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Informationen zum Dokument  BGer 2C_230/2014  Materielle Begründung
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BGer 2C_230/2014 vom 04.09.2014
 
{T 0/2}
 
2C_230/2014
 
 
Urteil vom 4. September 2014
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Donzallaz, Kneubühler,
 
Gerichtsschreiberin Hänni.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hollinger,
 
gegen
 
Amt für Migration und Integration
 
des Kantons Aargau, Rechtsdienst.
 
Gegenstand
 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 31. Januar 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________ (geb. 1982) stammt aus Mazedonien. Er kam 1989 im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz. 1993 verliess er das Land wieder und besuchte von 1994 bis Januar 1998 in seinem Heimatland die Grundschule. Im Januar 1994 kehrte A.________ knapp 16-jährig in die Schweiz zurück. Er erhielt eine Niederlassungsbewilligung zum Verbleib bei seinen Eltern. Eine erste, im Dezember 2003 in Mazedonien eingegangene Ehe scheiterte nach einem Jahr. Am 30. Dezember 2004 verheiratete sich A.________ erneut mit einer Landsfrau. Diese reiste im Juni 2005 in die Schweiz ein und erhielt in der Folge eine Aufenthaltsbewilligung. Der Ehe sind zwei Kinder entsprungen (geb. 2008 und 2012).
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B. Zwischen Juni 2006 und November 2010 wurde A.________ wegen Strassenverkehrsdelikten zu mehreren Bussen und zu einer bedingt aufgeschobenen Geldstrafe von zehn Tagessätzen verurteilt. Im Jahr 2011 folgten weitere Strafbefehle unter anderem wegen Entwendung eines Motorfahrzeuges zum Gebrauch, mehrfachen Ungehorsams im Betreibungs- und Konkursverfahren sowie wegen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung. Im Januar 2012 verurteilte das Bezirksgericht Bülach A.________ wegen gewerbsmässigem Diebstahl, begangen zwischen Juni und November 2006, zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten. In diesem Zusammenhang war er zwischen November 2009 und Februar 2010 in Untersuchungshaft genommen worden. Im August 2012 schliesslich wurde A.________ erneut wegen Ungehorsams im Betreibungs- und Konkursverfahren sowie wegen Nichttragen des Sicherheitsgurtes verurteilt (begangen im Juni bzw. im Mai 2012).
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C. Am 30. Oktober 2012 widerrief das Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau (MIKA) die Niederlassungsbewilligung A.________s und wies ihn aus der Schweiz weg. Diesen Entscheid bestätigte kantonal letztinstanzlich mit Urteil vom 31. Januar 2014 das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid betreffend den Widerruf einer Niederlassungsbewilligung ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c [e contrario], Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Der Beschwerdeführer ist durch den vorinstanzlichen Entscheid ausserdem besonders berührt (Art. 89 Abs. 1 BGG) und damit zur Anfechtung beim Bundesgericht befugt. Auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten (vgl. Urteil 2C_828/2011 vom 12. Oktober 2012 E. 1, nicht publ. in BGE 139 I 16 ff.).
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1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und 96 BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), soweit diese nicht offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich sind (vgl. BGE 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62; 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252; 133 III 393 E. 7.1 S. 398) oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen. Zudem ist vom Beschwerdeführer aufzuzeigen, dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).
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Erwägung 2
 
