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Informationen zum Dokument  BGer 8C_220/2014  Materielle Begründung
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BGer 8C_220/2014 vom 25.11.2014
 
8C_220/2014 {T 0/2}
 
 
Urteil vom 25. November 2014
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
 
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
 
Gerichtsschreiberin Durizzo.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle Luzern,
 
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 3. Abteilung, vom 5. Februar 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________, geboren 1950, arbeitete als Metzger bei der B.________ AG. Am 7. Oktober 2011 meldete er sich wegen Schulter- und Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 11. Oktober 2012 lehnte die IV-Stelle Luzern den Anspruch auf eine Invalidenrente ab.
1
B. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Luzern mit Entscheid vom 5. Februar 2014 teilweise gut und sprach A.________ für die Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 2012 eine Viertelsrente zu.
2
C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und es sei ihm ab dem 1. April 2012 eine halbe Invalidenrente zuzusprechen.
3
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Erwägungen:
 
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f., 134 V 250 E. 1.2 S. 252, je mit Hinweisen). Unter Berücksichtigung der Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es indessen nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind, und ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr aufgegriffen werden (BGE 134 I 313 E. 2 S. 315, 65 E. 1.3 S. 67 f., je mit Hinweisen).
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2. Das kantonale Gericht hat die für den Rentenanspruch massgeblichen Bestimmungen und Grundsätze zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen.
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3. Der Beschwerdeführer ist nach Einschätzung im Gutachten des Zentrums C.________ vom 10. Januar 2012 im angestammten Beruf als Metzger zu 50 Prozent eingeschränkt, in einer leidensangepassten Tätigkeit zu 87,5 Prozent leistungsfähig. Die zeitliche Einschränkung ergibt sich durch einen zusätzlichen Bedarf an Kurzpausen. Nach den Feststellungen des kantonalen Gerichts könnte der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen ein (Invaliden-) Einkommen von 51'707 Franken erzielen. Die Vorinstanz setzte diesen Verdienst anhand der Durchschnittslöhne nach der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Lohnstrukturerhebung (LSE) fest. Sie gewährte dabei einen leidensbedingten Abzug vom Tabellenlohn in der Höhe von 5 Prozent. Als Gesunder hätte der Beschwerdeführer an seiner vormaligen Arbeitsstelle 87'904 Franken verdienen können (Valideneinkommen). Der Vergleich dieser Einkommen führte zu einem Invaliditätsgrad von 41 Prozent. Der Betriebsinhaber hatte sein Geschäft zwischenzeitlich aufgegeben und das Arbeitsverhältnis auf den 30. Juni 2012 gekündigt. Das kantonale Gericht bestimmte das Valideneinkommen für die Zeit ab dem 1. Juli 2012 ebenfalls gestützt auf die LSE und zog dazu den Durchschnittslohn heran für Männer mit Berufs- und Fachkenntnissen bei der Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln (Tabelle TA1, Ziff. 10, Anforderungsniveau 3). Es ergab sich ein massgebliches Einkommen von 71'346 Franken, und der Invaliditätsgrad betrug nur noch 28 Prozent. Das kantonale Gericht sprach dem Beschwerdeführer dementsprechend für die Zeit vom 1. April 2012 (Rentenbeginn) bis zum 30. Juni 2012 eine Viertelsrente zu.
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4. Der Beschwerdeführer rügt die Ermittlung des Valideneinkommens für die Zeit nach der Auflösung des vormaligen Arbeitsverhältnisses. Er macht geltend, dass der Tabellenlohn nach Anforderungsniveau 3 seine langjährige Berufserfahrung als gelernter Metzger in leitender Stellung nur unzureichend berücksichtige.
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Die Anwendung des statistischen Durchschnittseinkommens für die Verrichtung selbständiger und qualifizierter Arbeiten nach Anforderungsniveau 2 anstelle des Tabellenlohns für Männer mit Berufs- und Fachkenntnissen nach Anforderungsniveau 3 rechtfertigt sich indessen aus den folgenden Gründen nicht. Inwieweit der Beschwerdeführer mit der Buchhaltungsführung, dem selbständigen Einkauf und eigenständigen Geschäftskalkulationen betraut war, wie er geltend macht, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Nach seinen Angaben gegenüber der IV-Stelle (anlässlich des Erstgesprächs Früherfassung vom 12. August 2011) hatte er nur wenig Büroarbeit zu erledigen und unterstand ihm lediglich ein Mitarbeiter. Dass der Beschwerdeführer als Gesunder nach dem Verlust des vormaligen Arbeitsplatzes aus betrieblichen Gründen eine Stelle mit den Anforderungen und der Bezahlung entsprechend dem statistischen Tabellenlohn nach Anforderungsniveau 2 gefunden hätte, kann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360) als erstellt gelten. Die Vorinstanz hat in ihren Erwägungen zum Invalideneinkommen festgestellt, dass der Beschwerdeführer über das Auffassungsvermögen und die Erfahrung eines während 27 Jahren beim selben Arbeitgeber tätigen Filialleiters verfüge. Trotzdem hat sie ihm auf dieser Seite lediglich den Tabellenlohn für einfache und repetitive Tätigkeiten nach Anforderungsniveau 4 angerechnet, was insoweit beschwerdeweise nicht beanstandet wird (vgl. unten E. 5). Weshalb der Beschwerdeführer als Gesunder ein statistisches Durchschnittseinkommen für selbständige und qualifizierte Arbeiten, nach Eintritt der Gesundheitsschädigung jedoch nur noch einen Tabellenlohn für einfache und repetitive Arbeiten zu erzielen vermöchte, wird beschwerdeweise nicht geltend gemacht und liesse sich nicht begründen, denn die gesundheitlich bedingten Einschränkungen beschlagen das Anforderungsniveau nicht.
