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Informationen zum Dokument  BGer 5A_372/2014  Materielle Begründung
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BGer 5A_372/2014 vom 23.10.2014
 
{T 0/2}
 
5A_372/2014
 
 
Urteil vom 23. Oktober 2014
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
 
Bundesrichterin Escher,
 
Bundesrichter Herrmann, Schöbi, Bovey,
 
Gerichtsschreiber Zingg.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Peter,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Z.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin
 
Barbara Haas-Helfenstein,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Aberkennungsklage (Unterhaltsvereinbarung),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 12. März 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Am 14. Mai 2007 leitete Z.________ gegen X.________ ein Eheschutzverfahren ein. Am 5./6. Juli 2007 schlossen die Parteien einen Unterhaltsvertrag ab, worauf das Eheschutzverfahren mit Entscheid vom 9. Juli 2007 als erledigt erklärt wurde. In Ziff. 1 der Vereinbarung verpflichtete sich X.________, seiner Ehefrau ab 1. März 2007 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 13'000.-- zu bezahlen. Am 8. Januar 2009 reichte Z.________ die Scheidungsklage ein.
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B. Mit Klage vom 5. März 2012 beantragte X.________ beim Bezirksgericht Luzern die Feststellung, dass er den gegen ihn in Betreibung gesetzten Betrag nicht schulde. Die provisorische Rechtsöffnung sei aufzuheben. Mit Urteil vom 24. Mai 2013 wies das Bezirksgericht die Klage ab.
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C. Dagegen erhob X.________ am 1. Juli 2013 Berufung an das Kantonsgericht Luzern. Er verlangte die Aufhebung des bezirksgerichtlichen Urteils und die Gutheissung seiner Aberkennungsklage. Allenfalls sei die Sache an das Bezirksgericht zurückzuweisen. Mit Urteil vom 12. März 2014 wies das Kantonsgericht die Klage ab.
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D. Am 5. Mai 2014 hat X.________ (Beschwerdeführer) Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht erhoben. Er verlangt die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Urteils und die Gutheissung der Aberkennungsklage. Allenfalls sei die Sache an das Kantonsgericht zurückzuweisen. Zudem ersucht er um aufschiebende Wirkung.
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Erwägungen:
 
