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Informationen zum Dokument  BGer 2C_1054/2013  Materielle Begründung
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BGer 2C_1054/2013 vom 20.09.2014
 
{T 0/2}
 
2C_1054/2013
 
 
Urteil vom 20. September 2014
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Seiler, Stadelmann,
 
Gerichtsschreiber Klopfenstein.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________ AG, Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Heer,
 
gegen
 
Gemeinde B.________, Gemeinderat,
 
Spezialverwaltungsgericht des Kantons Aargau, Kausalabgaben und Enteignungen, vormals "Schätzungskommission nach Baugesetz".
 
Gegenstand
 
Anschlussgebühren (Wasser und Abwasser),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 3. Kammer, vom 16. September 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Am 8. September 2008 erteilte der Gemeinderat B.________ der A.________ AG die Baubewilligung für den Bau eines Technischen Zentrums auf den Parzellen Nr. xxx und yyy in der Gemeinde B.________. Mit dem Bau des Zentrums wurde im Oktober 2009 begonnen und der Betrieb der Anlage wurde im April 2011 aufgenommen.
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A.b. Mit Beschluss vom 16. März 2010 verfügte der Gemeinderat B.________ gestützt auf das anwendbare kommunale Reglement (unten E.4.1) - jeweils inklusive Mehrwertsteuer - Wasseranschlussgebühren in der Höhe von Fr. 66'359.80, Abwasseranschlussgebühren in der Höhe von Fr. 223'345.85 und eine Anschlussgebühr für die Elektrizitätsversorgung in der Höhe von Fr. 19'368.-- (insgesamt Fr. 309'073.65). Eine von der A.________ AG gegen die Wasseranschluss- und Abwasseranschlussgebühren erhobene Einsprache wies der Gemeinderat am 15. Juni 2010 ab.
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B.
 
 
C.
 
 
D.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG) eines oberen Gerichts (Art. 86 Abs. 2 BGG) über eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG), welche unter keinen der in Art. 83 BGG genannten Ausschlussgründe fällt, weshalb die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist. Die Beschwerdeführerin ist als Gebührenpflichtige hierzu legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG).
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1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann namentlich die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) grundsätzlich nur die geltend gemachten Rechtswidrigkeiten (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Soweit die Vorinstanz - wie hier - kantonales Recht anzuwenden hatte, kann nur geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid verstosse gegen Normen des Bundesrechts (Art. 95 lit. a BGG). Im Übrigen kann die Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts - in den Grenzen der vom Beschwerdeführer hinreichend substantiierten Rügen (Art. 106 Abs. 2 BGG) - lediglich im Lichte der verfassungsmässigen Rechte und Grundsätze, namentlich des Willkürverbots (Art. 9 BV), sowie der kantonalen Verfassungsrechte (Art. 95 lit. c BGG) geprüft werden (BGE 137 V 143 E. 1.2 S. 145; 134 I 153 E. 4.2.2 S. 158; 134 II 349 E. 3 S. 351).
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1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt bzw. vom Bundesgericht von Amtes wegen berichtigt oder ergänzt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 97 Abs. 1 BGG bzw. Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine entsprechende Rüge, welche rechtsgenüglich substantiiert vorzubringen ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 136 II 304 E. 2.5 S. 314 mit Hinweisen), setzt zudem voraus, dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).
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Erwägung 2
 
 
Erwägung 3
 
 
Erwägung 4
 
4.1. Die Gemeinde B.________ hat die Abgaben für Strassen, Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung in einem Reglement über die Finanzierung von Erschliessungsanlagen (EFR) geregelt. Die für die Erhebung der Anschlussgebühren (Wasser und Abwasser) hier massgebenden einschlägigen Bestimmungen lauten wie folgt:
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(....)
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4.2. Der Gemeinderat B.________ erhob in seiner Gebührenverfügung vom 16. März 2010, welche - soweit streitig - durch alle kantonalen Instanzen bestätigt wurde, von der Beschwerdeführerin Wasseranschlussgebühren in der Höhe von Fr. 66'359.80 und Abwasseranschlussgebühren in der Höhe von Fr. 223'345.85 (vorne lit. A.b). Von keiner Seite wird in Frage gestellt, dass diese Gebühren nach dem kommunalen Reglement korrekt erhoben worden sind. Auch die Beschwerdeführerin bestreitet dies nicht; sie macht aber eine Verletzung von übergeordnetem Recht geltend (Rz. 26 der Beschwerdeschrift).
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Erwägung 5
 
