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Informationen zum Dokument  BGer 1C_543/2014  Materielle Begründung
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BGer 1C_543/2014 vom 10.02.2015
 
{T 0/2}
 
1C_543/2014
 
 
Urteil vom 10. Februar 2015
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler,
 
Gerichtsschreiber Dold.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Katja Ammann,
 
gegen
 
Bundesamt für Migration, Abteilung Bürgerrecht, Quellenweg 6, 3003 Bern.
 
Gegenstand
 
Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung,
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 13. Oktober 2014 des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung III.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
2.1. Der Beschwerdeführer wirft dem BFM vor, sich für seine Verfahrenshandlungen viel Zeit gelassen, ihm selbst aber jeweils kurze Fristen angesetzt zu haben. Diese seien kürzer als die üblichen 30 Tage gewesen. Darin liege eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren sowie auf rechtliches Gehör, was das Bundesverwaltungsgericht verkannt habe.
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2.2. Der blosse Umstand, dass dem BFM für seine Verfahrenshandlungen mehr Zeit zur Verfügung stand als dem Beschwerdeführer, bedeutet keine Verletzung des in Art. 29 Abs. 1 BV verankerten Anspruchs auf ein faires Verfahren. Diese Garantie wäre verletzt, wenn dem BFM eine Rechtsverzögerung vorzuwerfen wäre, was der Beschwerdeführer aber nicht geltend macht. Auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) ist zu verneinen, zumal nicht ersichtlich ist und vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet wird, dass es die ihm angesetzten Fristen nicht erlaubt hätten, seinen Standpunkt sachgerecht vorzutragen. Seine Kritik erweist sich mithin als unbegründet.
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Erwägung 3
 
3.1. Der Beschwerdeführer rügt als weitere Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, dass das BFM seine Verfügung teils mit Argumenten begründete, mit denen es ihn zuvor nicht konfrontiert habe. So habe es vorgebracht, er sei mehrfach im Umfeld der Drogenszene gesehen worden und habe im Asylverfahren falsche Angaben gemacht.
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3.2. Das rechtliche Gehör umfasst die Pflicht der Behörde, den Betroffenen wenigstens in groben Zügen über den wesentlichen Inhalt einer in Aussicht genommenen Anordnung zu informieren ( BERNHARD WALDMANN/JÜRG BICKEL, in: Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2009, N. 74 zu Art. 29 VwVG; MICHELE ALBERTINI, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, 2000, S. 207 f.). Nicht erforderlich ist dagegen, dem Betroffenen im Voraus jedes mögliche Ergebnis und jedes mögliche Begründungselement zur Stellungnahme zu unterbreiten. Nach der Rechtsprechung besteht deshalb auch kein Anspruch darauf, vorgängig einen Entwurf der Verfügung bzw. deren Begründung zu erhalten (BGE 132 II 257 E. 4.2 S. 267, 485 E. 3.4 S. 495). Zu berücksichtigen ist auch, dass eine allfällige Abweichung der Behörde von der ursprünglich ins Auge gefassten Verfügung bzw. deren Begründung gerade die Folge der Stellungnahme des Betroffenen sein kann (BGE 132 II 257 E. 4.2 S. 267).
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3.3. Das BFM teilte dem Beschwerdeführer vor Erlass seiner Verfügung vom 4. April 2012 mit, dass es ein Verfahren betreffend die Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung eröffnet habe (Schreiben vom 6. Mai 2011). Aus den Aufforderungen zur Stellungnahme geht hervor, dass der Grund dafür die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers war. Gestützt auf die Vorhaltungen des BFM war der Beschwerdeführer in der Lage, sich zum relevanten Sachverhalt und den anwendbaren Rechtsnormen zu äussern. Aus der Begründung der Verfügung vom 4. April 2012 ergibt sich weiter, dass die ausschlaggebende Ursache der Nichtigerklärung die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers bildete, wie dies als Möglichkeit in Aussicht gestellt worden war. Wenn das BFM darüber hinaus auch Ausführungen zur Nähe des Beschwerdeführers zur Drogenszene machte, so tat es dies in Erwiderung auf dessen vorangehende Vernehmlassung. In dieser hatte der Beschwerdeführer in Bezug auf sein strafbares Verhalten behauptet, lediglich blauäugig gewesen zu sein, aber nicht vorsätzlich gehandelt zu haben. Dem BFM kann insofern nicht vorgeworfen werden, in Missachtung seiner Orientierungspflicht das Prozessthema erweitert zu haben. Ebenfalls keine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt im Umstand, dass die Verfügung Erwägungen zum Verhalten des Beschwerdeführers im Asylverfahren enthält. Zum einen wurden die Akten des Asylverfahrens beigezogen, was dem Beschwerdeführer bekannt war, zum andern war dieser Punkt von klar untergeordneter Bedeutung. Eine explizite Aufforderung des Beschwerdeführers, dazu Stellung zu nehmen, war deshalb entbehrlich.
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Erwägung 4
 