2.1. Nach Art. 63 Abs. 1 lit. a (in Verbindung mit Art. 62 lit. b) und Art. 63 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) kann die Niederlassungsbewilligung auch nach einem - wie hier - länger als 15 Jahre dauernden ununterbrochenen und ordnungsgemässen Aufenthalt in der Schweiz widerrufen werden, wenn der Ausländer zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Als längerfristig gilt nach der gefestigten Rechtsprechung eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr (BGE 135 II 377 E. 4.2 S. 379 ff.). Diese Grenze gilt auch dann als erreicht, wenn die Freiheitsstrafe bloss bedingt oder teilbedingt ausgesprochen wurde (BGE 139 I 16 E. 2.1 S. 18 f.; Urteil 2C_515/2009 vom 27. Januar 2010 E. 2.1).
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2.2. Wenn ein Ausländer durch sein Verhalten einen Widerrufsgrund gesetzt hat, bleibt zu prüfen, ob diese Massnahme auch als verhältnismässig erscheint. Dabei sind namentlich die Schwere des Verschuldens, der Grad der Integration sowie die dem Betroffenen drohenden Nachteile zu berücksichtigen (BGE 135 II 377 E. 4.3 ff. S. 381 ff.; vgl. auch Art. 96 Abs. 1 AuG). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu dieser gesetzlichen Regelung sind umso strengere Anforderungen an eine fremdenpolizeiliche Massnahme zu stellen, je länger ein Ausländer in der Schweiz anwesend war. Die Niederlassungsbewilligung eines Ausländers, der sich - wie der Beschwerdeführer - schon seit langer Zeit hier aufhält, soll nur mit besonderer Zurückhaltung widerrufen werden; allerdings ist dies bei wiederholter bzw. schwerer Straffälligkeit selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn er hier geboren ist und sein ganzes bisheriges Leben im Land verbracht hat (vgl. BGE 139 I 16 E. 2.2 S. 19 ff.; Urteile 2C_740/2013 vom 10. Januar 2014 E. 3.2; 2C_562/2011 vom 21. November 2011 E. 3.3). Bei schweren Straftaten und bei Rückfall bzw. wiederholter Delinquenz besteht regelmässig ein wesentliches öffentliches Interesse daran, die Anwesenheit eines Ausländers zu beenden, der die Sicherheit und Ordnung in dieser Art beeinträchtigt (vgl. BGE 139 I 145 E. 2.4 und 2.5; das Urteil 2C_903/2010 vom 6. Juni 2011 E. 3.1, nicht publ. in BGE 137 II 233 ff.; BGE 130 II 176 E. 4.4.2 S. 190).
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2.3. Die Notwendigkeit einer Verhältnismässigkeitsprüfung ergibt sich auch aus Art. 8 Ziff. 2 EMRK: Danach ist ein Eingriff in das von Art. 8 Ziff. 1 EMRK geschützte Privat- und Familienleben nur dann statthaft, wenn er gesetzlich vorgesehen ist und eine Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung oder zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und Moral sowie der Rechte und Freiheiten anderer notwendig erscheint. Bei der Interessenabwägung im Rahmen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK sind die Schwere des begangenen Delikts, der seit der Tat vergangene Zeitraum, das Verhalten des Ausländers während dieser Periode, die Auswirkungen auf die primär betroffene Person sowie deren familiäre Situation zu berücksichtigen (BGE 139 I 145 E. 2.4 S. 149; 135 II 377 E. 4.3 S. 381; je mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte).
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3. Die Vorinstanz hat zu Recht festgestellt, dass der Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. a und Art. 62 lit. b AuG vorliegt. Der Widerrufsgrund gilt auch, wenn sich die ausländische Person seit mehr als 15 Jahren ununterbrochen und ordnungsgemäss im Land aufgehalten hat (Art. 63 Abs. 2 AuG; vgl. E. 2.1 hiervor). Der Beschwerdeführer bestreitet nicht das Vorliegen des Widerrufsgrundes, sondern bemängelt einzig die Interessenabwägung und Verhältnismässigkeitsprüfung, wie sie die Vorinstanz vorgenommen hat.
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3.1. Das Verwaltungsgericht hat erwogen, aufgrund der ausgefällten Freiheitsstrafe von 24 Monaten sei von einem schweren Verschulden des Beschwerdeführers auszugehen, auch wenn die Strafe bedingt ausgesprochen worden sei; dass es sich bei der zugrunde liegenden Straftat um ein reines Vermögensdelikt handle, lasse das insgesamt sehr grosse öffentliche Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung nicht geringer erscheinen, zumal der Beschwerdeführer nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft weiter strafrechtlich in Erscheinung getreten sei und selbst nach der Verurteilung vom Januar 2012 bzw. während Hängigkeit des ausländerrechtlichen Verfahrens noch delinquiert