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Informationen zum Dokument  BGer 6B_592/2014  Materielle Begründung
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BGer 6B_592/2014 vom 25.09.2014
 
{T 0/2}
 
6B_592/2014
 
 
Urteil vom 25. September 2014
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
 
Gerichtsschreiberin Andres.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Mord, Strafzumessung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 4. März 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Das Kantonsgericht St. Gallen verurteilte X.________ zweitinstanzlich wegen Mordes, mehrfacher Drohung, mehrfacher Nötigung und einfacher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 19 Jahren.
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B. X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben, und er sei wegen vorsätzlicher Tötung anstatt Mordes schuldig zu sprechen. Er sei zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren zu verurteilen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die rechtliche Würdigung seiner Tat als Mord. Gemäss dem forensisch-psychiatrischen Gutachten habe er sich aufgrund seiner ethisch-kulturellen Hintergründe in einer schweren Konfliktsituation befunden, weshalb sein Beweggrund nicht besonders skrupellos gewesen sei. Indem die Vorinstanz diesen Umstand vernachlässige, verletze sie das Willkürverbot und Art. 9 sowie 14 EMRK.
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1.2. Die Vorinstanz erwägt zusammengefasst, der Beschwerdeführer sei besonders verwerflich vorgegangen. Er habe seine ahnungs- und wehrlose Ehefrau hinterrücks überfahren. Um sicher zu gehen, dass sie sterben würde, habe er mit dem Radmutternschlüssel mehrfach kräftig auf ihren Kopf eingeschlagen, als sie regungs- und wehrlos am Boden lag. Indem er den seiner Ehefrau zu Hilfe eilenden Zeugen bedroht habe, habe er die Unbeirrbarkeit und Beharrlichkeit offenbart, mit der er die Tötung angestrebt habe. Insgesamt zeuge die Tat von ausserordentlicher Brutalität und Kaltblütigkeit. Er habe besonders grausam und skrupellos gehandelt (Urteil S. 13 ff.).
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1.3. Eine vorsätzliche Tötung ist als Mord zu qualifizieren, wenn der Täter besonders skrupellos handelt, namentlich wenn sein Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung besonders verwerflich sind (Art. 112 StGB). Mord zeichnet sich nach der Rechtsprechung durch eine aussergewöhnlich krasse Missachtung fremden Lebens bei der Durchsetzung eigener Absichten aus. Es geht um die besonders verwerfliche Auslöschung eines Menschenlebens. Für die Qualifikation verweist das Gesetz in nicht abschliessender Aufzählung auf äussere (Ausführung) und innere Merkmale (Beweggrund, Zweck). Diese müssen nicht alle erfüllt sein, um Mord anzunehmen. Entscheidend ist eine Gesamtwürdigung der äusseren und inneren Umstände der Tat. Eine besondere Skrupellosigkeit kann beispielsweise entfallen, wenn das Tatmotiv einfühlbar und nicht krass egoistisch war, so etwa wenn die Tat durch eine schwere Konfliktsituation ausgelöst wurde. Für Mord typische Fälle sind die Tötung eines Menschen zum Zwecke des Raubes, Tötungen aus religiösem oder politischem Fanatismus oder aus Geringschätzung (BGE 127 IV 10 E. 1a S. 13 f. mit Hinweisen).
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Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft sog. innere Tatsachen und ist somit Tatfrage (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4 mit Hinweis). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist (BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 mit Hinweisen; zum Begriff der Willkür BGE 139 III 334 E. 3.2.5 S. 339; 138 I 49 E. 7.1 S. 51; je mit Hinweisen) oder wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge muss klar vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 225 E. 3.2 S. 228 mit Hinweisen). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445; 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5; je mit Hinweisen).
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1.4. Indem der Beschwerdeführer einwendet, aufgrund seiner ethisch-kulturellen Hintergründe habe er sich in einer schweren Konfliktsituation befunden, weicht er von der Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz ab. Was er vorbringt, erschöpft sich weitestgehend in appellatorischer Kritik. So setzt er sich mit den vorinstanzlichen Ausführungen nicht auseinander, wonach der mögliche fremdkulturelle Hintergrund der Tat unbeachtlich sei. Ferner legt er weder dar, worin die Konfliktsituation bestehen sollte, noch begründet er, weshalb dadurch die besondere Skrupellosigkeit entfallen könnte. Der blosse Hinweis, die Vorinstanz verfalle in Willkür und verletze Art. 9 und 14 EMRK, indem sie die Ausführungen der Sachverständigen und seine schwere Konfliktsituation nicht berücksichtige, genügt den Begründungsanforderungen nicht. Darauf ist nicht einzutreten.
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1.5. Im Übrigen ist die Beschwerde unbe gründet. Nicht jede Konfliktsituation lässt die besondere Skrupellosigkeit im Sinne von Art. 112 StGB entfallen (Urteil 6B_734/2012 vom 3. April 2012 E. 7.3). Das Bundesgericht hat in BGE 127 IV 10 einlässlich dargelegt, inwiefern kulturell geprägte Verhaltensmuster für die Mordqualifikation eine Rolle spielen können (E. 1d S. 17). Darauf kann verwiesen werden. Vorliegend vermag der kulturelle Hintergrund nichts dazu beizutragen, die Tat zu erhellen und ein tatbezogenes Persönlichkeitsbild zu vermitteln. Insbesondere verkennt der Beschwerdeführer, dass die Gutachter zum Schluss gelangten, der Kanun (albanisches Gewohnheitsrecht) habe wahrscheinlich nur eine Alibifunktion gehabt; es sei dem Beschwerdeführer nicht primär darum gegangen, dessen Regeln einzuhalten (Gutachten S. 62, kantonale Akten, act. P/23).
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2. Der Beschwerdeführer kritisiert die Strafzumessung. Die Vorinstanz verletze das Doppelverwertungsverbot, indem sie die mordqualifizierenden Merkmale beim Tatverschulden erneut berücksichtige.
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Das Doppelverwertungsverbot bedeutet, dass Umstände, die zur Anwendung eines höheren oder tieferen Strafrahmens führen, innerhalb des geänderten Strafrahmens nicht noch einmal als Straferhöhungs- oder Strafminderungsgrund berücksichtigt werden dürfen. Sonst würde dem Täter der gleiche Umstand zweimal zur Last gelegt oder zugutegehalten. Indes ist es dem Gericht nicht verwehrt, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, in welchem Ausmass ein qualifizierender oder privilegierender Tatumstand gegeben ist. Das Gericht verfeinert damit nur die Wertung, die der Gesetzgeber mit der Festsetzung des Strafrahmens vorgezeichnet hat (BGE 120 IV 67 E. 2b S. 72 mit Hinweis).
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3. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, den Kindern des Opfers und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 25. September 2014
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres
 
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