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Informationen zum Dokument  BGer 5A_719/2013  Materielle Begründung
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BGer 5A_719/2013 vom 17.10.2014
 
{T 0/2}
 
5A_719/2013
 
 
Urteil vom 17. Oktober 2014
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
 
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Schöbi, nebenamtlicher Bundesrichter Th. Geiser,
 
Gerichtsschreiber Möckli.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Advokatin Dr. Sabine Aeschlimann,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Y.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Michel,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Besuchsrecht,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 26. August 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
A. X.________ und Y.________ sind die nicht miteinander verheirateten Eltern der Zwillinge A.________ und B.________, geboren 2000, und von C.________, geboren 2001. Die Kinder stehen unter der elterlichen Sorge der Mutter.
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B. Mit Beschluss vom 1. Februar 2011 sistierte die Sozialbehörde D.________ auf Antrag der Beiständin das Besuchsrecht des Vaters gegenüber allen drei Kindern für die Dauer der Begutachtung. Eine gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde des Vaters hiess der Bezirksrat E.________ am 23. März 2011 gut; er hob die Sistierung des Besuchsrechts auf und wies die Sozialbehörde D.________ an, nach Anhörung der Eltern sowie der drei Kinder den Umfang und die Modalitäten des Besuchsrechts zu regeln, unter Festsetzung eines vorläufigen Besuchsrechts bis zu diesem Entscheid. Eine dagegen erhobene Berufung der Mutter wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 24. Juni 2011 ab.
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C. Nachdem der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst des Kantons Zürich am 25. November 2011 das von der Sozialbehörde in Auftrag gegebene Gutachten und der Beistand am 19. April 2012 einen Zwischenbericht erstattet hatten, beschloss die Sozialbehörde D.________ am 24. April 2012, dass die Beistandschaft aufrecht erhalten bleibe, unter Bestätigung des bisherigen Beistandes in seinem Amt; sodann beliess sie die Kinder in der Obhut der Mutter, unter Bestätigung des Besuchsrechts des Vaters.
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D. Dagegen hat X.________ am 27. September 2013 eine Beschwerde in Zivilsachen eingereicht mit dem Begehren, es sei ihm an jedem zweiten Wochenende pro Monat ein Besuchsrecht mit seinen drei Söhnen von Freitag, Schulschluss, bis Sonntag, 18 Uhr, sowie ein Ferienrecht von zwei Wochen pro Jahr einzuräumen. Mit Stempel vom 22. Mai 2014 verzichtete das Obergericht auf eine Vernehmlassung. Die Beschwerdegegnerin schloss in ihrer Vernehmlassung vom 26. Mai 2014 auf Abweisung der Beschwerde.
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Erwägungen:
 
