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Informationen zum Dokument  BGer 5A_97/2014  Materielle Begründung
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BGer 5A_97/2014 vom 23.10.2014
 
{T 0/2}
 
5A_97/2014
 
 
Urteil vom 23. Oktober 2014
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
 
Bundesrichter Marazzi, Schöbi,
 
Gerichtsschreiber Möckli.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Werner Marti,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
1. Y.________,
 
2. Z.________,
 
beide vertreten durch Rechtsanwältin Ursina Bacchi-Hartmann,
 
Beschwerdegegnerinnen.
 
Gegenstand
 
Herabsetzung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
 
des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 19. Dezember 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Der am 15. Januar 2006 verstorbene A.________ hinterliess als gesetzliche Erben die beiden Töchter aus erster Ehe Y.________ und Z.________ sowie die zweite Ehefrau X.________.
1
B. Am 20. Februar 2007 reichten Y.________ und Z.________ gegen X.________ eine mit einem Leistungsbegehren verbundene erbrechtliche Herabsetzungsklage ein. Insbesondere stellten sie verschiedene Auskunftsbegehren und verlangten die Herabsetzung der Zuwendungen unter Lebenden um mutmasslich Fr. 5'488'064.-- nebst Zins zu 5 % seit 15. Januar 2006 auf das erlaubte Mass, unter Vorbehalt der Anpassung des Rechtsbegehrens je nach den gestützt auf die Auskunftsbegehren erhaltenen Informationen. Replicando modifizierten sie ihre Rechtsbegehren zusammengefasst dahingehend, dass vorfrageweise ihre Pflichtteile von je 3/16 festzustellen und die lebzeitigen Zuwendungen herabzusetzen seien, soweit dies zur Wahrung der Pflichtteile erforderlich sei, indem der Teilungswert des Gesamtnachlasses unter Hinzurechnung der ausgleichungspflichtigen oder der Herabsetzung unterliegenden Zuwendungen festzustellen und der zulässige Maximalwert der Begünstigung festzustellen sei; eventualiter sei von einem Herabsetzungsbetrag von Fr. 9'595'492.-- auszugehen.
2
C. Aufgrund des Vorbringens von X.________, wonach zufolge offensichtlicher Überschuldung der Erbschaft die Ausschlagung durch die beiden Töchter zu vermuten sei und diese nicht innert Frist die Annahme erklärt hätten, weshalb sie nicht zur Erhebung der Herabsetzungsklage legitimiert seien, beschränkte das Bezirksgericht Uster das Verfahren im Wesentlichen auf die Frage der Erbenstellung der beiden Töchter. Mit Urteil vom 25. Juni 2009 stellte es fest, dass diese Erbinnen mit einem Pflichtteilsanspruch von je 3/16 seien, und verpflichtete X.________ zur Erteilung gewisser Auskünfte.
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D. Nach Erteilung der befohlenen Auskunft durch X.________ sowie nach Substanziierung der Klage und Durchführung eines Beweisverfahrens fällte das Bezirksgericht am 25. September 2012 das Endurteil, mit welchem es die Zuwendungen unter Lebenden an X.________ um Fr. 4'826'541.20 herabsetzte und diese verpflichtete, den beiden Töchtern aus erster Ehe je Fr. 2'413'270.60 nebst Zins von 5 % seit 21. Februar 2007 zu bezahlen.
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E. Gegen dieses Urteil hat X.________ am 31. Januar 2014 eine Beschwerde eingereicht, mit welcher sie dessen Aufhebung und eventualiter die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung verlangt. Mit Präsidialverfügung vom 20. Februar 2014 wurde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung erteilt. In der Sache selbst wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
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Erwägungen:
 
1. Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Endentscheid in einer vermögensrechtlichen Zivilsache mit Fr. 30'000.-- übersteigendem Streitwert (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist zulässig. Die im obergerichtlichen Zwischenentscheid vom 25. Mai 2010 beurteilte Frage der Erbenstellung der Beschwerdegegnerinnen kann mitangefochten werden.
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2. Umstritten ist zunächst die im kantonalen Verfahren mit Zwischenentscheid beurteilte Frage der Erbenstellung der Beschwerdegegnerinnen. Es geht um den Tatbestand von Art. 566 Abs. 2 ZGB, wonach die Ausschlagung vermutet wird, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes offenkundig gewesen wäre.
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2.1. Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass der Nachlass zum fraglichen Zeitpunkt in einem Millionenbetrag überschuldet war. Die Beschwerdegegnerinnen haben sich stets auf den Standpunkt gestellt, dies nicht gewusst zu haben. Die Beschwerdeführerin ist beweispflichtig für die Offensichtlichkeit der Zahlungsunfähigkeit bzw. das Wissen der Beschwerdegegnerinnen.
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2.2. In Bezug auf die Offensichtlichkeit hat das Obergericht festgehalten, dass der Erblasser weder sozialhilfeabhängig gewesen sei noch Betreibungen gehabt habe. Vielmehr habe er ein repräsentatives Einfamilienhaus bewohnt und sei alleiniger Inhaber der Aktien der C.________ AG im Wert von mindestens 2,5 Mio. Fr. gewesen. Die Umstände hätten für Aussenstehende auf wohlhabende Verhältnisse schliessen lassen. Die Behauptung der Beschwerdegegnerinnen, erst nach dem Tod des Erblassers von dem bei der B.________ AG aufgenommenen Darlehen von über 4 Mio. Fr. erfahren zu haben, sei erstinstanzlich unbestritten geblieben, weshalb die erst im Berufungsverfahren erhobene gegenteilige Behauptung der Beschwerdeführerin verspätet sei; dass die Beschwerdegegnerinnen theoretisch die Möglichkeit gehabt hätten, sich vorher Kenntnis über das Darlehen zu verschaffen, reiche im Übrigen nicht aus. Was sodann die Übertragung von 76 Aktien an dieser Firma an die Beschwerdeführerin anbelange, sei die Kenntnis erstinstanzlich umstritten gewesen; es gebe jedoch keine Beweise, dass die Beschwerdegegnerinnen bereits im Todeszeitpunkt gewusst hätten, dass die Übertragung unentgeltlich erfolgt sei, denn erstmals im Schreiben vom 21. März 2006 sei nachweislich von der Schenkung die Rede.
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2.3. Mit Bezug auf die obergerichtlichen Tatsachenfeststellungen bringt die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht keine Willkürrügen vor. Im Übrigen wären ihre Ausführungen auch inhaltlich nicht geeignet, eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung aufzuzeigen. So legt sie nicht dar, dass und an welcher Stelle sie den Verweis auf die Bücher der B.________ AG, in welchen das Darlehen figuriere, prozesskonform bereits im kantonalen Verfahren eingeführt hätte; im Übrigen wäre auch aufzuzeigen, dass die Beschwerdegegnerinnen tatsächlich Einsicht in die Bücher genommen hatten. Soweit die Beschwerdeführerin hierfür ein Memorandum vom 31. März 2006 anführt, handelt es sich - abgesehen vom fehlenden Nachweis des prozesskonformen Vorbringens im kantonalen Verfahren - um ein nach dem Tod des Erblassers erstelltes Dokument. Gleiches gilt für die schenkungshalber übertragenen 76 Namenaktien der B.________ AG. Die Beschwerdeführerin verweist als Beleg, wonach die Beschwerdegegnerinnen von der Unentgeltlichkeit der Übertragung gewusst hätten, auf das obergerichtlich erwähnte Schreiben vom 21. März 2006. Dieses ist, wie das Obergericht festgehalten hat, ebenfalls nach dem Tod des Erblassers verfasst worden und deshalb nicht geeignet, eine Kenntnis im Zeitpunkt des Todestages aufzuzeigen. Das Obergericht wäre auch diesbezüglich nicht in Willkür verfallen, soweit überhaupt eine taugliche Willkürrüge erhoben worden wäre.
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3. Die Beschwerdeführerin geht von einer Ausgleichungspflicht im Sinn von Art. 626 ZGB aus und erachtet die Herabsetzungsklage deshalb als unzulässig.
