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Informationen zum Dokument  BGer 6B_759/2014  Materielle Begründung
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BGer 6B_759/2014 vom 24.11.2014
 
{T 0/2}
 
6B_759/2014
 
 
Urteil vom 24. November 2014
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Bundesrichter Oberholzer,
 
Gerichtsschreiberin Schär.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Jeanine Hollinger,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, qualifizierte Geldwäscherei, Willkür, Grundsatz in dubio pro reo, rechtliches Gehör, Strafzumessung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
 
des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer,
 
vom 26. Juni 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
A. X.________ wird vorgeworfen, im Zeitraum zwischen dem 25. Februar 2012 und dem 24. März 2012 insgesamt 5'000 Gramm Heroin von Italien in die Schweiz transportiert und in T.________ dem im Drogenhandel tätigen A.________ übergeben zu haben. Weiter soll er von Anfang April 2011 bis zum 8. Oktober 2012 in T.________, U.________ und weiteren Orten im Grossraum Zürich mehrere Male von verschiedenen Personen aus dem Drogenhandel stammende Bargeldbeträge im Totalbetrag von Fr. 120'000.-- bis Fr. 130'000.-- entgegengenommen und diese nach Italien ausgeführt haben. X.________ habe sich damit der qualifizierten Geldwäscherei sowie der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gemacht.
1
B. Das Bezirksgericht Zurzach sprach X.________ am 28. August 2013 der mehrfachen qualifizierten Geldwäscherei schuldig und bestrafte ihn mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 30.--. Vom Vorwurf der mehrfachen qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz wurde X.________ freigesprochen.
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C. X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau sei aufzuheben. Es sei ein neues Urteil zu fällen, wobei die Berufung der Staatsanwaltschaft abzuweisen und das Strafmass im Sinne der Anschlussberufung festzusetzen sei. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. X.________ ersucht für das bundesgerichtliche Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung, falls die Gerichtskosten und die Kosten der amtlichen Verteidigung nicht auf die Staatskasse genommen werden.
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Erwägungen:
 
1. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung vor und macht die Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" (Art. 10 Abs. 3 StPO) geltend.
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1.1. Die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz kann gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich ist, oder auf einer Verletzung von schweizerischem Recht im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann. Die Rüge der willkürlichen Feststellung des Sachverhalts prüft das Bundesgericht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nur insoweit, als sie in der Beschwerde explizit vorgebracht und substantiiert begründet worden ist. In der Beschwerde muss im Einzelnen dargelegt werden, inwiefern der angefochtene Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet. Auf eine bloss appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176; 136 II 489 E. 2.8 S. 494; je mit Hinweisen; BGE 133 IV 286 E. 1.4 S. 287).
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1.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe die Geldtransporte stets zugegeben und diesbezüglich sogar mehr eingestanden, als die Staatsanwaltschaft ihm hätte nachweisen können. Hingegen habe er von Anfang an widerspruchsfrei ausgesagt, nichts mit den Drogentransporten zu tun gehabt zu haben. Die Vorinstanz gehe davon aus, dass ein gewisser "B.________" - dabei handle es sich um die albanische Bezeichnung für "Onkel" - jeweils das Heroin nach T.________ geliefert habe. Es gebe jedoch mehrere Personen unterschiedlicher Hierarchiestufen, für welche die Bezeichnung "B.________" benutzt worden sei. Dennoch schliesse die Vorinstanz aus den ausgewerteten SMS-Nachrichten, dass die Bezeichnung "B.________" im relevanten Zeitraum nicht für mehrere Personen verwendet worden sei, weshalb davon ausgegangen werden könne, dass lediglich eine Person als "B.________" bezeichnet worden sei. Wie die Vorinstanz zu dieser Schlussfolgerung gelange, werde nicht erläutert. Die Vorinstanz setze sich auch nicht mit den Erwägungen der ersten Instanz auseinander.
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1.3. Die Vorinstanz stützt ihr Urteil auf verschiedene Indizien und Beweismittel. Sie erwägt, den ausgewerteten SMS-Nachrichten sei zu entnehmen, dass A.________ sich am 25. Februar 2012 sowie am 3., 9., 17. und 24. März 2012 in T.________ mit "B.________" getroffen habe. A.________ und der ebenfalls im Drogenhandel aktive E.________ hätten nach den Treffen mit "B.________" jeweils über 1'000 Gramm Heroin verfügt. Es sei daher davon auszugehen, dass die als "B.________" bezeichnete Person das Heroin geliefert habe. Weiter ergebe sich aus den ausgewerteten SMS-Nachrichten, dass die Bezeichnung "B.________" im relevanten Zeitraum nicht für mehrere Personen verwendet worden sei. Die Vorinstanz schliesst daraus, dass es sich beim Drogenlieferanten "B.________" jeweils um dieselbe Person handelte. Inwiefern diese Schlussfolgerung schlechterdings unhaltbar sein soll, ist nicht ersichtlich. Sie deckt sich auch mit den Aussagen des Mitbeschuldigten A.________. Dieser hat sowohl die Treffen als auch die Tatsache, dass "B.________" das Heroin lieferte, bestätigt. A.________ hat den Beschwerdeführer zudem auf dem Fotobogen als "B.________" identifiziert. Die Vorinstanz legt ausführlich dar, weshalb sie die Aussagen von A.________ als glaubhaft erachtet. Seine Aussagen bezüglich des Ablaufs der Treffen seien detailliert und würden mit dem Observationsbericht und der Telefonüberwachung übereinstimmen. Bezüglich des Treffens vom 3. März 2012 hält die Vorinstanz exemplarisch fest, der mutmasslich aus Albanien operierende F.________ habe am 3. März 2012 das Erscheinen von "B.________" mittels einer SMS-Nachricht angekündigt. Gemäss dem Observationsbericht sei der Beschwerdeführer kurze Zeit später mit seinem Auto in T.________ aufgetaucht. A.________ sei in das Fahrzeug des Beschwerdeführers eingestiegen. Sie seien einige Meter gefahren und danach sei er wieder ausgestiegen. Den Grund für die wechselhaften Aussagen und die teilweise ausweichenden Antworten von A.________ sieht die Vorinstanz darin, dass dieser aus Angst und Ehrfurcht vor dem Beschwerdeführer nicht gegen ihn aussagen wollte. Insbesondere habe er bei der Konfrontationseinvernahme keine belastenden Aussagen mehr machen wollen und stattdessen auf frühere Einvernahmen verwiesen.
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2. Der Beschwerdeführer rügt weiter die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die Vorinstanz habe einseitig auf die ihn belastenden Indizien und die widersprüchlichen Aussagen von A.________ abgestellt und weder seine eigenen Aussagen noch diejenigen der Mitbeschuldigten bei der Beweiswürdigung berücksichtigt. Zudem habe sie sich mit den erstinstanzlichen Erwägungen nicht auseinandergesetzt.
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2.1. Wesentlicher Bestandteil des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO) ist die Begründungspflicht. Diese soll verhindern, dass sich die Behörde von unsachlichen Motiven leiten lässt, und dem Betroffenen ermöglichen, ihren Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anzufechten. Dies ist nur möglich, wenn sowohl er wie auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen können. In diesem Sinn müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf welche sich ihr Entscheid stützt. Dies bedeutet indessen nicht, dass sie sich ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen muss. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 139 IV 179 E. 2.2 S. 183 mit Hinweis).
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2.2. Die Vorinstanz legt ausführlich und in nachvollziehbarer Weise dar, von welchen Motiven sie sich leiten lässt und welche Beweismittel respektive Indizien sie als wesentlich erachtet. Namentlich stützt sie ihren Schuldspruch auf die ausgewerteten SMS-Nachrichten, die Aussagen von A.________ sowie den Observationsbericht. Die Vorinstanz verletzt das rechtliche Gehör nicht, wenn sie in den Aussagen der Mittäter C.________ und D.________ keine entlastenden Umstände sieht respektive die Behauptungen des Beschwerdeführers indirekt verwirft. Obwohl sich die Vorinstanz nicht mit jedem einzelnen Einwand des Beschwerdeführers auseinandersetzt, konnte dieser das Urteil in voller Kenntnis der Sache anfechten. Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet.
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3. Der Beschwerdeführer bemängelt die Strafzumessung.
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3.1. Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff. StGB wiederholt dargelegt (BGE 136 IV 55 E. 5.4 ff. S. 59 ff. mit Hinweisen). Das Sachgericht verfügt auf dem Gebiet der Strafzumessung über einen Ermessensspielraum. Das Bundesgericht greift in die Strafzumessung nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. durch Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 136 IV 55 E. 5.6 S. 61 mit Hinweis).
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3.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe innerhalb der Organisation keine Entscheidkompetenz gehabt. Seine Funktion als blosser Geldtransporteur sei als niedrig einzustufen. Damit weicht er in unzulässiger Weise vom verbindlichen Sachverhalt der Vorinstanz ab (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Vorinstanz stellt in tatsächlicher Hinsicht fest, dass der Beschwerdeführer als Drogen- und Geldkurier eine niedrige bis mittlere Stellung innehatte. Der Beschwerdeführer stellt dem vorinstanzlichen Urteil lediglich seine eigene Sicht der Dinge gegenüber, ohne Willkür darzutun. Auf die Rüge ist nicht einzutreten.
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4. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG abzuweisen, weil die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist durch eine Reduktion der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 24. November 2014
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Die Gerichtsschreiberin: Schär
 
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