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Informationen zum Dokument  BGer 6B_150/2014  Materielle Begründung
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BGer 6B_150/2014 vom 23.09.2014
 
{T 0/2}
 
6B_150/2014
 
 
Urteil vom 23. September 2014
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Bundesrichter Rüedi,
 
Gerichtsschreiberin Andres.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Advokat Alain Joset,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft Basel- Landschaft, Erste Staatsanwältin, Grenzacherstrasse 8, 4132 Muttenz,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Verfahrenseinstellung, Verfahrenskosten und Entschädigung; Willkür, Unschuldsvermutung,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, vom 26. November 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
D.
 
 
E.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 426 und 430 StPO sowie Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK. Die Vorinstanz verstosse gegen die Unschuldsvermutung, indem sie ihm indirekt vorwerfe, er habe seine Forderung, dass seine damalige Ehefrau mit den Kindern nach Hause komme, mit dem Hervornehmen eines Messers unterstrichen. Er habe seine frühere Ehefrau nicht bedroht, als er das Messer auf den Tisch gelegt habe. Eine Drohung mit dem Küchenmesser dürfe ihm - auch in zivilrechtlicher Hinsicht - nicht angelastet werden. Das ihm vorgeworfene Verhalten sei nur geeignet, die Persönlichkeit eines Menschen zu verletzen, wenn es von diesem als bedrohlich empfunden werden müsse respektive direkt mit einer Drohung verbunden sei. Da ihm weder ein straf- noch zivilrechtlich vorwerfbares Verhalten nachgewiesen werden könne, sei die Kostenauflage und die Verweigerung von Entschädigung sowie Genugtuung bundes- und völkerrechtswidrig. Ferner verletze die Vorinstanz seinen Anspruch auf rechtliches Gehör, indem sie sich zu seinem Eventualantrag nicht äussere, ihm sei nur ein Teil der Kosten aufzuerlegen und er sei teilweise zu entschädigen.
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1.2. Die Einstellung des Verfahrens gestützt auf Art. 55a StGB hat in der Regel eine Kostenauflage zu Lasten des Staates zur Folge (vgl. Art. 423 Abs. 1 StPO). Von dieser Regelung kann abgewichen werden, wenn das strafbare Verhalten des Täters bewiesen ist, was namentlich der Fall ist, wenn dieser geständig ist (Urteil 6B_835/2009 vom 21. Dezember 2009 E. 4.3 mit Hinweisen, in: Pra 2010 Nr. 48 S. 351). Ansonsten können der beschuldigten Person die Verfahrenskosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig oder schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat (Art. 426 Abs. 2 StPO). Unter den gleichen Voraussetzungen kann gemäss Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO eine Entschädigung oder Genugtuung herabgesetzt oder verweigert werden.
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1.3. Die Vorinstanz erwägt, es sei unbestritten respektive aufgrund der Aussagen nachgewiesen, dass der Beschwerdeführer seine damalige Ehefrau mit den Kindern wieder nach Hause holen wollte. Diese weigerte sich, woraufhin er ein Messer auf den Wohnzimmertisch legte. Die frühere Ehefrau bekam Angst und fühlte sich bedroht. Ob der Beschwerdeführer sie auch verbal oder unmittelbar mit dem Küchenmesser bedrohte, sei in zivilrechtlicher Hinsicht irrelevant und könne offenbleiben. Indem er seine Forderung, sie solle mit den Kindern nach Hause kommen, mit dem blossen Vorzeigen eines immerhin 30 cm langen Messers unterstrichen habe, habe er ihr einen riesigen Schrecken eingejagt. Er habe die psychische Gesundheit seiner damaligen Ehefrau derart beeinträchtigt, dass sie nach dem Vorfall einige Tage in einer psychiatrischen Klinik habe verbringen müssen. Ihre Strafanzeige und das Strafverfahren seien alleine auf sein sozialinadäquates und persönlichkeitsverletzendes Verhalten zurückzuführen. Die Voraussetzungen von Art. 426 Abs. 2 und Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO seien erfüllt (Beschluss S. 10 f. E. 5.1 und 5.3).
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1.4. Die Vorinstanz stützt die Kostenauflage auf den Sachverhalt, der Gegenstand des eingestellten Strafverfahrens war. Dieser ist jedoch weder unbestritten, eingestanden noch klar nachgewiesen. Sie legt die wesentlichen Aussagen der Beteiligten dar und erachtet gestützt darauf als erwiesen, dass die damalige Ehefrau des Beschwerdeführers Angst bekam und die Polizei alarmierte, weil er ein Messer auf den Tisch gelegt hatte. Indes ist nicht erstellt, dass ihre Angst direkte Folge des Verhaltens des Beschwerdeführers war. So deuten die Aussagen des gemeinsamen Sohnes, des Beschwerdeführers und der Schwägerin darauf hin, dass die einstige Ehefrau durch das Verhalten ihres Vaters verängstigt wurde (Beschluss S. 7 ff. E. 3.3 ff.). Jedenfalls ist der Zusammenhang nicht klar nachgewiesen. Ferner lässt die Begründung der Vorinstanz darauf schliessen, dass sie dem Beschwerdeführer unterstellt, er habe seine damalige Ehefrau implizit bedroht, indem er seine Forderung mit dem Ablegen des Messers verbunden habe. Dies bestreitet der Beschwerdeführer. Indem die Vorinstanz ihren Kostenentscheid auf denselben Sachverhalt stützt, der eingestellt wurde, zeigt sie ihre strafrechtliche Missbilligung und verletzt damit die Unschuldsvermutung nach Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK.
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Erwägung 2
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 26. November 2013 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird als gegenstandslos abgeschrieben.
 
3. Es werden keine Kosten erhoben.
 
4. Der Kanton Basel-Landschaft hat dem Vertreter des Beschwerdeführers eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten.
 
5. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 23. September 2014
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres
 
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