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Informationen zum Dokument  BGer 2C_61/2014  Materielle Begründung
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BGer 2C_61/2014 vom 05.01.2015
 
{T 0/2}
 
2C_61/2014
 
 
Urteil vom 5. Januar 2015
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Seiler, Stadelmann,
 
Gerichtsschreiberin Petry.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________, Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Advokatin Dr. Eva Weber,
 
gegen
 
Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,
 
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt.
 
Gegenstand
 
Widerruf der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 27. November 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 139 II 404 E. 3 S. 415). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht prüft solche Rügen nur, wenn sie in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden sind (BGE 136 II 304 E. 2.5 S. 314).
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2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge ist rechtsgenüglich substanziiert vorzubringen (BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254).
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2.3. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt ("unechte" Noven gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG).
3
 
Erwägung 3
 
3.1. Die Vorinstanz erwägt, die Beschwerdeführerin habe es unterlassen, detaillierte Angaben zu ihren Lebensumständen in Marokko bis zu ihrer Ausreise in die Schweiz zu machen. Die Behauptung, mit ihrer Mutter in einer Garage gelebt zu haben, bleibe gänzlich unbelegt. Ebenso würden Angaben zu einer früheren Erwerbstätigkeit oder ihrem sonstigen Lebensunterhalt fehlen. Insgesamt habe die Beschwerdeführerin keine besonderen Umstände substanziieren können, welche ihre Reintegration in Marokko als unzumutbar erscheinen liessen. Daher seien die Vorinstanzen nicht gehalten gewesen, weitere und nähere Abklärungen zu der zukünftigen, konkret zu erwartenden Situation in Marokko zu treffen.
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3.2. Die Beschwerdeführerin moniert, bei der vorinstanzlichen Feststellung des Sachverhalts sei der Untersuchungsgrundsatz verletzt worden. Die Vorinstanz sei zu Unrecht davon ausgegangen, sie - die Beschwerdeführerin - sei ihrer Mitwirkungspflicht im Rahmen der Erstellung des Sachverhalts nicht nachgekommen. Es sei ihr nicht möglich gewesen, Unterlagen zu ihrer persönlichen Situation im Falle ihrer Rückkehr nach Marokko einzureichen, weil keine solchen existierten. Diese Beweisschwierigkeit hätte die Vorinstanz durch entsprechende Beweisabnahmen kompensieren können. Jedoch seien ihre Beweisanträge (Parteibefragung, Befragung ihrer Mutter als Auskunftsperson, amtliche Erkundigungen über den Herkunftsort Khémisset, zur Edition offerierte Fotos ihres Zuhauses) nicht berücksichtigt worden.
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3.2.1. Gemäss dem Untersuchungsgrundsatz müssen die Migrationsbehörden den rechtserheblichen Sachverhalt grundsätzlich von Amtes wegen feststellen. Der Untersuchungsgrundsatz wird aber - wie die Vorinstanz zu Recht ausführt - durch die Mitwirkungspflicht der Parteien relativiert (Art. 90 AuG). Die Mitwirkungspflicht gilt insbesondere für Ausländer, die wie hier Rechte geltend machen, und für die Erstellung von Tatsachen, die eine Partei besser kennt als die Behörden und welche diese ohne ihre Mitwirkung gar nicht oder nicht mit vernünftigem Aufwand ermitteln können (Urteil 2C_81/2011 vom 1. September 2011 E. 3.7 mit Hinweis). Im vorliegenden Zusammenhang trifft das umso mehr zu, als es um die konkrete persönliche Situation der Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr in ihre Heimat geht. Diesbezügliche Tatsachen lassen sich erfahrungsgemäss von den schweizerischen Behörden, wenn überhaupt, nur mit erhöhtem Aufwand abklären (BGE 124 II 361 E. 2b S. 365). Wird somit von der Beschwerdeführerin behauptet, ihre soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland sei stark gefährdet, hat sie die ihr in der Heimat konkret drohenden Nachteile zumindest glaubhaft zu machen (vgl. Urteil 2C_452/2014 vom 26. Mai 2014 E. 3.1 mit Hinweisen).
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3.2.2. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, ihre Beweisanträge seien unberücksichtigt geblieben, rügt sie sinngemäss eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV). Der Gehörsanspruch umfasst namentlich das Recht der betroffenen Person, sich vor Erlass eines in ihre Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern sowie das Recht auf Abnahme der angebotenen rechtserheblichen Beweismittel (BGE 127 I 54 E. 2b S. 56). Das Recht auf rechtliches Gehör schliesst indes keinen Anspruch auf mündliche Anhörung ein (BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148; 130 II 425 E. 2.1 S. 428 f.; 127 V 491 E. 1b S. 494; 125 I 209 E. 9b S. 219). Auch lässt sich daraus keine allgemeine Pflicht der Behörde zur Abnahme aller angebotenen Beweise und zur Würdigung sämtlicher Argumente ableiten. So kann ein Beweisantrag abgelehnt werden, wenn die Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde sich ihre Meinung aufgrund zuvor erhobener Beweise bereits bilden konnte und sie ohne Willkür in vorweggenommener, antizipierter Beweiswürdigung annehmen darf, die gewonnene Überzeugung werde durch weitere Beweiserhebungen nicht erschüttert (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; 134 I 140 E. 5.3 S. 148; 131 I 153 E. 3 S. 157).
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3.3. Aus den genannten Gründen durfte die Vorinstanz in willkürfreier antizipierter Beweiswürdigung auf die Abnahme weiterer Beweismittel verzichten. Damit hat sie weder den Untersuchungsgrundsatz noch den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör verletzt.
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Erwägung 4
 
