VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2C_159/2014  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2C_159/2014 vom 31.10.2014
 
{T 0/2}
 
2C_159/2014
 
 
Urteil vom 31. Oktober 2014
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Seiler, Stadelmann,
 
Gerichtsschreiberin Genner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Galligani, Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau.
 
Gegenstand
 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom
 
12. Dezember 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Der italienische Staatsangehörige A.________ wurde am 12. März 1991 in der Schweiz geboren, wo er bis heute ausschliesslich gelebt hat. Er ist im Besitz der Niederlassungsbewilligung.
1
A.b. Seit seinem achten Lebensjahr wurde gegen A.________ immer wieder polizeilich ermittelt. Aufgrund seiner wiederholten Straffälligkeit wurde er zunächst wie folgt verurteilt:
2
- Strafbefehl des Bezirksamts Bremgarten vom 29. Oktober 2008: Busse von Fr. 100.--, wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, begangen zwischen 5. Mai 2008 und 30. September 2008;
3
- Strafbefehl des Bezirksamts Bremgarten vom 14. August 2009: Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je Fr. 30.--, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von zwei Jahren, sowie Busse von Fr. 300.-- wegen mehrfacher Sachbeschädigung, begangen am 8., 15. und 20. Mai 2009;
4
- Entscheid der Jugendanwaltschaft des Kantons Aargau vom 10. September 2009: Freiheitsentzug von drei Monaten, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von einem Jahr, wegen bandenmässigen Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung, mehrfachen Hausfriedensbruchs und mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, begangen zwischen 14. November 2007 und 29. Januar 2009;
5
- Strafbefehl des Bezirksamts Bremgarten vom 13. Januar 2010: Unbedingte Freiheitsstrafe von 180 Tagen als Gesamtstrafe, unter Widerruf der beiden bedingt ausgesprochenen Strafen vom 14. August 2009 und 10. September 2009, wegen Hausfriedensbruchs, begangen am 9. Dezember 2009.
6
A.c. Das Migrationsamt (heute: Amt für Migration und Integration) des Kantons Aargau gewährte A.________ am 8. März 2010 das rechtliche Gehör betreffend ausländerrechtliche Verwarnung. A.________ äusserte sich dazu mit Eingabe vom 26. März 2010.
7
A.d. Es folgten weitere Verurteilungen:
8
- Strafbefehl des Bezirksamts Bremgarten vom 5. Mai 2010: Busse von Fr. 100.-- wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, begangen zwischen 19. Januar 2009 und 24. April 2010;
9
- Urteil des Bezirksgerichts Bremgarten vom 9. Juni 2011: Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten wegen bandenmässigen und gefährlichen Raubs, begangen am 3. und 5. April 2010;
10
- Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten vom 21. Juli 2011: Geldstrafe von fünf Tagessätzen zu je Fr. 30.-- wegen Beschimpfung, begangen am 6. Juni 2011;
11
- Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten vom 1. Dezember 2011: Freiheitsstrafe von 120 Tagen wegen einfacher Körperverletzung, begangen am 22. Juli 2011. Diese Strafe bildete zusammen mit der bedingten Reststrafe von 60 Tagen Freiheitsstrafe eine Gesamtstrafe.
12
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Angefochten ist das letztinstanzliche, verfahrensabschliessende Urteil eines kantonalen Gerichts auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, welches grundsätzlich der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unterliegt (vgl. Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 90 BGG). Gegen Entscheide über den Widerruf einer Niederlassungsbewilligung ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, weil grundsätzlich ein Anspruch auf das Fortbestehen dieser Bewilligung gegeben ist (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4).
13
1.2. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen (Form, Frist und Legitimation gemäss Art. 42, Art. 100 Abs. 1 und Art. 89 Abs. 1 BGG) sind erfüllt, so dass auf die Beschwerde einzutreten ist.
14
 
Erwägung 2
 
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 139 II 404 E. S. 415). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 136 II 304 E. 2.5 S. 314).
15
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2). Die beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen (vgl. BGE 136 II 304 E. 2.5 S. 314).
16
2.3. Das angefochtene Urteil wurde dem Beschwerdeführer am 9. Januar 2014 zugestellt. Die Eingabe vom 6. März 2014 erfolgte nach Ablauf der 30-tägigen Beschwerdefrist (vgl. Art. 100 Abs. 1 BGG) und ist damit verspätet (vgl. Urteil 2C_1160/2013 vom 11. Juli 2014 E. 2; BGE 132 I 42 E. 3.3.4 S. 47). Die am 6. März 2014 eingereichten Beweismittel bleiben somit unbeachtet, ohne dass zu prüfen wäre, ob es sich dabei um allenfalls zulässige unechte Noven im Sinn von Art. 99 Abs. 1 BGG handelt. Das Gleiche gilt für die am 30. Juli 2014 zwar im Rahmen des Replikrechts eingereichten, jedoch in der Beschwerde angekündigten Beweismittel. Echte Noven sind im Verfahren vor dem Bundesgericht ohnehin unbeachtlich (BGE 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123).
17
 