1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über das Besuchsrecht des Vaters und damit über eine nicht vermögensrechtliche Zivilsache; die Beschwerde in Zivilsachen ist zulässig (Art. 72 Abs. 1, Art. 75 Abs. 2 und Art. 90 BGG).
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2. Das Obergericht hat die Verweigerung der Festlegung eines Besuchs- und Ferienrechts in erster Linie mit dem bei der Anhörung geäusserten Willen der Kinder begründet. Es hat deren Aussagen wie folgt zusammengefasst:
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3. In prozessualer Hinsicht wirft der Beschwerdeführer dem Obergericht vor, die Untersuchungsmaxime gemäss Art. 296 ZPO verletzt zu haben, indem es nicht durch eine Fachperson habe abklären lassen, ob der an der Anhörung geäusserte dem wirklichen Willen der Kinder entspreche, und es auch nicht abgeklärt habe, ob das Wohl der Kinder durch die Streitigkeiten zwischen den Eltern tatsächlich in einem Ausmass gefährdet sei, welches die Verweigerung des persönlichen Verkehrs rechtfertige; ferner sei nicht abgeklärt worden, ob der vollständige Besuchsrechtsentzug mit dem Kindeswohl vereinbar sei bzw. ob nicht mildere Massnahmen angezeigt wären. Das Obergericht hätte diesbezüglich von Amtes wegen ein Fachgutachten einholen müssen.
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4. Zu prüfen ist sodann die Rechtsfrage der Ausgestaltung des Besuchs- und Ferienrechts.
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4.1. Diese Frage wird in Art. 273 ff. ZGB geregelt. Soweit am Schluss der Beschwerde pauschal eine Verletzung von "Art. 13 f. BV und Art. 8 ff. EMRK" angerufen wird, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, inwiefern die Regelung von Art. 273 ff. ZGB mit dem übergeordneten Verfassungsrecht unvereinbar wäre bzw. sich aus diesen abstrakten Normen weitergehende Ansprüche als aus der konkretisierenden Gesetzesregelung ableiten liessen. Mangels Substanziierung der Verfassungsrügen kann auf diese nicht eingegangen werden (vgl. E. 1).
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4.2. Gemäss Art. 273 Abs. 1 ZGB haben Eltern, denen die elterliche Sorge oder Obhut nicht zusteht, und das unmündige Kind gegenseitig Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr. Dabei handelt es sich um ein gegenseitiges Pflichtrecht, wobei es in erster Linie dem Interesse des Kindes dient und oberste Richtschnur für seine Ausgestaltung das Kindeswohl ist, welches anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen ist (BGE 122 III 229 E. 3a/bb S. 232 f.; 122 III 404 E. 3b S. 406 f.; 131 III 209 E. 5 S. 212).
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4.3. Der aus Art. 273 Abs. 1 ZGB fliessende Anspruch kann gestützt auf Art. 274 Abs. 2 ZGB verweigert oder entzogen werden, wenn das Wohl des Kindes durch den persönlichen Verkehr gefährdet wird, wenn ihn der betreffende Elternteil pflichtwidrig ausgeübt hat, wenn sich dieser nicht ernsthaft um das Kind gekümmert hat oder wenn andere wichtige Gründe vorliegen. Eine Gefährdung des Wohls des Kindes im genannten Sinn liegt dann vor, wenn dessen ungestörte körperliche, seelische oder sittliche Entfaltung durch ein auch nur begrenztes Zusammensein mit dem nicht obhutsberechtigten Elternteil bedroht ist (BGE 122 III 404 E. 3b S. 407; Urteile 5C.293/2005 vom 6. April 2006 E. 3; 5A_505/2013 vom 20. August 2013 E. 2.3).
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4.4. Was die Weigerung des Kindes anbelangt, so kann diese mit einer der drei in Art. 274 Abs. 2 ZGB aufgeführten Fallkonstellationen zusammenhängen oder aber gegebenenfalls selbständig unter die "anderen wichtigen Gründe" subsumiert werden.
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4.5. Vor dem Hintergrund der kantonalen Sachverhaltsfeststellungen kann im vorliegenden Fall keine Rede davon sein, dass das Kindeswohl ernsthaft gefährdet wäre, wenn in einem gewissen Umfang ein persönlicher Kontakt zwischen dem Vater und den drei Knaben stattfinden würde; solches wird denn auch weder von der Mutter noch von den Kindern geltend gemacht. Diese haben zwar bei der Befragung teilweise auf "die bisherige Geschichte" bzw. auf die permanenten Streitigkeiten zwischen den Eltern rund um das Besuchsrecht verwiesen, welche alle drei Knaben satt haben. Ein Junge äussert sich auch negativ zum in seinen Augen veränderten Aussehen und zu einzelnen Charakterzügen des Vaters. Wie aus den im angefochtenen Entscheid wiedergegebenen Anhörungsprotokollen hervorgeht, scheint aber für alle drei Knaben im Vordergrund zu stehen, dass das Besuchsrecht die ungehinderte Ausübung ihrer Hobbys, insbesondere den Fussball, aber auch Discobesuche und Kollegentreffs beeinträchtigen könnte. Sodann fällt auf, dass sich letztlich alle drei Kinder nicht in grundsätzlicher Weise gegen persönlichen Verkehr stellen. Sie möchten einfach nicht ganze Wochenenden beim Vater verbringen und insbesondere stellen sie sich gegen eine fixe Regelung; sie wünschen sich Besuche nach persönlicher Lust und Laune sowie Vereinbarkeit mit ihren ausserschulischen Aktivitäten.
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4.6. Aufgrund des Gesagten sind für die konkrete Ausgestaltung des persönlichen Verkehrs verschiedene bundesrechtskonforme Lösungen denkbar. Was im vorliegend zu beurteilenden Einzelfall als sachgerecht erscheint, kann die Vorinstanz aufgrund ihrer grösseren Sachnähe besser abschätzen, zumal sie persönliche Anhörungen durchgeführt hat. Vor diesem Hintergrund scheint es zweckmässig, die Sache zur Bestimmung des Umfangs und der Modalitäten des persönlichen Verkehrs an das Obergericht zurückzuweisen. Dabei wird sich das Obergericht nicht nur zum Besuchsrecht, sondern aufgrund der diesbezüglichen Begehren des Beschwerdeführers auch zu einem allfälligen Ferienrecht ausdrücklich zu äussern haben.
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5. Abschliessend rügt der Beschwerdeführer, es sei widersprüchlich, wenn das Obergericht in seinem Beschluss festhalte, die Dispositivziffern 4.2 bis 4.4 des Beschlusses des Bezirksrates vom 24. Oktober 2012 seien rechtskräftig und vollstreckbar, es aber in seinem anschliessenden Urteil genau diese Dispositivziffern aufhebe.
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6. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde dahingehend gutzuheissen ist, dass das Urteil des Obergerichts Zürich vom 26. August 2013 aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinn der Erwägungen an das Obergericht zurückzuweisen ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. In dahingehender Gutheissung der Beschwerde wird das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 26. August 2013 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinn der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt.
 
3. Jede Partei trägt ihre eigenen Parteikosten.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 17. Oktober 2014
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: von Werdt
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli
 
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