4.1. Die Aufenthaltsbewilligung war der Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 7 lit. d FZA (SR 0.142.112.681) i.V.m. Art. 3 Anhang I FZA erteilt worden, wonach der Ehegatte einer Person, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union ist und ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz hat, das Recht hat, bei dieser Person Wohnsitz zu nehmen. Da die Ehe am 28. Juni 2012 rechtskräftig geschieden wurde, kann die Beschwerdeführerin aus dem FZA keinen Anspruch auf einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz ableiten, was sie nicht bestreitet. Ein potenzieller Anspruch der Beschwerdeführerin auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach erfolgter Auflösung der Ehe kann sich demzufolge nur aus Art. 50 AuG ergeben (Urteil 2C_886/2011 vom 28. Februar 2012 E. 4.1). Gemäss dieser Bestimmung besteht der Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung weiter, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre gedauert hat und eine erfolgreiche Integration besteht (Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG) oder wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG). Vorliegend ist unbestritten, dass die Ehegemeinschaft weniger als drei Jahre bestanden hat, weshalb die Beschwerdeführerin zu Recht keinen Anspruch nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG geltend macht. Sie behauptet aber, es sei ein nachehelicher Härtefall gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 2 AuG gegeben, da ihr eine Rückkehr in ihr Heimatland nicht zuzumuten sei.
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4.2. Ein nachehelicher Härtefall kann gemäss Art. 50 Abs. 2 AuG namentlich vorliegen, wenn die Ehegattin oder der Ehegatte Opfer ehelicher Gewalt wurde oder die Ehe nicht aus freiem Willen geschlossen hat oder die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint. Dabei ist entscheidend, ob die persönliche, berufliche und familiäre Wiedereingliederung als stark gefährdet zu gelten hat, und nicht, ob ein Leben in der Schweiz einfacher wäre. Ein persönlicher, nachehelicher Härtefall setzt aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls eine erhebliche Intensität der Konsequenzen für das Privat- und Familienleben der ausländischen Person voraus, die mit ihrer Lebenssituation nach dem Dahinfallen der abgeleiteten Anwesenheitsberechtigung verbunden sind (BGE 137 II 345 E. 3.2.3). Demgegenüber ist eine Rückkehr ins Heimatland zumutbar, wenn der Aufenthalt in der Schweiz nur kürzere Zeit gedauert hat, keine engen Beziehungen zur Schweiz geknüpft wurden und die erneute Integration in der Heimat keine besonderen Probleme bereitet (Urteil 2C_150/2011 vom 5. Juli 2011 E. 2.3 mit Hinweis).
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4.3. Die Vorinstanz weist zu Recht darauf hin, dass die Beschwerdeführerin die angebliche Unzumutbarkeit ihrer Rückkehr nach Marokko in keinerlei Weise substanziiert. Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, ihre Wiedereingliederung im Heimatland sei stark gefährdet, da es ihr nicht zuzumuten sei, als geschiedene Frau mit 37 Jahren in das patriarchalische Gesellschaftssystem nach Khémisset zurückzukehren. Damit beschränkt sie sich auf allgemein gehaltene Ausführungen betreffend die Situation geschiedener Frauen in Marokko. Dies genügt jedoch nicht, um ihre Rückkehr als unzumutbar erscheinen zu lassen. Dass die marokkanische Gesellschaftsordnung nicht der schweizerischen entspricht und die Beschwerdeführerin deshalb lieber hier leben würde, reicht nicht aus, um einen Härtefall im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG zu begründen (vgl. auch das Urteil 2C_578/2011 vom 1. Dezember 2011 E. 3.3).
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4.4. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz das Vorliegen eines nachehelichen Härtefalls im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b zu Recht verneint. Das angefochtene Urteil erweist sich insgesamt als verhältnismässig.
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Erwägung 5
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
4. 
 
Lausanne, 5. Januar 2015
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Die Gerichtsschreiberin: Petry
 
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