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Informationen zum Dokument  BGer 6B_360/2014  Materielle Begründung
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BGer 6B_360/2014 vom 30.10.2014
 
{T 0/2}
 
6B_360/2014
 
 
Urteil vom 30. Oktober 2014
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Bundesrichter Denys, Oberholzer, Rüedi,
 
Gerichtsschreiberin Siegenthaler.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Entschädigung der amtlichen Verteidigung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 13. März 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Strafbehörde legt im Endentscheid die Kosten- und Entschädigungsfolgen fest (Art. 421 Abs. 1 StPO; vgl. auch Art. 81 Abs. 4 lit. b, Art. 351 Abs. 1 StPO). Dazu zählen nicht nur die Entschädigungen für die private Rechtsvertretung, sondern auch die Auslagen für die amtliche Verteidigung und die unentgeltliche Verbeiständung. Während Erstere zu den Entschädigungsfolgen zählen, bilden Letztere Bestandteil der Verfahrenskosten (Art. 422 Abs. 2 lit. a StPO).
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1.2. Auch wenn über alle Entschädigungsfragen im gleichen Endentscheid zu befinden ist, sieht die Strafprozessordnung eine Gabelung des Rechtsmittelwegs und damit auch der Beurteilungsinstanzen vor.
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1.3. Die vom erstinstanzlichen Gericht zugesprochene Entschädigung für die private Rechtsvertretung ist mit Berufung anzufechten (Art. 398 Abs. 1 und 2 StPO; vgl. auch Art. 399 Abs. 4 lit. f StPO). Dazu legitimiert ist jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des Entscheids hat (Art. 382 Abs. 1 StPO), insbesondere auch die Staatsanwaltschaft (Art. 381 Abs. 1 StPO; siehe dazu BGE 139 IV 199 E. 2).
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1.4. Die amtliche Verteidigung und die unentgeltliche Rechtsverbeiständung der Privatklägerschaft zählen nicht zu den Verfahrensparteien (Art. 104 Abs. 1 StPO). Ihre Rechtsmittellegitimation hinsichtlich der Festsetzung des Honorars ergibt sich nicht aus Art. 382 StPO, sondern aus der besonderen Regelung in Art. 135 Abs. 3 StPO. Sie können (und müssen) gegen den erstinstanzlichen Entschädigungsentscheid in ihrer Eigenschaft als Verfahrensbeteiligte in eigenem Namen strafprozessuale Beschwerde führen (vgl. BGE 139 IV 199 E. 5.2).
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1.5. Je nach der prozessualen Stellung des Rechtsmitteleinlegers sind auf kantonaler Ebene sowohl Berufungsgericht wie auch Beschwerdeinstanz gehalten, in zweiter Instanz über die Festsetzung der Entschädigung durch das erstinstanzliche Gericht zu befinden.
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1.6. Die unterschiedlichen Rechtsmittelwege und Rechtsmittelinstanzen führen zu unterschiedlichen Anfechtungsmöglichkeiten vor Bundesgericht. Erstinstanzliche Entscheide des Bundesstrafgerichts und letztinstanzliche kantonale Entscheide über die Festsetzung der Entschädigung für die private Rechtsvertretung unterliegen der Beschwerde in Strafsachen (Art. 78 Abs. 1 BGG). Das Gleiche gilt für Entscheide der kantonalen Beschwerdeinstanz und des Berufungsgerichts, soweit sie im Rechtsmittelverfahren die Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung für das erstinstanzliche Verfahren festsetzen. Demgegenüber ist die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 79 Abs. 1 BGG nicht zulässig, wenn das Bundesstrafgericht über die von der Beschwerdeinstanz oder dem Berufungsgericht im kantonalen Rechtsmittelverfahren originär zugesprochene Entschädigung entscheidet (vgl. Urteil 6B_647/2012 vom 10. Dezember 2012 E. 1). Wird mit Entscheid einer kantonalen Beschwerdeinstanz oder des Berufungsgerichts die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistands sowohl für das erstinstanzliche wie auch für das zweitinstanzliche Verfahren festgesetzt und werden ausschliesslich diese beiden Punkte angefochten, rechtfertigt sich ein einheitlicher Rechtsweg. Diesfalls ist das Bundesstrafgericht alleinige Rechtsmittelinstanz (vgl. Urteil 6B_985/2013 vom 19. Juni 2014 E. 1.2).
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1.7. Der Wortlaut von Art. 135 Abs. 3 StPO ist klar und lässt keinen Interpretationsspielraum offen. Gegen den erstinstanzlichen Entschädigungsentscheid kann die unentgeltliche Rechtsverbeiständung Beschwerde bei der (kantonalen) Beschwerdeinstanz erheben. Richtet sich die Beschwerde gegen die in einem kantonalen Rechtsmittelverfahren zugesprochene Entschädigung, ist das Bundesstrafgericht zuständig (Urteil 6B_647/2012 vom 10. Dezember 2012 E. 1; vgl. NIKLAUS RUCKSTUHL, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2014, N. 19 zu Art. 135 StPO).
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Erwägung 2
 