Erwägung 3
 
3.1. Gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG (SR 142.20) i.V.m. Art. 62 lit. b AuG kann die Niederlassungsbewilligung widerrufen werden, wenn die ausländische Person zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Als längerfristig im Sinn von Art. 62 lit. b AuG gilt eine Freiheitsstrafe, deren Dauer ein Jahr überschreitet (BGE 139 I 145 E. 2.1 S. 147). Mehrere unterjährige Strafen dürfen bei der Berechnung nicht kumuliert werden; indessen spielt es keine Rolle, ob die Strafe bedingt, teilbedingt oder unbedingt ausgesprochen wurde (BGE 139 I 16 E. 2.1 S. 18). Dieser Widerrufsgrund gilt auch für Personen, welche - wie der Beschwerdeführer - im Zeitpunkt des Widerrufs (vgl. BGE 137 II 10 E. 4.2 S. 12) mehr als 15 Jahre ununterbrochen und ordnungsgemäss in der Schweiz gelebt haben (vgl. Art. 63 Abs. 2 AuG).
18
3.2. Liegt ein Widerrufsgrund vor, ist zu prüfen, ob die Massnahme verhältnismässig ist (Art. 5 Abs. 2 BV; vgl. auch Art. 96 Abs. 1 AuG). Dabei sind namentlich die Schwere des Verschuldens, der Grad der Integration sowie die dem Betroffenen drohenden Nachteile zu berücksichtigen (BGE 139 I 31 E. 2.3.1 S. 33, 16 E. 2.2.1 S. 19; 135 II 377 E. 4.3 S. 381). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind umso strengere Anforderungen an eine fremdenpolizeiliche Massnahme zu stellen, je länger eine ausländische Person in der Schweiz anwesend war. Die Niederlassungsbewilligung einer ausländischen Person, die sich schon seit langer Zeit hier aufhält, soll nur mit besonderer Zurückhaltung widerrufen werden; allerdings ist dies bei wiederholter bzw. schwerer Straffälligkeit selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn die betroffene Person hier geboren ist und ihr ganzes bisheriges Leben im Land verbracht hat (BGE 139 I 31 E. 2.3.1 S. 33 f.; 135 II 377 E. 4.3 S. 381; Urteile 2C_819/2013 vom 24. Januar 2014 E. 3.3; 2C_740/2013 vom 10. Januar 2014 E. 3.2).
19
3.3. Der Beschwerdeführer ist italienischer Staatsangehöriger; auf ihn findet das FZA (SR 0.142.112.681) Anwendung. Gemäss Art. 2 Abs. 2 AuG gilt das AuG für den Beschwerdeführer als Angehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft nur soweit, als das FZA keine abweichenden Bestimmungen enthält oder das AuG günstigere Bestimmungen vorsieht. Der Widerruf von Bewilligungen ist im FZA nicht geregelt; Art. 23 Abs. 2 der Verordnung vom 22. Mai 2002 über die Einführung des freien Personenverkehrs (VEP; SR 142.203) bestimmt, dass für den Widerruf der Niederlassungsbewilligung EU/EFTA Art. 63 AuG gilt. Ist einer der in Art. 63 AuG niedergelegten Widerrufsgründe erfüllt und ist die Massnahme verhältnismässig im Sinn von Art. 96 Abs. 1 AuG und Art. 8 Ziff. 2 EMRK, ist in einem nächsten Schritt zu prüfen, inwiefern das Freizügigkeitsabkommen zusätzliche Schranken auferlegt (vgl. Urteile 2C_236/2013 vom 19. August 2013 E. 4; 2C_221/2012 vom 19. Juni 2012 E. 3.2 mit Hinweis auf BGE 130 II 176 E. 3.2 S. 181).
20
 