4.1. Gemäss Art. 27 Abs. 1 BüG kann ein Ausländer nach der Eheschliessung mit einer Schweizerin ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, wenn er insgesamt fünf Jahre in der Schweiz gewohnt hat, seit einem Jahr hier wohnt und seit drei Jahren in ehelicher Gemeinschaft mit der Schweizerin lebt. Art. 26 Abs. 1 BüG setzt ferner in allgemeiner Weise voraus, dass der Bewerber in der Schweiz integriert ist (lit. a), die schweizerische Rechtsordnung beachtet (lit. b) und die innere und äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet (lit. c). Alle Einbürgerungsvoraussetzungen müssen sowohl im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung als auch in demjenigen der Einbürgerungsverfügung erfüllt sein (BGE 140 II 65 E. 2.1 S. 67 mit Hinweis).
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4.2. Nach Art. 41 Abs. 1 BüG kann die Einbürgerung vom Bundesamt mit Zustimmung der Behörde des Heimatkantons nichtig erklärt werden, wenn sie durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen worden ist. Das blosse Fehlen der Einbürgerungsvoraussetzungen genügt nicht. Die Nichtigerklärung der Einbürgerung setzt vielmehr voraus, dass diese "erschlichen", das heisst mit einem unlauteren und täuschenden Verhalten erwirkt worden ist. Arglist im Sinne des strafrechtlichen Betrugstatbestands ist nicht erforderlich. Immerhin ist notwendig, dass der Betroffene bewusst falsche Angaben macht bzw. die Behörde bewusst in einem falschen Glauben lässt und so den Vorwurf auf sich zieht, es unterlassen zu haben, die Behörde über eine erhebliche Tatsache zu informieren. Über eine nachträgliche Änderung in seinen Verhältnissen, von der er weiss oder wissen muss, dass sie einer Einbürgerung entgegensteht, muss der Betroffene die Behörden unaufgefordert informieren. Diese Pflicht ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäss Art. 5 Abs. 3 BV sowie aus der verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflicht nach Art. 13 Abs. 1 lit. a VwVG (SR 172.021). Die Behörde darf sich ihrerseits darauf verlassen, dass die einmal erteilten Auskünfte bei passivem Verhalten des Gesuchstellers nach wie vor zutreffen (zum Ganzen: BGE 140 II 65 E. 2.2 S. 67 f. mit Hinweisen).
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4.3. Das Bundesverwaltungsgericht legt im angefochtenen Entscheid dar, der Beschwerdeführer habe am 7. März 2007 von seinem Bruder in Renens einen Rucksack mit Fr. 35'000.-- Bargeld übernommen. Vier Tage später habe er zuhanden des BFM die Erklärung zur Beachtung der Rechtsordnung abgegeben. Nach drei weiteren Tagen, am 14. März 2007, habe er in Zürich zwei Kilogramm Kokain (mindestens 1'184 g reines Kokain) zur Aufbewahrung entgegen genommen. Noch am gleichen Tag sei er verhaftet worden, nachdem bei ihm zu Hause die Tasche mit dem Kokain und mehr als Fr. 40'000.-- gefunden worden seien. Aufgrund dieses Sachverhalts sei er wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Dass diese Straftat die Einbürgerung ausgeschlossen hätte, sei offensichtlich. Indem der Beschwerdeführer die entsprechenden Umstände gegenüber der Einbürgerungsbehörde verschwiegen habe, habe er sie vorsätzlich über eine wesentliche Tatsache getäuscht und damit die Einbürgerung im Sinne von Art. 41 Abs. 1 BüG erschlichen.
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4.4. Der Beschwerdeführer beruft sich darauf, nicht gewusst zu haben, dass er die Behörden über das Strafverfahren hätte informieren müssen. Er macht geltend, über seine Mitwirkungspflicht nicht aufgeklärt worden zu sein und verweist auf den Grundsatz der Sachverhaltsermittlung von Amtes wegen. Das Formular zur Beachtung der Rechtsordnung habe er wahrheitsgetreu ausgefüllt.
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4.5. Das Verschweigen von ergangenen Strafurteilen oder hängigen Strafverfahren kann zur Nichtigerklärung der Einbürgerung führen. Dasselbe gilt für das Verschweigen von Straftaten, die im Zeitpunkt der Einbürgerung noch nicht zur Eröffnung einer Strafuntersuchung geführt haben. Kann der Bewerber selbst keine berechtigten Zweifel an der Strafbarkeit seines Verhaltens haben, so täuscht er über eine Einbürgerungsvoraussetzung, wenn er nicht auf mögliche Straffolgen hinweist (BGE 140 II 65 E. 3.3.2 S. 69 mit Hinweis).
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Erwägung 5
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
 
5. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bundesamt für Migration und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 10. Februar 2015
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Dold
 
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