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Informationen zum Dokument  BGer 5A_669/2014  Materielle Begründung
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BGer 5A_669/2014 vom 13.01.2015
 
{T 0/2}
 
5A_669/2014
 
 
Urteil vom 13. Januar 2015
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Schöbi,
 
Gerichtsschreiber Möckli.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwälte André A. Girguis und Dr. Lukas Wiget,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
1. Bank B.________ AG,
 
2. C.________,
 
3. D.________,
 
alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Paul Müller,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Paulianische Anfechtungsklage,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 18. Juni 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Am 30. April 2003 schloss E.________ mit seiner Ehefrau A.________ einen öffentlich beurkundeten Ehevertrag, mit welchem sie Gütertrennung vereinbarten. Sie verzichteten auf die Vornahme der güterrechtlichen Auseinandersetzung und beschränkten sich auf Angaben zum Vermögensstand der Ehegatten nach dem Güterstandswechsel. Im Fall einer Scheidung oder Trennung sollte die Regelung dahinfallen und die güterrechtliche Auseinandersetzung diesfalls nach den Regeln der Errungenschaftsbeteiligung erfolgen, und zwar für die Dauer der gesamten Ehe.
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B. Mit Klage vom 24. November 2010 gegen A.________ stellten die Abtretungsgläubiger die Begehren, es sei festzustellen, dass die ehevertragliche Zuweisung der vorgenannten Vermögenswerte an die Ehefrau anfechtbare Handlungen im Sinn von Art. 285 ff. SchKG darstellten und die betreffenden Vermögenswerte in die Konkursmasse von E.________ zurückzuführen seien (Ziff. 1), die Ehefrau habe den Einbezug dieser Vermögenswerte in das Konkursverfahren E.________ und die anschliessende Verwertung bis zum Gesamtbetrag von Fr. 1'035'582.45 zzgl. Zins von 5 % ab 14. Juli 2008 zu dulden (Ziff. 2), die Verwertungshandlungen seien einzustellen und die noch nicht verwerteten Aktiven der Ehefrau in natura zu überlassen bzw. der überschüssige Verwertungserlös an sie auszuzahlen, soweit der Verwertungserlös den erwähnten Betrag nebst Zins übersteige (Ziff. 3), die Ehefrau habe den Fehlbetrag der Konkursmasse in bar zu übergeben, soweit der Verwertungserlös den genannten Betrag nicht erreiche (Ziff. 4), und das Konkursamt X.________ sei anzuweisen, den Einbezug der erwähnten Vermögenswerte in das Konkursverfahren und deren anschliessende Verwertung zu vollziehen (Ziff. 5); eventualiter habe die Ehefrau der Konkursmasse des E.________ den genannten Betrag nebst Zins zu bezahlen (Ziff. 6).
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C. Gegen das kantonsgerichtliche Urteil hat A.________ am 4. September 2014 eine Beschwerde erhoben mit den Begehren um dessen Aufhebung und Abweisung der Klage, eventualiter um Rückweisung der Sache zur Vervollständigung des Beweisverfahrens und zur neuen Entscheidung an das Kantonsgericht, subeventualiter an das Bezirksgericht. Mit Präsidialverfügung vom 23. September 2014 wurde die aufschiebende Wirkung gewährt. In der Sache selbst wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
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Erwägungen:
 
