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Informationen zum Dokument  BGer 5A_435/2014  Materielle Begründung
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BGer 5A_435/2014 vom 21.10.2014
 
{T 0/2}
 
5A_435/2014
 
 
Urteil vom 21. Oktober 2014
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Schöbi,
 
Gerichtsschreiber V. Monn.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Betreibungsamt L.________,
 
Kantonsgericht Zug, Arrestrichter,
 
B.________,
 
Gegenstand
 
Nichtigkeit der Betreibung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 6. Mai 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.________, der seinen Wohnsitz im Vereinigten Königreich hat, B.________ und D.________ bilden die Erbengemeinschaft im Nachlass der am 30. Juni 2011 verstorbenen E.________ mit letztem Wohnsitz in L.________. Am 24. Mai 2013 erliess der Einzelrichter am Kantonsgericht Zug auf Begehren von B.________ für eine Forderung von Fr. 50'106.-- einen Arrestbefehl an das Betreibungsamt L.________, mit dem der Liquidationsanteil von A.________ an der unverteilten Erbschaft bis zur Höhe der Arrestforderung nebst Zins und Kosten arrestiert wurde (Verfahren EA 2013 16). Nachdem B.________ in Prosequierung des Arrests das Betreibungsbegehren gestellt hatte, stellte das Betreibungsamt L.________ in der Betreibung Nr. xxx am 4. Juni 2013 den Zahlungsbefehl aus. Nach Eingang des Fortsetzungsbegehrens der Gläubigerin erliess das Betreibungsamt L.________ am 28. Januar 2014 die Pfändungsankündigung.
1
 
B.
 
Am 19. April 2014 reichte A.________ beim Obergericht des Kantons Zug als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs eine Beschwerde ein und stellte sinngemäss den Antrag festzustellen, dass die Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamts L.________ und der Arrest zufolge örtlicher Unzuständigkeit des Betreibungsamts bzw. des Arrestrichters nichtig seien. Demgemäss seien die entsprechenden Einträge im Betreibungsregister zu löschen. Mit Urteil vom 6. Mai 2014 wies das Obergericht des Kantons Zug die Beschwerde ab und auferlegte A.________ Verfahrenskosten von Fr. 600.--.
2
 
C.
 
C.a. A.________ (Beschwerdeführer) gelangt am 23. Mai 2014 mit Beschwerde an das Bundesgericht. In der Sache stellt er folgende Begehren:
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C.b. Am 17. Juli 2014 hat das präsidierende Mitglied der II. zivilrechtlichen Abteilung der Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung erteilt und festgehalten, dass über das am gleichen Tag eingegangene Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege später entschieden wird.
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C.c. Das Bundesgericht hat am 30. Juli 2014 beim Obergericht des Kantons Zug, beim Kantonsgericht Zug, beim Betreibungsamt L.________ und bei B.________ Vernehmlassungen eingeholt. Mit Schreiben vom 7. August 2014 beantragt das Obergericht, die Beschwerde abzuweisen. Im Übrigen verzichtet das Obergericht auf eine Vernehmlassung und verweist auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid. Auch das Kantonsgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung, erlaubt sich aber die Anmerkung, dass die Rechtslage bezüglich der örtlichen Zuständigkeit nicht klar sei. Namentlich sei dem Unterzeichnenden das bundesgerichtliche Urteil 5A_628/2012 vom 29. Januar 2013 beim Erlass des Arrestbefehls noch nicht bekannt gewesen. Im Übrigen legte das Kantonsgericht seiner Vernehmlassung Kopien des Arrestgesuchs vom 23. Mai 2013 und des Arrestbefehls vom 24. Mai 2013 bei. Das Betreibungsamt L.________ hält in seiner Vernehmlassung vom 6. August 2014 fest, dass es örtlich und sachlich für den Arrest und die Pfändung zuständig sei und die Arrest- und Betreibungsurkunden korrekt zugestellt worden seien. Weshalb der Arrest Nr. zzz und die Betreibung Nr. xxx nichtig sein sollten, sei nicht nachvollziehbar. Nicht vernehmen liess sich B.________.
5
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
 
