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Informationen zum Dokument  BGer 2C_519/2014  Materielle Begründung
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BGer 2C_519/2014 vom 15.01.2015
 
{T 0/2}
 
2C_519/2014
 
 
Urteil vom 15. Januar 2015
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Seiler, Stadelmann,
 
Gerichtsschreiber Klopfenstein.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.A.________, Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Antonia Kerland,
 
gegen
 
Migrationsamt des Kantons Zürich,
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.
 
Gegenstand
 
Aufenthaltsbewilligung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 16. April 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. A.A.________, geboren 1984, Staatsangehöriger von Guinea, reiste im Jahr 2000 illegal in die Schweiz ein und stellte erfolglos ein Asylgesuch. Der Ausreiseverpflichtung kam er nicht nach und ein Vollzug der Wegweisung war mangels Reisepapieren nicht möglich.
1
A.b. Am 5. Juli 2005 heiratete A.A.________ die Schweizer Bürgerin B.B.________, worauf ihm eine später wiederholt verlängerte Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde. Die eheliche Gemeinschaft wurde am 26. Oktober 2007 aufgegeben. Mit Verfügung vom 18. März 2009 lehnte die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich eine weitere Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab. A.A.________ rekurrierte dagegen an den Regierungsrat und teilte im Rekursverfahren seine Absicht mit, nach vollzogener Scheidung die Schweizerin C.A.________ zu heiraten; aus der Beziehung mit dieser sei 2009 der Sohn D.A.________ hervorgegangen, den er am 30. Juni 2009 vorgeburtlich anerkannt habe. Die Ehe A.-B.________ wurde am 10. Februar 2010 geschieden. Am 23. April 2010 heiratete A.A.________ C.A.________, worauf ihm erneut eine Aufenthaltsbewilligung erteilt und wiederholt verlängert wurde, zuletzt bis zum 22. April 2013. Der Rekurs gegen die Verfügung vom 18. März 2009 wurde abgeschrieben. Aus der Ehe mit C.A.________ ging 2011 der zweite Sohn E.A.________ hervor. Sowohl D.A.________ als auch E.A.________ besitzen die schweizerische Staatsangehörigkeit.
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A.c. A.A.________ wurde zwischen 2000 und 2006 sechsmal bestraft mit insgesamt sechs Tagen Haft und ca. 5 1/2 Monaten Gefängnis wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen sowie Widerhandlungen gegen das ANAG. Mit Verfügung vom 19. Juni 2006 wurde er deswegen fremdenpolizeilich verwarnt.
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Er wurde weiter verurteilt
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- mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft See/Oberland vom 29. April 2010 mit Geldstrafe von 10 Tagessätzen à Fr. 70.-- wegen Hinderung einer Amtshandlung;
5
- mit Urteil des Tribunal correctionel des Kantons Genf vom 8. März 2012 mit drei Jahren Freiheitsstrafe wegen Verbrechens im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes.
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A.d. Mit Verfügung vom 14. August 2013 wies das Migrationsamt des Kantons Zürich ein Gesuch von A.A.________ um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab und wies diesen aus der Schweiz aus.
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B.
 
 
C.
 
Verwaltungsgericht und Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich verzichten auf Vernehmlassung. Das Bundesamt für Migration (heute: Staatssekretariat für Migration [SEM]) beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Mit Verfügung des Präsidenten der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 3. Juni 2014 wurde der Beschwerde - antragsgemäss - die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist grundsätzlich zulässig, da der Beschwerdeführer in vertretbarer Weise einen auf Art. 42 AuG sowie Art. 8 EMRK gestützten Anspruch auf Verlängerung der Bewilligung geltend macht (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2 [e contrario], Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 89 Abs. 1 und Art. 90 BGG).
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1.2. Das Bundesgericht prüft frei und von Amtes wegen die richtige Anwendung von Bundes- und Völkerrecht (Art. 95 lit. a und b, Art. 106 Abs. 1 BGG). Die Anwendung von Grundrechten und von kantonalem Recht prüft es jedoch nur auf entsprechende Rüge hin (Art. 106 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer beantragt in seinem Rechtsbegehren auch für das vor- und unterinstanzliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege, legt jedoch nicht dar, dass und inwiefern das dafür massgebende Grundrecht (Art. 29 Abs. 3 BV) oder kantonales Recht verletzt worden sein soll. Insoweit kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
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Erwägung 2
 