1. Die Beschwerde in Zivilsachen steht bei paulianischen Anfechtungsklagen mit Fr. 30'000.-- übersteigendem Streitwert grundsätzlich offen (Art. 72 Abs. 2 lit. a und Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG).
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2. Die Anfechtungsklage dient der Wiederherstellung des Zustandes, in welchem sich ohne das angefochtene Geschäft das zur Befriedigung der übrigen Gläubiger dienende Vermögen des Schuldners im Zeitpunkt der Konkurseröffnung befunden hätte (BGE 134 III 615 E. 4.1 S. 617; 135 III 265 E. 2 S. 267; 136 III 247 E. 3 S. 250). Gemäss Art. 288 SchKG sind Rechtshandlungen anfechtbar, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Konkurseröffnung in der dem anderen Teil erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen.
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3. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 317 ZPO, Art. 8 ZGB, Art. 9 und 29 BV sowie überspitzten Formalismus, weil das Kantonsgericht die im Berufungsverfahren nachgereichten Unterlagen und die diesbezüglichen Behauptungen als verspätet angesehen hat. Es ging dabei um die neue Behauptung der Beschwerdeführerin, es hätten in den Jahren nach Abschluss des Ehevertrages noch Gewinne verbucht werden können, weshalb die Annahme, die E.________ Cie sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des angefochtenen Rechtsgeschäfts massiv überschuldet und der Kapitalanteil von E.________ per 30. April 2003 wertlos sowie die Darlehensforderung gegenüber der E.________ Cie weitgehend uneinbringlich gewesen, als entkräftet gelten könne.
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4. Die Beschwerdeführerin rügt weiter eine Verletzung von Art. 8 ZGB und Art. 29 BV, indem die kantonalen Gerichte übertriebene Anforderungen an die Substanziierungslast gestellt und die Anhörung des bereits erstinstanzlich beantragten Zeugen L.________ verweigert hätten im Zusammenhang mit den Vorbringen, die E.________ Cie sei in den Jahren 2002 und 2003 nicht in existenziellen Nöten gewesen und man sei im April 2003 immer noch davon ausgegangen, mit dem Erlös aus den Vermögenswerten am Ende sämtliche Forderungen begleichen zu können.
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5. Die Beschwerdeführerin behauptet weiter eine Verletzung von § 178 ZPO/LU bzw. von Art. 183 ZPO/CH sowie des rechtlichen Gehörs, allenfalls eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung, alles durch unsachgemässe Interpretation der Bilanzen der E.________ Cie. Sie ist der Ansicht, richtigerweise hätten auch die jedes Jahr erfolgten Erträge bzw. Gewinne berücksichtigt werden müssen. Sodann hätte ein Sachverständiger zur Interpretation der Bilanzen beigezogen werden müssen, wobei es sich dabei nur vordergründig um einen neuen Antrag im Sinn von Art. 317 ZPO gehandelt habe, denn das Bezirksgericht hätte mangels eigener Fachkenntnisse von sich aus ein Sachverständigengutachten einholen sollen. Ein solches Gutachten bzw. eine fachkundige Interpretation der Bilanzen hätte ergeben, dass die E.________ Cie regelmässige Erträge und Gewinne gehabt habe, weshalb das Gericht dann nicht zur Ansicht gelangt wäre, dass der Kapitalanteil wertlos und das Darlehen weitgehend uneinbringlich gewesen sei.
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6. Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Schädigungsabsicht rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, eine falsche Rechtsanwendung von Art. 288 SchKG und eine Verkennung des "aktienrechtlichen Trennungsprinzips von Art. 620 OR" sowie eine willkürliche Sachverhaltsermittlung im Zusammenhang mit den Erwägungen, der Inhalt des Ehevertrages sei ungewöhnlich gewesen und E.________ habe sich im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in einer misslichen Vermögenslage befunden, weshalb er im betreffenden Kontext eine Schädigungsabsicht gehabt habe.
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7. Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Erkennbarkeit rügt die Beschwerdeführerin eine willkürliche Feststellung des Sachverhalts, eine falsche Anwendung von Art. 620 OR, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, namentlich im Zusammenhang mit der Begründungspflicht, eine Verletzung von Art. 317 ZPO sowie eine Verletzung von Art. 288 SchKG durch übertriebene Anforderungen an das Merkmal der Erkennbarkeit.
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8. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ausserdem hat sie die Gegenseite für das Schreiben zum Gesuch um aufschiebende Wirkung zu entschädigen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 10'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegner mit Fr. 200.-- zu entschädigen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 13. Januar 2015
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: von Werdt
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli
 
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