2.1. Die Beschwerdeführerin machte im erstinstanzlichen Verfahren einen Aufwand von 75.77 Stunden zu Fr. 180.-- geltend. Die Vorinstanz sprach ihr ein Honorar zu, welches auf einem Aufwand von 64.77 Stunden beruht. Die Vorinstanz erachtet den in Rechnung gestellten Aufwand in Berücksichtigung des weder besonders umfangreichen noch komplexen Verfahrens als "vergleichsweise hoch", dies auch in Relation zur Entschädigung des allerdings erst später beigezogenen amtlichen Verteidigers, der 40 Stunden in Rechnung stellte. Die Vorinstanz kürzte die Positionen "Aktenstudium" bzw. "Brief an Klientin/Gericht/Beistand/Soziale Dienste" um 3 Stunden, "Beweiseingaben samt Studium/Stellungnahme zum Gutachten" um 6 Stunden sowie "Verhandlungsvorbereitung" um 2 Stunden.
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2.2. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den von der Vorinstanz gezogenen Quervergleich mit der Kostennote des Verteidigers und betont die Komplexität des Verfahrens. Die von der Vorinstanz vorgenommenen Kürzungen seien nicht berechtigt.
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Erwägung 3
 
3.1. Die unentgeltliche Rechtsvertretung wird nach dem Anwaltstarif des Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde (Art. 135 Abs. 1 i.V.m. Art. 138 Abs. 1 StPO). Massgebend für die Festsetzung der Entschädigung ist der Gebührentarif des Kantons Solothurn vom 24. Oktober 1979 (BGS SO 615.11) und damit kantonales Recht (vgl. Urteil 6B_647/2012 vom 10. Dezember 2012 E. 2.1).
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3.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft die bei ihm angefochtenen Entscheide aber grundsätzlich nur auf Rechtsverletzungen hin, die von den Beschwerdeführern geltend gemacht und begründet werden (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Anwendung kantonalen Rechts ist von der Überprüfung durch das Bundesgericht ausgenommen. Sie kann nur gerügt werden, wenn geltend gemacht wird, sie verletze gleichzeitig das Willkürverbot von Art. 9 BV (BGE 138 I 225 E. 3.1).
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3.3. Sowohl der Beizug eines Rechtsbeistands als auch der von diesem betriebene Aufwand müssen sich als angemessen erweisen (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1329 Ziff. 2.10.3.1). Es ist in erster Linie Aufgabe der Strafbehörden, die Angemessenheit anwaltlicher Bemühungen zu beurteilen, wobei sie über ein beträchtliches Ermessen verfügen (BGE 138 IV 197 E. 2.3.6). Das Bundesgericht schreitet nur ein, wenn der Ermessensspielraum klarerweise überschritten wurde und die Festsetzung des Honorars ausserhalb jeden vernünftigen Verhältnisses zu den vom Anwalt geleisteten Diensten steht (Urteil 6B_951/2013 vom 27. März 2014 E. 4.2 mit Hinweisen) oder Bemühungen nicht honoriert wurden, die zweifelsfrei zu den Obliegenheiten einer Rechtsvertretung gehören (BGE 118 Ia 133 E. 2d). Der zu entschädigende Aufwand muss in einem vernünftigen Verhältnis zur erbrachten Leistung stehen (Urteil 6B_799/2007 vom 19. Juni 2008 E. 3.3.3). Nicht zu entschädigen sind nutzlose, überflüssige und verfahrensfremde Aufwendungen (BGE 117 Ia 22 E. 4b). Erscheint der getätigte Aufwand in Anbetracht der sich im Strafverfahren stellenden Probleme offensichtlich unverhältnismässig, ist ein Vergleich mit dem anwaltlichen Aufwand anderer Verfahrensbeteiligter zulässig (Urteil 6B_528/2010 vom 16. September 2010 E. 2.5).
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3.4. Was die Beschwerdeführerin in Bezug auf die Bemessung der Entschädigung vorbringt (ein Quervergleich mit dem Honorar für die amtliche Verteidigung sei nicht zulässig; es sei fraglich, ob das am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligte Obergericht beurteilen könne, welche Aufwendungen notwendig waren; die vorgenommenen Kürzungen seien nicht nachvollziehbar; es gehöre zu den Obliegenheiten eines Rechtsbeistands, Korrespondenzen durchzusehen und weiterzuleiten; die Kontakte mit dem Beistand oder den Sozialbehörden seien erforderlich gewesen; ohne ein ausführliches Aktenstudium sei es nicht möglich, Beweisanträge zu stellen; eine Kürzung lasse sich in keiner Weise rechtfertigen), erschöpft sich in appellatorischen Ausführungen, ohne dass dabei die Verletzung eines verfassungsmässigen Rechts - namentlich die willkürliche Anwendung des kantonalen Rechts - gerügt wird.
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3.5. Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Bei diesem Verfahrensausgang trägt die Beschwerdeführerin die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 30. Oktober 2014
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Die Gerichtsschreiberin: Siegenthaler
 
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