2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt bzw. vom Bundesgericht von Amtes wegen berichtigt oder ergänzt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 BGG bzw. Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2.2. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Echte Noven, d.h. Tatsachen, die erst nach dem angefochtenen Urteil eingetreten sind, bleiben im bundesgerichtlichen Verfahren in jedem Fall unberücksichtigt (BGE 138 II 393 E. 3.5 S. 397; 135 I 221 E. 5.2.4 S. 229; 133 IV 342 E. 2.1 S. 343 f.). Die von der Sicherheitsdirektion am 11. Juni 2014 eingereichten zusätzlichen Akten, welche den Zeitraum ab Mai 2014 betreffen, sind daher unbeachtlich. Würden sie trotzdem berücksichtigt, wie dies bisweilen die Praxis des EGMR ist (vgl. z.B. Urteile des EGMR 
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Erwägung 3
 
3.1. Als Ehemann einer Schweizer Bürgerin hat der Beschwerdeführer grundsätzlich Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (Art. 42 Abs. 1 AuG). Gemäss Art. 51 Abs. 1 lit. b AuG erlischt dieser Anspruch, wenn Widerrufsgründe nach Art. 63 AuG vorliegen, u.a. wenn der Ausländer zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde (Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b AuG), d.h. zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr (BGE 135 II 377 E. 4.2 S. 379 ff.). Dieser Widerrufsgrund ist unbestritten erfüllt. Umstritten ist einzig die Verhältnismässigkeit.
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3.2. Der Widerruf bzw. die Nichtverlängerung der Bewilligung rechtfertigt sich nur, wenn die jeweils im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung die entsprechende Massnahme als verhältnismässig erscheinen lässt (vgl. Art. 96 Abs. 1 AuG). Die Notwendigkeit einer Verhältnismässigkeitsprüfung ergibt sich auch aus Art. 8 Ziff. 2 EMRK: Danach ist ein Eingriff in das von Art. 8 Ziff. 1 EMRK geschützte Familienleben dann statthaft, wenn er gesetzlich vorgesehen ist und eine Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung oder zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und Moral sowie der Rechte und Freiheiten anderer notwendig erscheint.
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3.3. Nach der Rechtsprechung muss bei schweren Straftaten, wozu auch Drogendelikte aus rein finanziellen Motiven gehören, zum Schutz der Öffentlichkeit ausländerrechtlich selbst ein geringes Restrisiko weiterer Beeinträchtigungen der dadurch gefährdeten Rechtsgüter (Gesundheit; Leib und Leben usw.) nicht in Kauf genommen werden (BGE 130 II 176 E. 4.2 - E. 4.4 S. 185 ff. mit Hinweisen). Das Bundesgericht stuft - in Übereinstimmung mit der in Europa vorherrschenden Auffassung (vgl. die EGMR-Urteile 
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3.4. Die Vorinstanz hat erwogen, der Beschwerdeführer sei seit seiner illegalen Einreise fortgesetzt straffällig geworden. Die am 19. Juni 2006 ausgesprochene Verwarnung habe ihn nicht beeindruckt. Im Gegenteil habe er nach dieser Verwarnung die schwersten Straftaten (in den Jahren 2008 und 2011) begangen, das heisst, im Jahre 2008 Kokain aufbewahrt und abgepackt und am 7. und 11. Juni 2011 gemeinsam mit zwei weiteren Beschuldigten einen Drogentransport organisiert. Er habe aus egoistischen Motiven und habgierig gehandelt. Seine Rolle im Drogenhandel sei übergeordneter Natur gewesen. Es müsse von einer nicht unwesentlichen Rückfallgefahr ausgegangen werden; das öffentliche Interesse an einer Wegweisung erscheine auch aus generalpräventiven