteln zu erlassen und eine reduzierte Entschädigung nach Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO zuzuerkennen. Im Übrigen sei seine Berufung abzuweisen.
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1.4.3. Mit diesen Ausführungen legt die Vorinstanz nicht nachvollziehbar dar, weshalb sie dem Beschwerdeführer lediglich eine reduzierte Entschädigung zuspricht. Sie erläutert ebenso wenig, aus welchen Gründen sie ihm eine Entschädigung nach Art. 429 Abs. 1 lit. b und c StPO verweigert. Auch in diesem Punkt genügt das angefochtene Urteil den Begründungsanforderungen nicht.
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Erwägung 2
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 20. März 2014 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2. Es werden keine Kosten erhoben.
 
3. Der Kanton Aargau hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Sylvain M. Dreifuss, für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 6. März 2015
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Siegenthaler
 
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