5.1. Dazu ist zunächst zu bemerken, dass Art. 60a GschG, welcher das Verursacherprinzip für Abwasseranlagen festschreibt, für die Wasserversorgung nicht zum Tragen kommt bzw. für den Frischwasserbezug nicht vorgeschrieben ist und nicht angerufen werden kann (Urteile 2C_995/2012 vom 16. Dezember 2013 E. 7.2; 2C_722/2009 vom 8. November 2010 E. 3.1; 2C_656/2008 vom 29. Mai 2009, in: URP 2009 S. 896 ff., E. 3.1). Das in Art. 60a Abs. 1 GSchG statuierte Verursacherprinzip entfaltet seine Wirkungen, wie das Bundesgericht wiederholt festgehalten hat, vor allem bei den periodischen Benützungsgebühren, welche einen Bezug zur produzierten Abwassermenge haben müssen (vgl. etwa Urteile 2P.266/2003 vom 5. März 2004, in: URP 2004 S. 197 ff., E. 3.1; 2P.78/2003 vom 1. September 2003, in: ZBl 105/2004 S. 270 ff., E. 3.6). Das genannte Prinzip gilt an sich zwar ebenfalls für die einmaligen Abwasseranschlussgebühren, doch dürfen für deren Berechnung auch noch andere kausalabgaberechtliche Grundsätze berücksichtigt werden (vgl. Urteile 2C_101/2007 vom 22. August 2007, in: URP 2008 S. 16 ff., E. 4.1 und 4.2; 2P.232/2006 vom 16. April 2007, E. 3.2; je mit Hinweisen). Aus dem ebenfalls angerufenen Urteil 2C_740/2009 vom 4. Juli 2011 (BGE 137 I 257) kann die Beschwerdeführerin mit Bezug auf das Verursacherprinzip sodann nichts zu ihren Gunsten ableiten, bezieht sich dieses doch ebenfalls nicht auf einmalige Anschlussgebühren, sondern auf periodische Abgaben.
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5.2. Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, das Verursacherprinzip finde im aargauischen Recht auf sämtliche Anschlussgebühren "uneingeschränkt Anwendung". Sie beruft sich dabei auf § 23 des kantonalen Einführungsgesetzes zur Bundesgesetzgebung über den Schutz von Umwelt und Gewässer vom 4. September 2007 (EG UWR; 781.300), wonach die Gemeinden "für die Abwasserentsorgung Abgaben nach dem Verursacherprinzip erheben". Sodann hätten gemäss § 37 Abs. 1 und 2 der zugehörigen Verordnung vom 14. Mai 2008 (V EG UWR; 781.211) die Abwasserreglemente der Gemeinden die "verursachergerechten Gebühren für die Finanzierung der Abwasserentsorgung festzulegen", wobei die Fixkosten durch Erhebung einer Grundgebühr finanziert werden könnten. Als Bemessungsgrundlagen seien "verursacherbezogene Kenngrössen" zu verwenden. Energieeffiziente Investitionen dürften kein Erhöhung der Gebühren nach sich ziehen. Entgegen dieser Vorschrift würden ihre hohen Investitionen in ökologische Massnahmen (u. a. rund Fr. 400'000.-- in die Realisierung eines autonomen Wasserhaushalts für den wesentlichen Teil des Werkareals) nicht angemessen berücksichtigt. Die erhobenen Gebühren nähmen keine Rücksicht auf die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin infolge der erstellten Reservoire und Rückhaltebecken, deren Wasser für die Grobreinigung von Lastwagen und Baumaschinen usw. genutzt und mit einer eigenen biologischen Abwasserbehandlungsanlage aufbereitet würde, praktisch nicht auf die öffentliche Infrastruktur angewiesen sei. Sie - die Beschwerdeführerin - leite weniger Abwasser in die Kanalisation ein denn je.
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Erwägung 6
 