Erwägung 4
 
4.1. Ausgangspunkt für das migrationsrechtliche Verschulden ist - im Fall des Widerrufsgrunds der längerfristigen Freiheitsstrafe nach Art. 62 lit. b AuG - die vom Strafgericht ausgesprochene Strafe (BGE 134 II 10 E. 4.2 S. 23; 129 II 215 E. 3.1 S. 216). In einem zweiten Schritt ist das deliktische Verhalten bis zum angefochtenen Urteil zu würdigen, wobei das Alter bei der jeweiligen Tatbegehung sowie die Art, Anzahl und Frequenz der Delikte zu berücksichtigen ist (Urteil 2C_28/2014 vom 21. Juli 2014 E. 6.3). Aus dieser Gesamtbetrachtung ergibt sich das migrationsrechtliche Verschulden.
21
4.2. Der Beschwerdeführer ist zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden, weil er am 3. und 5. April 2010 je einen Raubüberfall in Mittäterschaft verübt hat; das Bezirksgericht Bremgarten qualifizierte die Taten in seinem Urteil vom 9. Juni 2011 als bandenmässigen und gefährlichen Raub.
22
4.2.1. Am 3. April 2010 waren der Beschwerdeführer und sein Mittäter einem Mann zur Bahnhofstoilette gefolgt und hatten dort auf ihn gewartet. Als der Mann sich weigerte, Geld herauszugeben, versetzte ihm der Beschwerdeführer einen Fusstritt, worauf der Mittäter ihn mit einem 32 cm langen, massiven Doppelringschlüssel mit voller Wucht auf den Kopf schlug. Das Opfer fiel zu Boden, und der Beschwerdeführer und sein Mittäter nahmen ihm das Portemonnaie aus der Hosentasche. Sie liessen das blutende Opfer, welches eine Gehirnerschütterung, eine Schädelfraktur und eine Rissquetschwunde frontal rechtsseitig erlitt, zurück.
23
4.2.2. Diesem gravierenden Delikt, welches den Anlass des Widerrufsverfahrens bildete, waren zahlreiche Straftaten vorausgegangen. Sie folgten in kurzen Abständen aufeinander, wobei die Schwere der Taten zunahm. Mehrmals wurde der Beschwerdeführer während der Probezeit straffällig, und auch die ausländerrechtliche Verwarnung beeindruckte ihn nicht: Vier Wochen, nachdem ihm das Amt für Migration und Integration am 8. März 2010 das rechtliche Gehör betreffend Verwarnung gewährt hatte, beging er den bandenmässigen und gefährlichen Raub, ungeachtet der Stellungnahme vom 26. März 2010, welche er im Rahmen des rechtlichen Gehörs zur Verwarnung abgegeben hatte. Darin hatte er geäussert, er habe eingesehen, dass er etwas ändern müsse, und er hoffe, nach Verbüssung der 180 Tage dauernden Freiheitsstrafe nie mehr eine derartige Erfahrung machen zu müssen.
24
4.3. Auch nach Begehung des verfahrensauslösenden Delikts delinquierte der Beschwerdeführer weiter.
25
4.3.1. Beschimpfung, Strafbefehl vom 21. Juli 2011:
26
4.3.2. Einfache Körperverletzung, Strafbefehl vom 1. Dezember 2011:
27
4.4. Das migrationsrechtliche Verschulden des Beschwerdeführers wiegt schwer. Bereits das Strafmass von drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe für das verfahrensauslösende Delikt indiziert ein erhebliches Verschulden, liegt es doch weit über der Grenze von einem Jahr, welche für die Möglichkeit des Widerrufs massgeblich ist (vgl. E. 3.1). Sodann gehört bandenmässiger und gefährlicher Raub zu jenen "Gewaltdelikten", welche gemäss Art. 121 Abs. 3 lit. a BV ohne Rücksicht auf den ausländerrechtlichen Status zum Verlust des Aufenthaltsrechts führen sollen. Diese Bestimmung ist zwar gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht unmittelbar anwendbar (BGE 139 I 16 E. 4.3.2 S. 26), doch ist den darin enthaltenen verfassungsrechtlichen Wertungen bei der Auslegung des Gesetzes insoweit Rechnung zu tragen, als dies zu keinem Widerspruch zu übergeordnetem Recht führt (zur "praktischen Konkordanz" bei der Anwendung dieser Norm vgl. BGE 139 I 31 E. 2.3.2 S. 34, 145 E. 2.5 S. 150). Im Übrigen verfolgte das Bundesgericht bereits vor Inkrafttreten von Art. 121 Abs. 3-6 BV eine strenge ausländerrechtliche Praxis, wenn hohe Rechtsgüter wie die körperliche Integrität betroffen waren (vgl. BGE 122 II 433 E. 2c S. 436).
28
4.5. Mit Blick auf die Schwere und Anzahl der innerhalb von nur drei Jahren begangenen Straftaten ist das sicherheitspolizeiliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts als hoch einzuschätzen.
29
4.6. Das private Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in der Schweiz ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass er hier geboren und aufgewachsen ist. Er kennt sein Herkunftsland Italien nur von Ferienaufenthalten, weshalb eine Übersiedlung dorthin eine grosse Umstellung bedeuten würde. Indessen weist die Vorinstanz zu Recht darauf hin, dass Italien ein Nachbarstaat der Schweiz ist und keine unüberwindlichen kulturellen Schranken bestehen. Der Beschwerdeführer stammt von italienischen Eltern ab und spricht fliessend Italienisch. Sein Einwand, er beherrsche die Rechtschreibung und Grammatik nicht, ist nicht stichhaltig, da solche Lücken ohne weiteres geschlossen werden können. Das Gleiche gilt für das Vorbringen, die italienische Geographie, Geschichte oder Politik seien ihm fremd. Unbehelflich ist schliesslich das Vorbringen, er - der Beschwerdeführer - kenne die mit der italienischen Sprache zusammenhängende klassische Literatur und Kultur nicht, tut er doch nicht dar, dass dies in Bezug auf den deutschsprachigen Kulturkreis der Fall wäre.
30
4.7. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass das private Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in der Schweiz das grosse öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts nicht aufzuwiegen vermag. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung erweist sich als verhältnismässig.
31
 