1. Die Beschwerde in Zivilsachen ist grundsätzlich zulässig (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75, Art. 76, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. a BGG). Auf einzelne Eintretensfragen ist im Sachzusammenhang einzugehen.
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2. Umstritten ist, ob die Unterhaltsvereinbarung vom 5./6. Juli 2007 den Beschwerdeführer nach wie vor zu Unterhaltszahlungen verpflichtet.
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2.1. Die Unterhaltsvereinbarung vom 5./6. Juli 2007 findet sich in einem Schreiben des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers an die Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin. Nach einleitenden Worten folgt das "Vergleichsangebot mit den nachfolgend erwähnten Bedingungen" und den folgenden, massgeblichen Passagen:
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2.2. Der Beschwerdeführer nennt verschiedene Gründe, die nach seiner Ansicht für ein Dahinfallen der Vereinbarung sprechen. Zunächst geht er davon aus, die Unterhaltsvereinbarung sei von vornherein bedingt bzw. befristet gewesen. Ihr Zweck habe darin bestanden, aussergerichtliche bzw. güterrechtliche Verhandlungen zu ermöglichen, so dass die Vereinbarung mit deren Scheitern hinfällig geworden sei. Jedenfalls sei sie aber mit seiner Pensionierung dahingefallen (unten E. 2.4). Sodann gelte eine solche Vereinbarung ohnehin nur auf Zusehen hin und es liege nicht an ihm, die Abänderung zu verlangen (unten E. 2.5). Schliesslich ergebe sich aus dem nachträglichen Verhalten der Beschwerdegegnerin nicht nur, dass die Vereinbarung von vornherein bedingt gewesen sei, sondern auch, dass er zumindest auf ihr stillschweigendes Einverständnis habe schliessen dürfen, die Vereinbarung aufzuheben (unten E. 2.6).
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2.3. Gemäss Art. 18 Abs. 1 OR bestimmt sich der Inhalt des Vertrags nach dem übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien. Die empirische oder subjektive hat gegenüber der normativen oder objektivierten Vertragsauslegung den Vorrang. Wenn der übereinstimmende wirkliche Willen der Parteien unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärungen auszugehen, welche jedoch nicht isoliert, sondern aus ihrem konkreten Sinngefüge heraus zu beurteilen sind. Demnach ist der vom Erklärenden verfolgte Regelungszweck, wie ihn der Erklärungsempfänger in guten Treuen verstehen durfte und musste, massgebend (BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666 mit Hinweisen).
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2.4. Das Kantonsgericht hat keinen übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien festgestellt, dass sie die Bindungswirkung der Vereinbarung hätten beschränken wollen. Dies wird vom Beschwerdeführer nicht substantiiert bestritten (vgl. auch unten E. 2.6). Er wendet sich jedoch gegen die durch das Kantonsgericht vorgenommene Ausle-gung nach dem Vertrauensprinzip und macht unter anderem geltend, die Zahlungsverpflichtung stehe unter der Bedingung, dass aussergerichtliche und güterrechtliche Verhandlungen weitergeführt würden.
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2.5. Der Beschwerdeführer geht ausserdem davon aus, dass aussergerichtliche Unterhaltsvereinbarungen "nur auf Zusehen hin" abgeschlossen würden (unter Hinweis auf HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, 1999, N. 5b zu Art. 176 ZGB; HAUSHEER/GEISER/AEBI-MÜLLER, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, 4. Aufl. 2010, Rz. 09.65). Daraus folge ein Widerrufsrecht einer Vertragspartei, wenn sie mit der Vereinbarung nicht mehr einverstanden sei. Das Bundesgericht hat jedoch bereits im vorangegangenen Urteil 5A_436/2012 vom 24. September 2012 E. 2.4 ausgeführt, der zitierten Lehrmeinung könne nicht entnommen werden, dass die Vereinbarung unverbindlich bzw. einseitig widerrufbar sei. Wie die Vorinstanz ausserdem zu Recht ausgeführt hat, bedeutet die Wendung der Gültigkeit "auf Zusehen hin" bloss, dass jeder Ehegatte, der mit der Vereinbarung nicht mehr einverstanden ist, an den Eheschutz- oder gegebenenfalls den Scheidungsrichter gelangen kann und der Richter bei der Neuregelung des Getrenntlebens nicht an die frühere Vereinbarung gebunden ist (vgl. ROLF VETTERLI, in: FamKomm, Scheidung, 2005, N. 12 f. zu Art. 175 ZGB; JANN SIX, Eheschutz, 2. Aufl. 2014, Rz. 1.15, 3.02, 5.17; BÜHLER/SPÜHLER, Berner Kommentar, 3. Aufl. 1980, N. 431 zu aArt. 145 ZGB; SPÜHLER/FREI-MAURER, Berner Kommentar, Ergänzungsband, 1991, N. 34 zu aArt. 145 ZGB; BRÄM/HASENBÖHLER, Zürcher Kommentar, 1998, N. 9 ff. zu Art. 176 ZGB; ANNETTE SPYCHER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 14 zu Art. 273 ZPO). Diese Abänderung oder Aufhebung kann jedoch nicht auf dem Wege der Aberkennungsklage geschehen. Da der Beschwerdeführer mit der geltenden Unterhaltsvereinbarung nicht mehr einverstanden ist, liegt es an ihm, eine Regelung durch das Gericht zu verlangen, sofern die Beschwerdegegnerin nicht zu einer aussergerichtlichen Lösung Hand bietet.
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2.6. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz schliesslich vor, die Bedeutung zweier Schreiben und des Verhaltens der Beschwerdegegnerin verkannt zu haben. Er habe der Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 24. Juni 2008 mitgeteilt, dass die Unterhaltsbeiträge mit dem Eintritt ins Pensionsalter neu ausgehandelt werden müssten. Mit Schreiben vom 15. Februar 2010 habe er ihr die Einstellung der Unterhaltszahlungen infolge Pensionierung angezeigt. In seiner Stellungnahme vom 12. April 2010 (offenbar im Scheidungsverfahren) habe er schliesslich dargelegt, dass die Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen nach Eintritt des Vorsorgefalles unmöglich sei. Auf die Einstellung der Zahlungen habe die Beschwerdegegnerin während rund eineinhalb Jahren nicht reagiert. Dies sei völlig unüblich, reagiere sie sonst doch sofort auf sein Verhalten, gelange an seinen Rechtsvertreter und verlange etwa superprovisorische Massnahmen. Sowohl sein wie auch ihr nachträgliches Parteiverhalten (Schreiben, Einstellung der Zahlungen, fehlende Opposition) untermauerten den anfänglichen Willen der Parteien, dass die Unterhaltsvereinbarung in ihrer Wirkung zeitlich begrenzt sei.
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2.7. Die Beschwerde ist damit abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann.
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3. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 23. Oktober 2014
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: von Werdt
 
Der Gerichtsschreiber: Zingg
 
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