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Informationen zum Dokument  BGer 6B_9/2014  Materielle Begründung
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BGer 6B_9/2014 vom 23.12.2014
 
{T 0/2}
 
6B_9/2014
 
 
Urteil vom 23. Dezember 2014
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Bundesrichter Rüedi,
 
Gerichtsschreiber M. Widmer.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ernst Kistler,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Führen eines Motorfahrzeugs trotz Entzug des Führerausweises; bedingter Strafvollzug,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
 
des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer,
 
vom 12. November 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Am 21. Mai 2011 geriet X.________ in eine Verkehrskontrolle. Dabei legte er einen am 5. Mai 2011 erworbenen deutschen Führerausweis vor.
1
 
B.
 
Die von X.________ dagegen erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Aargau am 12. November 2013 ab.
2
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, es fehle an einer gesetzlichen Bestimmung, um den in Deutschland rechtmässig und nach Ablauf der Sperrfrist erworbenen Führerausweis abzuerkennen. Er sei nicht ohne Führerausweis gefahren.
3
1.2. Die Vorinstanz erwägt, gestützt auf Art. 42 Abs. 1 des Übereinkommens über den Strassenverkehr vom 8. November 1968 (SR 0.741.10) und Art. 45 Abs. 1 und 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr vom 27. Oktober 1976 (Verkehrszulassungsverordnung, VZV; SR 741.51) könne ein ausländischer Führerausweis aberkannt werden. Der Beschwerdeführer sei mit einem generellen Fahrverbot für die Schweiz belegt worden. Dies schliesse auch die Aberkennung von erst nachträglich erworbenen ausländischen Führerausweisen ein. Andernfalls wäre der Zweck des angeordneten Fahrverbots illusorisch, was gegen den Sinn von Art. 45 Abs. 2 VZV verstiesse.
4
1.3. Gestützt auf Art. 42 Abs. 1 des Übereinkommens über den Strassenverkehr, welches für die Schweiz wie für Deutschland gilt, können die Vertragsparteien einem Fahrzeugführer, der in ihrem Hoheitsgebiet eine Widerhandlung begeht, die nach ihren Rechtsvorschriften den Entzug des Führerausweises zur Folge haben kann, das Recht aberkennen, in ihrem Hoheitsgebiet seinen nationalen oder internationalen Führerausweis zu verwenden. Das Übereinkommen soll den Vertragsparteien insbesondere die Möglichkeit belassen, einen Fahrzeugführer mit nationalem oder internationalem Führerausweis daran zu hindern, ein Fahrzeug zu führen, wenn es offensichtlich oder erwiesen ist, dass er aufgrund seines Zustands dazu nicht in der Lage ist (vgl. Art. 42 Abs. 3 des Übereinkommens über den Strassenverkehr).
5
1.4. Mit Verfügung vom 20. August 2010 wurde dem Beschwerdeführer wegen fehlender Fahreignung gestützt auf Art. 16d Abs. 1 lit. b und c SVG der nationale Führerausweis entzogen. Gleichzeitig wurde ausdrücklich festgehalten, dass die Massnahme ebenso den Entzug allfälliger Lernfahr- und internationaler Führerausweise sowie die Aberkennung allfälliger ausländischer Führerausweise zur Folge hat. Es wurde ihm auch untersagt, Fahrzeuge der Spezialkategorien inklusive Motorfahrräder zu führen. Er wurde demnach mit einem umfassenden Fahrverbot für die Schweiz belegt (vgl. BGE 105 IV 70 E. 2 mit Hinweis; 95 IV 168 E. 1).
6
Die Wiedererteilung des Führerausweises wurde davon abhängig gemacht, dass der Beschwerdeführer eine Verkehrstherapie mit mindestens 10 Sitzungen absolviert und je ein positives fachärztliches und verkehrspsychologisches Gutachten vorlegt. Sollte der Führerausweisentzug mehr als zwei Jahre dauern, wurde überdies eine neue Führerprüfung angeordnet.
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1.5. Wie die Vorinstanz zu Recht erwägt, können das für die Schweiz verfügte Fahrverbot und die Bedingungen für die Wiedererteilung des Führerausweises nicht dadurch umgangen werden, dass der Wohnsitz vorübergehend ins Ausland verlegt und dort ein ausländischer Führerausweis erworben wird, um damit anschliessend in der Schweiz ein Motorfahrzeug zu führen. Der Entzug des schweizerischen Führerausweises hat stets die Aberkennung allfälliger ausländischer Führerausweise zur Folge (vgl. Art. 45 Abs. 2 VZV). Dies gilt auch für erst nachträglich erworbene oder der verfügenden Behörde unbekannte Ausweise, ansonsten der Zweck von Art. 45 Abs. 2 VZV unerreichbar und damit illusorisch wäre sowie der Sinn der Bestimmung unterlaufen würde (vgl. BGE 139 IV 305 E. 3.2; 105 IV 70 E. 2b mit Hinweis; 95 IV 168 E. 2.; RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band I, Grundlagen, Verkehrszulassung und Verkehrsregeln, 2002, N. 380). Mit der Aberkennung ausländischer Führerausweise wird dem Betroffenen das Recht abgesprochen, von einem solchen in der Schweiz Gebrauch zu machen (BGE 105 IV 70 E. 2b; RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band III, Die Administrativmassnahmen, 1995, N. 2569). Es wird somit nicht bloss ein konkreter Führerausweis aberkannt, sondern generell das Recht dazu, einen solchen in der Schweiz zu verwenden (vgl. auch den Wortlaut von Art. 42 Abs. 1 des Übereinkommens über den Strassenverkehr). Art. 45 Abs. 2 VZV stellt demnach eine genügende gesetzliche Grundlage dar, um den vom Beschwerdeführer nach Erlass der Verfügung vom 20. August 2010 in Deutschland erworbenen Führerausweis abzuerkennen.
8
Auf die Ausführungen des Beschwerdeführers zum Umgehungstatbestand gemäss Art. 45 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 VZV ist nicht einzugehen, da sich die Vorinstanz gerade nicht auf diese Bestimmungen stützt (Urteil, S. 9 E. 2.2.3.2.). Die Verurteilung wegen Führens eines Motorfahrzeugs trotz Entzug des Führerausweises ist bundesrechtskonform.
9
 