Erwägung 5
 
5.1. Gemäss Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA dürfen die vom Freizügigkeitsabkommen gewährten Rechtsansprüche nur durch Massnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind, eingeschränkt werden (vgl. auch BGE 130 II 176 E. 3.1 S. 179 f. mit Hinweisen). In Art. 5 Abs. 2 Anhang I FZA wird auf die Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. L 56 vom 4. April 1964 S. 850, nachfolgend: RL 64/221/EWG) Bezug genommen. Die RL 64/221/EWG wurde durch die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (ABl. L 229 vom 29. Juni 2004 S. 35 ff., nachfolgend: RL 2004/38/EG) aufgehoben. Die entsprechenden unionsrechtlichen Vorgaben sind nun in Art. 27-33 RL 2004/38/EG niedergelegt.
32
5.2. Nach der an die Praxis des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) angeglichenen Rechtsprechung des Bundesgerichts setzen Entfernungs- oder Fernhaltemassnahmen eine hinreichend schwere und gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch die betreffende ausländische Person voraus. Eine strafrechtliche Verurteilung darf dabei nur insofern zum Anlass für eine derartige Massnahme genommen werden, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Art. 5 Anhang I FZA steht somit Massnahmen entgegen, die (allein) aus generalpräventiven Gründen verfügt werden (vgl. BGE 137 II 233 E. 4.3; 136 II 5 E. 4.2 S. 20; 130 II 176 E. 3.4 S. 182 ff.; 129 II 215 E. 7 S. 221 ff.; je mit Hinweisen). Während die Prognose über das künftige Wohlverhalten im Rahmen der Interessenabwägung nach rein nationalem Ausländerrecht zwar mitzuberücksichtigen, aber nicht ausschlaggebend ist, kommt es bei Art. 5 Anhang I FZA wesentlich auf das Rückfallrisiko an (BGE 136 II 5 E. 4.2 S. 20; 130 II 176 E. 4.2 S. 185 mit Hinweisen; ZÜND/ARQUINT, Beendigung der Anwesenheit, Entfernung und Fernhaltung, in: Uebersax und andere [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl. 2009, Rz. 8.40). Zu verlangen ist eine nach Art und Ausmass der möglichen Rechtsgüterverletzung zu differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die ausländische Person künftig die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören wird. Je schwerer die möglichen Rechtsgüterverletzungen sind, desto niedriger sind die Anforderungen an die in Kauf zu nehmende Rückfallgefahr (BGE 136 II 5 E. 4.2 S. 20 mit Hinweisen).
33
Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig."
34
5.3. Der Beschwerdeführer macht geltend, der Widerruf der Niederlassungsbewilligung halte vor Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA nicht stand. Es sei dafür - nebst weiteren Voraussetzungen - ein persönliches Verhalten der von der Massnahme betroffenen Person erforderlich. Ein solches liege nicht vor, weil er - der Beschwerdeführer - nicht selbst mit dem Doppelringschlüssel zugeschlagen habe.
35
5.4. Zu prüfen bleibt, ob die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit und Gesundheit aktuell und erheblich im Sinn der Rechtsprechung zu Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA ist, d.h. ob ein manifestes Rückfallrisiko besteht.
36
 
Erwägung 6
 
6.1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der unterliegende Beschwerdeführer gemäss Art. 66 Abs. 1 BGG grundsätzlich kostenpflichtig; er hat indessen um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht.
37
6.2. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). Die Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsvertreters beantragt der Beschwerdeführer nicht, sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege bezieht sich vielmehr nur auf die Verfahrenkosten.
38
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
4. 
 
Lausanne, 31. Oktober 2014
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Die Gerichtsschreiberin: Genner
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).