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Informationen zum Dokument  BGer 5A_527/2014  Materielle Begründung
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BGer 5A_527/2014 vom 21.10.2014
 
{T 0/2}
 
5A_527/2014
 
 
Urteil vom 21. Oktober 2014
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
 
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Schöbi, Bovey,
 
Gerichtsschreiber von Roten.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. A.A.________,
 
2. B.A.________,
 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Albert Romero,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Stockwerkeigentümergemeinschaft, E.________, handelnd durch die Verwaltung WEWAG Immobilien AG,
 
vertreten durch Fürsprecher Dr. Daniel Kunz,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Anfechtung von Beschlüssen der Stockwerkeigentümerversammlung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 22. Mai 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
1. Bewilligung/Genehmigung des Einbaus eines zentralen Warmwasserboilers im mittleren Keller (Heizungsraum) der Liegenschaft E.________.
1
2. Bewilligung/Genehmigung des Anschlusses des zentralen Warmwasserboilers im mittleren Keller (Heizungsraum) an die Oelheizungszentrale der Liegenschaft E.________ mit separater Erfassung des Energiebezuges.
2
3. Beschluss: Der Warmwasserboiler und der Anschluss an die Heizzentrale sind im gemeinschaftlichen Eigentum.
3
Beim Anschluss weiterer Stockwerkeinheiten an die bestehende zentrale Warmwasseraufbereitungsanlage in der Liegenschaft E.________ hat sich der betreffende Stockwerkeigentümer einzukaufen (Anlageinvestition) und an den Unterhalts- und Erneuerungskosten einen Beitrag gemäss Eigentumsquote zu leisten.
4
Alle drei Anträge wurden mit den Stimmen der Ehegatten C.________ gegen die Stimme der Beschwerdeführer angenommen.
5
 
D.
 