Überlegungen gross. Gegen die Wegweisung spreche zwar der Umstand, dass er seit seinem 15. Lebensjahr in der Schweiz weile (wovon allerdings ein Teil illegal bzw. nur aufgrund der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln). Es könne aber nicht von einer besonders guten Integration des Beschwerdeführers gesprochen werden: Er habe keine Ausbildung absolviert, arbeite als Aushilfskraft und pflege kaum ausserfamiliäre Kontakte. Die Beziehung zu Ehefrau und Kind habe ihn nicht von seiner Delinquenz abgehalten. Kultur und Gepflogenheiten seiner Heimat seien ihm durch seine Eltern, mit denen er wöchentlich Kontakt pflege, nicht gänzlich unvertraut. Für die Ehefrau und Kinder wäre eine Ausreise zweifellos mit grossen Nachteilen verbunden, doch stehe es ihnen frei, in der Schweiz zu bleiben; die Trennung der Familie sei diesfalls hinzunehmen.
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3.5. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe bei ihrer Interessenabwägung sein Verhalten seit der Tatbegehung und die familiären Interessen zu wenig gewürdigt. Er lebe seit 2008 mit seiner heutigen Ehefrau zusammen und habe sich bis zu seinem Strafantritt um die Kinder gekümmert. Für die Familie wäre eine Ausreise nach Afrika nicht zumutbar, so dass die Wegweisung zu einer Trennung der Familie führen und damit gegen das Kindswohl verstossen würde. Auch habe seine Ehefrau bei der Heirat und der Zeugung der Kinder nichts von seiner deliktischen Tätigkeit gewusst. Er habe sich seit seiner Verurteilung bewährt und positiv entwickelt.
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3.6. Die vorinstanzliche Interessenabwägung entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, die bei Betäubungsmitteldelikten in vergleichbaren Konstellationen (Ehefrau und Kinder mit Schweizer Bürgerrecht; für die Familie Ausreise in Heimat des Ehemanns/Vaters nicht zumutbar) den Widerruf bzw. die Nichtverlängerung der Bewilligung regelmässig bestätigt hat (z.B. Urteile 2C_983/2013 vom 20. Juni 2014 [4 1/2 Jahre Freiheitsstrafe]; 2C_1071/2013 vom 6. Juni 2014 [3 Jahre Freiheitsstrafe]; 2C_586/2013 vom 3. Dezember 2013 [3 Jahre Freiheitsstrafe]; 2C_141/2012 vom 30. Juli 2012 [3 Jahre Freiheitsstrafe]; 2C_934/2011 vom 25. Juli 2012 [insgesamt 29 1/2 Monate Freiheitsstrafe]; 2C_295/2011 vom 30. August 2011 [3 Jahre Freiheitsstrafe]).
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3.7. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass deliktisches Verhalten die Erteilung einer neuen Aufenthaltsbewilligung für den Beschwerdeführer nicht zwingend ein für alle Mal verunmöglicht. Unter gewissen Voraussetzungen kann nach einer angemessenen Bewährungsdauer im Heimatland eine Neubeurteilung durch die zuständigen Migrationsbehörden angezeigt sein (vgl. Urteil 2C_1170/2012 vom 24. Mai 2013 E. 3 mit Hinweisen). In diesem Rahmen ist der Zeitablauf, verbunden mit Deliktsfreiheit, angemessen zu berücksichtigen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die seit der Tat verflossene Zeit und das seitherige Verhalten des Ausländers beim bewilligungsrechtlichen Entscheid mitzuberücksichtigen sind (BGE 139 I 325 E. 2.4 S. 329 f.; 130 II 493 E. 5 S. 504; allgemein BGE 139 II 534 E. 5.4.2 S. 542; zu Art. 8 EMRK vgl. z.B. Urteile des EGMR 
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Erwägung 4
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
4. 
 
Lausanne, 15. Januar 2015
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein
 
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