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3.1. Das Obergericht hat erwogen, dass eine Ausgleichungspflicht im Sinn von Art. 626 Abs. 1 ZGB vom Willen des Erblassers abhänge, die Zuwendung auf Anrechnung an den Erbteil des Begünstigten auszurichten. Dass ein solcher Wille vorgelegen habe, sei eine im Berufungsverfahren neu behauptete und damit unzulässige Tatsache, weil die Beschwerdeführerin nicht darlege, inwiefern sie dies nicht schon vor erster Instanz hätte behaupten können. Im Übrigen würde ein solcher Wille weder im Schenkungsvertrag vom 30. Oktober 2004 zum Ausdruck kommen noch sich aus den Umständen ergeben, so dass der Beweis ohnehin nicht erbracht wäre.
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3.2. Mit Bezug auf Art. 626 Abs. 1 ZGB stellt die Beschwerdeführerin folgende Behauptungen auf: Indem der Erblasser die Beschwerdegegnerinnen mit Testament vom 8. Oktober 2003 auf den Pflichtteil gesetzt habe, seien alle Tatfragen beantwortet. In rechtlicher Hinsicht habe der Erblasser die mit dem Schenkungsvertrag vom 30. Oktober 2004 an die Ehefrau übertragenen 76 Namenaktien gar nicht von der Ausgleichungspflicht mehr ausnehmen können, weil er sonst in den Pflichtteil der Beschwerdegegnerinnen eingegriffen hätte. Das habe er aber nicht gewollt, denn das testamentarische Setzen der Töchter auf den Pflichtteil beweise gleichzeitig, dass der Erblasser den Beschwerdeführerinnen den Pflichtteil auch tatsächlich habe zukommen lassen wollen; allfällige gegenteilige Annahmen des Obergerichtes wären somit aktenwidrig.
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4. Was die Herabsetzung selbst angeht, behauptete die Beschwerdeführerin vor Obergericht, die mit Ehe- und Erbvertrag vom 24. Januar 1975 zwischen ihr und dem Erblasser vereinbarte Gütertrennung sei zufolge fehlender damaliger Genehmigung durch die Vormundschaftsbehörde nichtig und sie hätten deshalb der Errungenschaftsbeteiligung unterstanden, weshalb sich eine andere Berechnung ergebe. Das Obergericht erachtete dies als neue und damit zufolge fehlender Entschuldigungsgründe im Berufungsverfahren verspätete Tatsachenbehauptung.
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5. Eine Verletzung von Bundesrecht erblickt die Beschwerdeführerin schliesslich darin, dass die Zinsen ab Klageeinleitung und nicht ab Rechtskraft des Herabsetzungsurteils festgesetzt worden seien. Indes stützt sich das Obergericht auf die betreffende bundesgerichtliche Rechtsprechung zu der mit einem Leistungsanspruch verbundenen Herabsetzungsklage, wonach der Verzug nicht schon mit der auf den Todestag zurückbezogenen Gestaltungswirkung der Herabsetzung, sondern zufolge der obligatorischen Natur des Leistungsanspruches erst mit der Klageeinleitung einsetzt (BGE 115 II 211 E. 4 S. 212). Dass der Verzug mit der Klageeinleitung eintritt und ab diesem Zeitpunkt Verzugszinsen geschuldet sind, entspricht im Übrigen auch der herrschenden Lehre ( HRUBESCH-MILLAUER, Erbrecht, Handkommentar, 2. Aufl., Zürich 2012, N. 11 Vorbem. zu Art. 522 ff. ZGB; TUOR/ SCHNYDER/RUMO-JUNGO, Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 13. Aufl., Zürich 2009, § 68 Rz. 41; BRÜCKNER/WEIBEL, Die erbrechtlichen Klagen, 3. Aufl., Zürich 2012, S. 52 Fn. 202; anders FORNI/PIATTI, a.a.O., N. 15 vor Art. 522-533 ZGB). Eine Bundesrechtswidrigkeit liegt nicht vor.
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6. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten wird. Die Gerichtskosten sind folglich der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Vernehmlassungen wurden nur in Bezug auf die Frage der aufschiebenden Wirkung eingeholt und diesbezüglich wurde nicht im Sinn des auf Abweisung schliessenden Begehrens der Beschwerdegegnerinnen entschieden, weshalb die Beschwerdeführerin keine Parteientschädigungen auszurichten hat.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 20'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, und dem Bezirksgericht Uster schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 23. Oktober 2014
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: von Werdt
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli
 
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