 
E.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Anfechtung von Beschlüssen der Stockwerkeigentümerver-sammlung ist grundsätzlich eine vermögensrechtliche Angelegenheit, insbesondere in einem Fall wie dem vorliegenden, wo es um bauliche Massnahmen in gemeinschaftlichen Teilen des Stockwerkeigentums geht. Die Beschwerdeführer als Kläger halten den Einbau des Boilers für widerrechtlich und fordern dessen Entfernung aus dem Heizungs-/Waschküchenraum und die Versetzung des Boilers in einen den Ehegatten C.________ zu Sonderrecht ausgeschiedenen Teil des Wohnhauses. Die streitigen Rechte haben einen Geldwert, der geschätzt werden kann. Auf den Anfechtungsgrund (angebliche Missachtung von Quorumsvorschriften und Vetorecht, behauptete Verletzung des Reglements, Vorwurf des Rechtsmissbrauchs) kann es dabei nicht ankommen (BGE 108 II 77 E. 1b S. 79 f.). Streitwertbestimmend ist in der Regel das Interesse der beklagten Stockwerkeigentümergemeinschaft als Gesamtes und nicht dasjenige der Beschwerdeführer als klagenden Stockwerkeigentümer (Urteil 5A_386/2009 vom 31. Juli 2009 E. 5.1, in: SZZP 2010 S. 4).
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1.2. Der Streitwert bestimmt sich hier nach den Klagebegehren, die bis vor Obergericht unverändert streitig geblieben sind (Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG). Lautet das Begehren auf Aufhebung von Beschlüssen der Stockwerkeigentümerversammlung und damit nicht auf Bezahlung einer bestimmten Geldsumme, so setzt das Bundesgericht den Streitwert - wie bis anhin von Amtes wegen (Art. 36 Abs. 2 OG) - nach Ermessen fest (Art. 51 Abs. 2 BGG). Allerdings ist es nicht die Aufgabe des Bundesgerichts eigene Abklärungen anzustellen, wenn der Streitwert nicht ohne Weiteres aus den Feststellungen im angefochtenen Entscheid oder aus den Verfahrensakten hervorgeht. Die Beschwerdeführer haben nähere Angaben zu machen, die den Streitwert einfach zu schätzen gestatten. Das Bundesgericht ist dabei weder an die Schätzung der Beschwerdeführer noch an übereinstimmende Angaben der Parteien noch an eine offensichtlich unrichtige Schätzung des Obergerichts gebunden (BGE 136 III 60 E. 1.1.1 S. 62; Urteil 5A_729/2009 vom 26. März 2010 E. 1.1.1, nicht veröffentlicht in BGE 136 III 174, wohl aber in SZZP 2010 S. 297 f., betreffend Anfechtung von Beschlüssen der Stockwerkeigentümerver-sammlung).
7
1.3. Das Obergericht hat festgestellt, die bezirksgerichtliche Schätzung des Streitwertes auf Fr. 30'000.-- sei unangefochten geblieben (E. IV S. 16 des angefochtenen Urteils). Das Bezirksgericht ist davon ausgegangen, mangels Einigung der Parteien an der Hauptverhandlung sei der Streitwert zu schätzen und auf Fr. 30'000.-- festzusetzen, zumal für die Installation des Zentralboilers im Heizungs-/Waschküchenraum die Beschwerdeführer eine Entschädigung von Fr. 30'000.-- bis Fr. 40'000.-- gefordert und die Ehegatten C.________ Fr. 10'000.-- angeboten hätten (E. V S. 16 des bezirksgerichtlichen Urteils). Im Einzelnen ergibt sich dazu Folgendes:
8
1.3.1. In ihrer Klage haben die Beschwerdeführer dargelegt, es gehe um eine vermögensrechtliche Streitigkeit mit einem Streitwert von unter Fr. 30'000.-- (S. 3 Ziff. 3, act. 1 der bezirksgerichtlichen Akten).
9
1.3.2. Mit Verfügung vom 12. September 2012 hat das Bezirksgericht die Beschwerdeführer aufgefordert, sich zum Streitwert näher zu äussern, ergebe sich doch aus dem Protokoll zur ausserordentlichen Versammlung vom 8. Mai 2012, dass sich die Beschwerdeführer für den eigenmächtigen Einbau eines Boilers im Heizraum eine Entschädigung nicht unter Fr. 30'000.-- bis Fr. 40'000.-- vorstellten (E. 2 S. 2, act. 7 der bezirksgerichtlichen Akten).
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1.3.3. In ihrer Stellungnahme haben die Beschwerdeführer erklärt, der den angefochtenen Beschlüssen zugrunde liegende Streitwert habe nichts mit den in der Versammlung vom 8. Mai 2012 zwischen der Partei C.________ und ihnen geführten Diskussionen über eine Lösung zu tun. Sie hätten diese mehrmals aufgefordert, den Boiler aus dem Heiz-/Waschraum zu entfernen. Stattdessen hätten die Ehegatten C.________ durch die Verwaltung eine ausserordentliche Versammlung einberufen und den Einbau genehmigen lassen. Enttäuscht über dieses Verhalten hätten sie auf Anfrage der Ehegatten C.________ nach der Höhe einer Entschädigungssumme den Betrag zwischen Fr. 30'000.