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Informationen zum Dokument  BGer 5A_656/2014  Materielle Begründung
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BGer 5A_656/2014 vom 12.02.2015
 
{T 0/2}
 
5A_656/2014
 
 
Urteil vom 12. Februar 2015
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
 
Bundesrichter Herrmann, Schöbi,
 
Gerichtsschreiberin Griessen.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Therese Hintermann,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
unentgeltliche Rechtspflege (Regelung des persönlichen Verkehrs),
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 28. Juli 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. A.________ ist die Kindsmutter von B.________ (geb. 1999) und C.________ (geb. 2000). Die beiden Töchter sind seit März 2011 im "D.________" in U.________ fremdplatziert. Der Mutter wurde im August 2011 die Obhut über B.________ und C.________ entzogen (Art. 310 ZGB). Es bestehen Beistandschaften gemäss Art. 308 ZGB.
1
A.b. Mit Schreiben vom 3. April 2014 ersuchte A.________ die Beiständin der Kinder, sich für die Genehmigung einer in den Sommerferien mit ihren Kindern geplanten Reise nach Thailand einzusetzen. Am 27. Mai 2014 stellte die Beiständin zu Handen der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Olten-Gösgen den Antrag, dieser Reise der Kinder vom 10. Juli bis 8. August 2014 zuzustimmen. Die Kinder seien seit rund 10 Jahren nicht mehr in Thailand gewesen und wünschten sich diese Reise zum Besuch von Verwandten schon länger. B.________ und C.________ würden nebst der Kindsmutter von deren Mutter und Schwester und deren siebenjährigem Sohn begleitet.
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A.c. Nach separaten Anhörungen der Kinder und der Mutter am 11. respektive 20. Juni 2014 erwog die KESB mit Entscheid vom 25. Juni 2014, diese Erweiterung des Besuchsrechts auf eine gut vierwöchige Ferienreise nach Thailand sei in Anbetracht der bisherigen Besuchsregelung und der psychischen Erkrankung der Mutter nicht zu verantworten, und wies das Gesuch ab.
3
 
B.
 
B.a. Am 24. Juli 2014 führte A.________, vertreten durch ihre Anwältin, gegen diesen Entscheid Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn. Sie beantragte, den Entscheid aufzuheben, die Ferienreise zu genehmigen und ihr für das Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. In der Begründung führte sie unter anderem aus, dass der Entscheid für die Kindsmutter nicht akzeptabel gewesen und diese deshalb am 10. Juli 2014 mit ihren Kindern nach Thailand gereist sei.
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B.b. Mit Verfügung vom 28. Juli 2014 setzte das Verwaltungsgericht der KESB Frist zur Stellungnahme in der Sache und wies das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung ab.
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B.c. Nachdem die KESB und die Kindsmutter eine Stellungnahme eingereicht hatten, erwog das Verwaltungsgericht am 25. August 2014, der Ferienaufenthalt sei vorbei und es liege kein aktuelles Interesse der Mutter an der Beschwerde mehr vor, und schrieb das Verfahren wegen Gegenstandslosigkeit ab.
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C. Gegen die Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtsverbeiständung vom 28. Juli 2014 erhebt A.________ (Beschwerdeführerin) am 26. August 2014 Beschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragt, das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht sei gutzuheissen, und es sei ihr auch für das Verfahren vor Bundesgericht die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 BGG), mit dem die unentgeltliche Rechtspflege für das Rechtsmittelverfahren verweigert worden ist (zur Ausnahme vom Erfordernis der double instance vgl. BGE 138 III 41 E. 1.1 S. 42; 137 III 424 E. 2.2. S. 426). Das ist ein Zwischenentscheid, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 Bst. a BGG; BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131). Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (BGE 137 III 380 E. 1.1 S. 382). Dort geht es um die Regelung des persönlichen Verkehrs und damit um einen öffentlich-rechtlichen Entscheid in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zivilrecht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist damit grundsätzlich auch gegen den Zwischenentscheid gegeben. Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 76 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt und die Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG). Insofern kann auf die Beschwerde eingetreten werden.
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1.2. Mit der vorliegenden Beschwerde können Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG gerügt werden. Mit Ausnahme der Verletzung von verfassungsmässigen Rechten wendet das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 BGG). Es kann eine Beschwerde daher auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder den Entscheid mit einer Begründung bestätigen, die von jener der Vorinstanz abweicht (BGE 136 III 247 E. 4 S. 252 mit Hinweis).
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Erwägung 2
 