6.1. Das Äquivalenzprinzip stellt die gebührenrechtliche Ausgestaltung des Verhältnismässigkeitsprinzips nach Art. 5 Abs. 2 BV und des Willkürverbots nach Art. 9 BV dar (Urteile 2C_995/2012 vom 16. Dezember 2013 E. 5.3; 2C_900/2011 vom 2. Juni 2012 E. 4.2; BGE 128 I 46 E. 4a, vgl. auch ADRIAN HUNGERBÜHLER, Grundsätze des Kausalabgabenrechts, ZBl 2003, S. 505 ff., 522); es hat demnach Verfassungsrang. Das Äquivalenzprinzip besagt, dass die Höhe der Abgabe in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung, in deren Genuss die abgabepflichtige Person kommt, stehen muss.
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6.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Erhebung einer Anschlussgebühr setze per definitionem den Anschluss einer Baute oder Anlage an die öffentliche Infrastruktur voraus. Also dürften bei der Gebührenbemessung nur Flächen einberechnet werden, soweit ein räumlicher und funktionaler Zusammenhang mit einem Wasseranschluss oder einem Kanalisationsanschluss bestehe.
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6.3. Hinzu kommt, dass im Falle von Anschlussgebühren nicht die effektive Nutzung massgeblich ist, sondern diejenige, die durch den Anschluss ermöglicht wird, und zwar auf Spitzenwerte ausgelegt (Urteile 2C_816/2009 vom 3. Oktober 2011 E. 5.4; 2C_722/2009 vom 8. November 2010 E. 3.2). Mitberücksichtigt werden darf auch eine potentielle zukünftige Nutzung (genannte Urteile 2C_816/2009 E. 5.5; 2C_101/2007 E. 4.2). Deshalb kann es nicht allein auf die aktuelle Situation (intern bestehendes eigenes Wasseraufbereitungssystem) ankommen; massgebend ist, dass die öffentliche Infrastruktur sowohl für den Wasserbezug wie auch die Abwasserbeseitigung zur Verfügung gestellt wird. Eine Differenzierung zwischen verschmutztem und unverschmutztem Abwasser, wie sie die Beschwerdeführerin mit Blick auf das Urteil 2C_275/2009 vom 26. Oktober 2010 (BGE 137 I 107) verlangt, kann allenfalls bei den periodischen Benützungsgebühren geboten erscheinen, nicht aber bei der - im Grundsatz als einmalige Abgabe konzipierten (genanntes Urteil 2C_101/2007 E. 4.2) - Anschlussgebühr.
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6.4. Wie ausgeführt (E. 5.2), ist die Bemessung der Anschlussgebühr nach der anrechenbaren Bruttogeschossfläche zulässig. Eine Abweichung von einer derartigen schematischen Berechnung ist nach der Rechtsprechung lediglich dann geboten, wenn - wie dies etwa bei Industriebauten der Fall sein kann - die Baute einen ausserordentlich hohen oder ausserordentlich niedrigen Wasserverbrauch aufweist (genannte Urteile 2C_722/2009 E. 3.3 mit Hinweisen; 2C_101/2007 E. 4.3). Dem Kriterium der Bruttogeschossfläche ist immanent, dass die Anschlussgebühr nicht zwingend proportional ist zum effektiven Wasserverbrauch oder Abwasseranfall. Das muss sie auch nicht, soll doch mit dieser Gebühr nicht die effektive aktuelle Belastung, sondern die während der Lebenszeit der Infrastrukturanlage mögliche, auch zukünftige Belastung abgegolten werden (vorne E. 6.3). Somit ist die öffentliche Hand gehalten, lediglich - aber immerhin - unhaltbare, stossende Ergebnisse der Gebührenberechnung zu korrigieren. Ein solches liegt hier nicht vor: Die Gemeinde hat der Besonderheit von Industrieanlagen schon im anwendbaren Reglement und - mit reduzierten Ansätzen - im zugehörigen Tarif Rechnung getragen (vgl. vorne E. 4.1); zusätzlich hat sie der Beschwerdeführerin (unter Hinweis auf deren eigenes Brauchwassersystem) einen Rabatt von 50% auf Hart- und Gebäudegrundflächen gewährt (angefochtener Entscheid S. 12 und 21). Dies trägt den Besonderheiten des vorliegenden Falles angesichts der zulässigen Schematisierung hinreichend Rechnung (vgl. auch das bereits mehrfach genannte Urteil 2C_101/2007, E. 4.4).
14
 
Erwägung 7
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
Lausanne, 20. September 2014
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein
 
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