-- und Fr. 40'000.-- genannt. Es habe sich dabei um eine Vergleichslösung gehandelt, die mit den effektiven Umständen gar nichts zu tun habe. Die Ehegatten C.________ hätten diesen Betrag denn auch als massiv zu hoch erklärt und für die in Anspruch genommenen 2 m² Fr. 10'000.-- offeriert. Als sie selber den Betrag von Fr. 30'000.-- bis Fr. 40'000.-- geäussert hätten, sei es ihnen weniger um den Wert der Streitsache gegangen, sondern vielmehr auch um eine Entschädigung für die erlittene Unbill, weil die Ehegatten C.________ einmal mehr ohne Rücksicht auf sie, namentlich ohne Einberufung einer Stockwerkeigentümerversammlung sich Rechte angeeignet hätten, die ihnen nicht zustünden. Da dies wiederkehrend der Fall sei, seien sie nicht bereit gewesen, sich bloss mit der effektiven, im Verhältnis stehenden Entschädigung zufrieden zu geben. Mit dem Betrag von Fr. 30'000.-- bis Fr. 40'000.-- hätten sie keineswegs zum Ausdruck gegeben, dass der Streitwert im Verhältnis zu den hier zur Diskussion stehenden Beschlüssen stehe (Schreiben vom 24. September 2012, act. 9 der bezirksgerichtlichen Akten).
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1.4. Die Darlegungen der Beschwerdeführer zum Streitwert überzeugen. Auch in dessen Schätzung ist der objektive Wert zu ermitteln (vgl. BGE 94 II 51 E. 2 S. 54). Auf persönliche Befindlichkeiten bei der Suche nach einer gütlichen Beilegung des Streits vor Anhebung eines Gerichtsverfahrens kann deshalb nicht abgestellt werden. Auszugehen ist nicht von Äusserungen, die in einer spannungsgeladenen Versammlung der Stockwerkeigentümer gefallen sind, sondern zunächst von der Angabe des Streitwertes in der (vereinfachten) Klage (Art. 244 Abs. 1 lit. d ZPO), wonach der Streitwert "unter Fr. 30'000.--" liegt. Diese Angabe, die die Beschwerdeführer in ihrem späteren Schreiben an das Gericht bekräftigt haben, ist zwar nicht schlechtweg bindend, wenn das Begehren auf etwas anderes als Geld geht, erscheint aber als plausibel. Denn zum einen geht es in der Sache um ein Versetzen des Boilers aus dem gemeinschaftlichen Heizungs-/Waschküchenraum in einen benachbarten, im Sonderrecht der Ehegatten C.________ stehenden Kellerraum und damit um Kosten, die gemäss Sanitär unwidersprochen rund Fr. 3'500.-- betragen dürften (S. 2, act. 4/11 der bezirksgerichtlichen Akten). Zum anderen darf auf die Streitwertangabe in der Klage umso eher abgestellt werden, als sie in der Regel noch unbeeinflusst von Überlegungen zur Zulässigkeit allfälliger Bundesrechtsmittel erfolgt. Die stets anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer waren sich des Umfangs der auf dem Spiele stehenden geldwerten Interessen von Beginn an bewusst und können sich im Nachhinein nicht auf die höhere, für sie heute günstige Streitwertangabe im angefochtenen Urteil (Art. 112 Abs. 1 lit. d BGG) berufen (vgl. BGE 137 III 424 E. 2.4 S. 428 f.). Der gesetzliche Mindeststreitwert wird somit nicht erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Da auch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG) nicht geltend gemacht wird (Art. 42 Abs. 2 BGG), erweist sich die Beschwerde in Zivilsachen als unzulässig.
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1.5. Ist die Beschwerde in Zivilsachen unzulässig, kann die Eingabe als Verfassungsbeschwerde entgegengenommen werden, soweit deren Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 113 ff. BGG; BGE 133 II 396 E. 3.1 S. 399). Zu Recht hat das Obergericht in seiner Rechtsmittelbelehrung auch auf die Verfassungsbeschwerde hingewiesen. Das angefochtene Urteil ist kantonal letztinstanzlich (Art. 114 BGG), lautet zum Nachteil der Beschwerdeführer (Art. 115 BGG) und schliesst das kantonale Verfahren ab (Art. 90 i.V.m. Art. 117 BGG). Gerügt werden kann die Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 116 BGG). Das Bundesgericht wendet dabei das Recht nicht von Amtes wegen an, sondern prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 BGG; BGE 134 V 138 E. 2.1 S. 143; 136 I 332 E. 2.1 S. 334; 137 II 305 E. 3.3 S. 310/311).
13
 
Erwägung 2
 
 
Erwägung 3
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegengenommen.
 
2. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 21. Oktober 2014
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: von Werdt
 
Der Gerichtsschreiber: von Roten
 
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