2.1. Die Vorinstanz hat die unentgeltliche Verbeiständung mit der Begründung abgewiesen, der Beizug einer Rechtsvertreterin sei für das vorliegende Verfahren, welches einzig die Gewährung eines Ferienrechts zum Gegenstand habe, nicht erforderlich.
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2.2. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV. Sie macht hauptsächlich geltend, das Recht auf persönlichen Verkehr zwischen Eltern und Kind sei ein fundamentales Menschenrecht. Das Verfahren habe damit eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand und das Verbot, mit seinen Kindern während vier Wochen in sein Heimatland zu reisen, greife besonders stark in die Rechtstellung der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder ein, weswegen die unentgeltliche Verbeiständung zu gewähren sei. Im Übrigen seien der Bildungsstand der Beschwerdeführerin tief und ihre Sprachkenntnisse mangelhaft, weswegen sie nicht in der Lage gewesen wäre, selbständig eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzureichen. Ferner hätten tatsächliche Schwierigkeiten vorgelegen, da sich die Beschwerdeführerin in Thailand aufgehalten habe, als die Beschwerdefrist abzulaufen drohte. Im Übrigen habe die Vorinstanz das Rechtsschutzinteresse in Frage gestellt, weshalb auch rechtliche Schwierigkeiten vorgelegen hätten.
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Erwägung 3
 
3.1. Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 29 Abs. 3 BV).
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3.2. Als aussichtslos sind Begehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde. Eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet. Wie es sich damit verhält, prüft das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht mit freier Kognition. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich aufgrund einer vorläufigen und summarischen Prüfung der Prozessaussichten, wobei die Verhältnisse - namentlich die bis dann vorliegenden Akten (Urteil 9C_369/2013 vom 2. September 2014 E. 9.1; 1P.338/1999 vom 20. Juli 1999 E. 2b/aa) - im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege massgebend sind (BGE 138 III 217 E. 2.2.4 S. 218 mit Hinweis; vgl. auch 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.; 128 I 225 E. 2.5.3 S. 236).
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Erwägung 3.3
 
3.3.1. Gemäss Art. 450 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB ist die am Verfahren beteiligte Person zur Beschwerde legitimiert - sofern tatsächliche, aktuelle Interessen vorliegen ( DANIEL STECK, in: Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, 2012, N. 26 zu Art. 450 ZGB; PATRICK FASSBIND, Erwachsenenschutz, 2012, S. 136). Die Beschwerdeführerin hat gegen den Entscheid der KESB nicht sofort, sondern erst nach der Abreise mit ihren Kindern (10. Juli 2014) und am letzten Tag der Beschwerdefrist (24. Juli 2014) ein Rechtsmittel eingelegt. Somit war bereits im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung absehbar, dass eine Entscheidung in der Sache nach Einholung einer Stellungnahme bei der KESB erst ergehen würde, wenn die Reise bereits vorbei sein oder die Rückreise unmittelbar bevor stehen würde und damit auch eine allfällige Gutheissung ohne jeden praktischen Nutzen bliebe. In Anbetracht dieser Tatsachen musste die Beschwerdeführerin damit rechnen, dass ihre Beschwerde - mangels aktuellem Interesse - gegenstandslos werden wird. Da die Vorinstanz seit der Einreichung der Beschwerde wusste, dass die Beschwerdeführerin mit ihren Kindern verreist war, hätte sie schon zu diesem Zeitpunkt respektive bei der Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Verbeiständung die Aussichtslosigkeit der Beschwerde erkennen können.
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3.3.2. Schliesslich ist nicht ersichtlich und wurde vor Bundesgericht auch nicht dargetan, dass die Vorinstanz ausnahmsweise auf das Erfordernis des aktuellen, praktischen Interesses hätte verzichten sollen: In der Sache geht es um eine einmalige Ferienreise und der Beurteilung des Besuchs- und Ferienrechts liegen Verhältnisse zugrunde, die sich insbesondere auch in Anbetracht des Alters der Kinder laufend verändern. Somit hatte die Verweigerung der Ferienreise diesen konkreten Einzelfall und nicht eine Grundsatzfrage zum Gegenstand.
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3.3.3. Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung ist daher wegen prozessrechtlicher Aussichtslosigkeit des vorinstanzlichen Rechtsmittelverfahrens abzuweisen; eine Auseinandersetzung mit den Rügen zu den von der Vorinstanz für die Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung angefügten Gründen erübrigt sich (vgl. oben E. 1.2).
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4. Wie die vorstehenden Erwägungen aufzeigen, muss die Beschwerde als von Anfang an aussichtslos betrachtet werden. Damit mangelt es an einer materiellen Voraussetzung für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege vor Bundesgericht (Art. 64 Abs. 1 BGG) und das entsprechende Gesuch ist abzuweisen. Es rechtfertigt sich jedoch, vorliegend auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es wird keine Parteientschädigung gesprochen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Verfahren vor Bundesgericht wird abgewiesen.
 
3. Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird verzichtet.
 
4. Es wird keine Parteientschädigung gesprochen.
 
5. Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 12. Februar 2015
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: von Werdt
 
Die Gerichtsschreiberin: Griessen
 
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