Erwägung 2
 
2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz verletze Bundesrecht, indem sie ihm den bedingten Strafvollzug verweigere. Sie begründe nicht, weshalb sie ihm eine schlechte Prognose ausstelle, obwohl er nach dem Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 31. Mai 2012 eine hohe unbedingte Geldstrafe abzahle, eine kurze Freiheitsstrafe abgesessen und sich am Arbeitsplatz bewährt habe. Sie stelle nicht auf seine persönlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Entscheids ab.
10
2.2. Die Vorinstanz führt aus, die vom Beschwerdeführer angeführten Faktoren seien bereits im Urteil vom 31. Mai 2012 berücksichtigt worden. Es sei nicht ersichtlich und werde auch nicht geltend gemacht, dass sich die Umstände seither geändert hätten. Nach wie vor sei von einer eigentlichen Schlechtprognose auszugehen, weshalb der bedingte Strafvollzug nicht gewährt werden könne.
11
2.3. Gemäss Art. 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Geldstrafe, von gemeinnütziger Arbeit oder einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten und höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten. Für den bedingten Vollzug genügt das Fehlen einer ungünstigen Prognose, das heisst die Abwesenheit der Befürchtung, der Täter werde sich nicht bewähren (BGE 134 IV 1 E. 4.2.2 mit Hinweisen).
12
Die Prüfung der Bewährungsaussichten des Täters ist anhand einer Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände vorzunehmen (vgl. dazu im Einzelnen BGE 134 IV 1 E. 4.2.1 mit Hinweisen). Dem Sachrichter steht bei der Prüfung der Prognose des künftigen Legalverhaltens ein Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn das Ermessen über- bzw. unterschritten oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt wird (BGE 134 IV 140 E. 4.2 mit Hinweis).
13
Art. 49 Abs. 2 StGB will im Wesentlichen das Asperationsprinzip auch bei retrospektiver Konkurrenz gewährleisten. Der Täter soll trotz Aufteilung der Strafverfolgung in mehrere Verfahren gegenüber jenem Täter, dessen Taten gleichzeitig beurteilt wurden, nicht benachteiligt und soweit als möglich auch nicht bessergestellt werden (BGE 138 IV 113 E. 3.4.1 mit Hinweis).
14
2.4. Die Vorinstanz legt die Strafe im Rahmen der retrospektiven Konkurrenz gemäss Art. 49 Abs. 1 und 2 StGB fest und verhängt eine unbedingte Geldstrafe als Zusatzstrafe zum Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 31. Mai 2012. Sie geht dabei grundsätzlich methodisch korrekt vor (vgl. BGE 138 IV 113 E. 3.4.1; 137 IV 57 E. 4.3.1; 132 IV 102 E. 8.3; 129 IV 113 E. 1.1; je mit Hinweisen). Für die Frage, ob überhaupt eine Zusatzstrafe verhängt werden muss, hätte sie indes nicht auf das obergerichtliche Urteil, sondern auf das Datum der ersten Verurteilung im ersten Verfahren abstellen müssen (sog. Ersturteil, bei welchem es sich oftmals, aber nicht zwingend um das erstinstanzliche Urteil handelt; BGE 138 IV 113 E. 3.4.2). Der Beschwerdeführer rügt dieses Vorgehen jedoch nicht und es ist auch nicht ersichtlich, dass es sich zu seinen Ungunsten auswirkt.
15
 
Erwägung 3
 
 
Erwägung 4
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
4. 
 
Lausanne, 23. Dezember 2014
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Denys
 
Der Gerichtsschreiber: M. Widmer
 
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