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Das massgebliche Valideneinkommen ab dem 1. Juli 2012 ist daher mit dem kantonalen Gericht auf 71'346 Franken festzusetzen.
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5. Der Beschwerdeführer beanstandet auch die Ermittlung des Invalideneinkommens.
11
5.1. Er macht zunächst geltend, dass er an der neuen Stelle bestmöglich eingegliedert und deshalb auf den tatsächlich erzielten Lohn abzustellen sei. Nach der Rechsprechung hat er jedoch die ihm verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll auszuschöpfen; es ist ansonsten auf einen statistischen Durchschnittslohn abzustellen (beziehungsweise auf DAP-Löhne; BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475; 139 V 592). Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er, wie im Gutachten des Zentrums C.________ bescheinigt, in einer seinen Leiden besser angepassten Tätigkeit zu 87,5 Prozent leistungsfähig wäre und damit ein höheres Einkommen erwirtschaften könnte.
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5.2. Allein das fortgeschrittene Alter des Beschwerdeführers vermag die Verwertung seiner Restarbeitsfähigkeit nicht von vornherein als gänzlich unzumutbar erscheinen lassen. Rechtsprechungsgemäss ist die Zumutbarkeit im Einzelfall zu prüfen (BGE 138 V 457 E. 3.1 S. 460; Urteil 9C_1033/2012 E. 5.3, nicht publ. in: BGE 140 I 50, aber in: SVR 2014 BVG Nr. 15 S. 49; Urteile 8C_345/2013 vom 10. September 2013 E. 4.2 und 4.3, 8C_482/2010 vom 27. September 2010 E. 4.2 und 4.3 sowie 9C_427/2010 vom 14. Juli 2010 E. 2.4 bis 2.6 mit Hinweisen). Nachdem wegen der Geschäftsaufgabe des vormaligen Arbeitgebers und damit aus betrieblichen (und nicht aus gesundheitlichen) Gründen ein Stellenwechsel tatsächlich stattgefunden hat, vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun, dass seine Restarbeitsfähigkeit altersbedingt nicht zu verwerten sei.
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5.3. Zum Einwand des Beschwerdeführers, dass ihm als Invalidenlohn nur noch ein statistisches Einkommen für eine Tätigkeit im Dienstleistungssektor anzurechnen sei, hat sich das kantonale Gericht zutreffend geäussert. Der Beschwerdeführer begründet nicht weiter und es ist auch nicht ersichtlich, weshalb seine Beeinträchtigungen eine Arbeit nur noch in diesem Bereich zuliessen. Es rechtfertigt sich deshalb nicht, von der Regel abzuweichen, dass als massgebliches statistisches Durchschnittseinkommen (oben E. 5.1) die Monatslöhne nach LSE-Tabelle TA1, Zeile "Total Privater Sektor", anzuwenden sind (in BGE 133 V 545 nicht publizierte E. 5.1 des Urteils 9C_237/2007 vom 24. August 2007).
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5.4. Der Beschwerdeführer beantragt einen 20-prozentigen Abzug vom Tabellenlohn statt der gewährten fünf Prozent. Die Bestimmung der Höhe einer solchen Reduktion (BGE 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481; 126 V 75 E. 5 S. 78 ff.) stand im Ermessen des kantonalen Gerichts (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). Eine Angemessenheitskontrolle ist dem Bundesgericht verwehrt (Art. 95 lit. a BGG; BGE 134 V 322 E. 5.3 S. 328; 132 V 393 E. 3.3 S. 399; Urteil 8C_644/2008 vom 19. August 2009 E. 6.1, nicht publ. in: BGE 135 V 353, aber in: SVR 2010 IV Nr. 6 S. 13). Das kantonale Gericht hat sich zu den geltend gemachten Kriterien der gesundheitlichen Einschränkung und des Alters zutreffend geäussert. Aus dem vom Beschwerdeführer angeführten Urteil 9C_954/2012 vom 10. Mai 2013 lässt sich diesbezüglich nichts zu seinen Gunsten ableiten, denn es befasst sich nicht mit dem Abzug vom Tabellenlohn (vgl. oben E. 5.2).
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5.5. Mit dem kantonalen Gericht ist daher von einem Invalideneinkommen von 51'707 Franken auszugehen. Es kann zu dessen Ermittlung im Einzelnen auf die vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden.
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6. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass ihm vor der Rentenherabsetzung eine dreimonatige Anpassungsfrist hätte gewährt werden müssen. Die Regelung von Art. 88a Abs. 2 IVV gilt indessen nur, wenn eine anspruchsbeeinflussende Änderung durch eine Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit eingetreten ist (vgl. Art. 7 ATSG). Hier jedoch hat sich eine nicht invaliditätsbedingte Änderung in den erwerblichen Verhältnissen eingestellt (vgl. Urteil I 599/05 vom 6. Februar 2006 E. 5.2.3; zur Anwendbarkeit der Bestimmung bei der rückwirkenden Rentenzusprechung: BGE 109 V 125 E. 4a S. 127).
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7. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 25. November 2014
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Leuzinger
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo
 
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