Erwägung 3
 
3.1. In rechtlicher Hinsicht stellt sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt, dass sämtliche gegen ihn gerichteten Betreibungshandlungen im Anschluss an den Entscheid des Arrestrichters vom 24. Mai 2013 nichtig sind. Namentlich gelte dies für den am 4. Juni 2013 vom Betreibungsamt L.________ ausgestellten Zahlungsbefehl Nr. xxx (s. Sachverhalt Bst. A).
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3.2. Der Beschwerdeführer hat, was von keiner Seite bestritten wird, seinen Wohnsitz im Ausland. Mit Bezug auf Liquidationsanteile von Schuldnern, die im Ausland wohnhaft sind, hat das Bundesgericht schon in BGE 118 III 62 E. 2 S. 66 erkannt, dass die Erbengemeinschaft im Verhältnis zum Erben nicht als Drittschuldnerin zu betrachten ist und Art. 49 SchKG keine Anwendung findet. Zusammen mit weiteren Gründen hat dies in BGE 118 III 62 dazu geführt, dass in der Schweiz kein Ort zur Verfügung stand, um den Liquidationsanteil an einer unverteilten Erbschaft des im Ausland wohnhaften Schuldners zu arrestieren. In einem nicht amtlich veröffentlichten Urteil hat das Bundesgericht klargestellt, dass es weder auf den letzten Wohnsitz des Erblassers noch auf die Belegenheit des Erbschaftsvermögens ankommt, sondern nach dem klaren Wortlaut von Art. 2 VVAG auf den Wohnort des Schuldners (Urteil B.96/1996 vom 29. Mai 1996 E. 2 und 3). Im Einklang mit dieser Rechtsprechung erkennt das Bundesgericht in seinem neueren Urteil 5A_628/2012 vom 29. Januar 2013 E. 3.1.2, dass es vor der Verfassung standhalte, den Arrest auf dem Liquidationsanspruch eines Erben mit Wohnsitz im Ausland auch dann zu verweigern, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in der Schweiz hatte. Warum die geschilderte Praxis im vorliegenden Fall keine Anwendung finden soll, lässt sich dem angefochtenen Entscheid nicht entnehmen. Mithin fehlte es in örtlicher Hinsicht in der Tat an den erforderlichen Voraussetzungen für den am 24. Mai 2013 ausgestellten Arrestbefehl.
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3.3. Gemäss Art. 275 SchKG gelten für den Vollzug des Arrests die Art. 91-109 SchKG über die Pfändung sinngemäss. Grundsätzlich steht es dem Betreibungsamt nicht zu, die Grundlagen eines Arrestbefehls nachzuprüfen. Anderseits darf es auch nicht jeden Arrestbefehl, den ihm die Arrestbehörde erteilte, ohne weiteres vollziehen. So ist ein Arrestbefehl zum Beispiel dann nicht zu vollziehen oder von Amtes wegen aufzuheben, wenn dieser sich gegen einen Schuldner richtet, der im Zeitpunkt des Arrestentscheids bereits verstorben ist (BGE 120 III 39 E. 1 S. 40). Ebenso scheidet der Vollzug des Arrestbefehls aus, wenn der zu arrestierende Vermögenswert nicht im Amtskreis des mit dem Vollzug beauftragten Betreibungsamts liegt (BGE 112 III 117 E. 2 mit weiteren Hinweisen). Der vorliegende Fall verdient die gleiche Behandlung. Gestützt auf die in E. 3.2 erwähnte Rechtsprechung war der Liquidationsanteil an der unverteilten Erbschaft nicht im Amtskreis des Betreibungsamts L.________, sondern am Wohnsitz des Beschwerdeführers im Vereinigten Königreich gelegen. Entsprechend durfte das Betreibungsamt L.________ den Arrestbefehl vom 24. Mai 2013 nicht vollziehen. Die darauf gestützten Betreibungshandlungen erweisen sich als nichtig (Art. 22 SchKG).
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Erwägung 4
 
 
Erwägung 5
 
 
Erwägung 6
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
4. 
 
Lausanne, 21. Oktober 2014
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: von Werdt
 
Der Gerichtsschreiber: V. Monn
 
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