habe. Angesichts seiner langen Anwesenheit in der Schweiz habe der Beschwerdeführer gewiss ein erhebliches Interesse daran, in der Schweiz verbleiben zu können. Für seine ebenfalls aus Mazedonien stammende Gattin, die seit Mitte 2005 in der Schweiz lebt, und die beiden im Vorschulalter befindlichen Kinder, gelte dies nicht in derselben Weise. Ihnen sei eine Rückkehr in ihr Heimatland bzw. ein Leben in Mazedonien ohne Weiteres zuzumuten. Der Beschwerdeführer selbst könne wirtschaftlich nicht als gut integriert gelten; er verfüge über kein stabiles wirtschaftliches Umfeld und habe erhebliche Schulden. Seine Muttersprache sei ihm geläufig und er sei - nachdem er seine gesamte Jugend dort verbrachte - mit denn heimatlichen Gegebenheiten vertraut. Eine Rückkehr nach Mazedonien sei ihm zumutbar. Insgesamt überwögen, auch unter dem Blickwinkel von Art. 8 EMRK, die öffentlichen Fernhalteinteressen gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers und seiner Familie, in der Schweiz verbleiben zu können.
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3.2. Die Rügen des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, die umfassende Interessenabwägung und Verhältnismässigkeitsprüfung durch die Vorinstanz infrage zu stellen: Entgegen seinen Vorbringen durfte die Vorinstanz bereits gestützt auf die vom Strafgericht verhängte Strafe von einem erheblichen ausländerrechtlichen Verschulden des Beschwerdeführers ausgehen (vgl. BGE 134 II 10 E. 4.2 S. 23; 129 II 215 E. 3.1 S. 216). Zwar weist dieser zum einen auf die günstige strafgerichtliche Prognose hin, zum andern macht er geltend, weder Gewalt- noch Sexual- oder schwere Drogendelikte begangen zu haben. Was den zweitgenannten Aspekt betrifft, ist es richtig, dass die Rechtsprechung bei den erwähnten Straftaten das Fernhalteinteresse gegenüber dem kriminellen Ausländer als besonders hoch erachtet (vgl. etwa BGE 139 I 31 E. 2.3 S. 34 f.; BGE 137 II 297 E. 3.3 S. 303). Insbesondere den vom Beschwerdeführer nach dessen Verurteilung im Jahr 2012 begangenen Delikten kommt als solchen sicher kein entsprechendes Gewicht zu. Daraus lässt sich indes nicht der Gegenschluss ziehen, das öffentliche Interesse an einer Wegweisung des Ausländers sei unerheblich, zumal der Beschwerdeführer wiederholt straffällig wurde. Hinzu kommt, dass die massgebliche Verurteilung, die zum hier angefochtenen Entscheid geführt hat, die Schwelle der "längerfristigen Freiheitsstrafe" von einem Jahr deutlich überschritten hat. Sodann ist auch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz der günstigen Prognose des Strafgerichts, die zur Gewährung des bedingten Strafvollzugs führte, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat. Denn der Beschwerdeführer hat diese durch sein weiteres Verhalten selbst falsifiziert: Er hat nicht nur nach der erstandenen Untersuchungshaft weiter delinquiert, sondern auch nach der Verhängung der 24-monatigen Freiheitsstrafe durch das Urteil des Bezirksgerichts Bülach, während der gegen ihn ausgesprochenen Probezeit. Der Beschwerdeführer dokumentiert damit eine deutliche Geringschätzung gegenüber der schweizerischen Rechtsordnung, was erhebliche Zweifel daran hervorruft, ob er in der Lage und gewillt wäre, sich im Falle eines Verbleibs in der Schweiz künftighin rechtstreu zu verhalten. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung des aus seiner Kindheit und Jugend mit der Heimat vertrauten Beschwerdeführers erweist sich vor diesem Hintergrund als verhältnismässig.
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Erwägung 4
 
4.1. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (inkl. Verbeiständung) zu Unrecht abgewiesen zu haben. Der von ihr errechnete Einkommensüberschuss stehe ihm gar nicht zur Verfügung, da dieser gepfändet sei. Er habe in seiner Beschwerdeschrift an das Verwaltungsgericht auf diesen Umstand hingewiesen; das Gericht habe den Sachverhalt in diesem Punkt offensichtlich unrichtig festgestellt.
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4.2. Wie es sich damit verhält, kann offengelassen werden: Neben der Bedürftigkeit wird für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege vorausgesetzt, dass das Rechtsmittel nicht aussichtslos ist. Im vorliegenden Fall war die Beschwerde an das Verwaltungsgericht angesichts der deutlich über zwölf Monaten liegenden Freiheitsstrafe sowie der Delinquenz des Beschwerdeführers vor und nach dieser Verurteilung aussichtslos. Die Vorinstanz hat das Gesuch daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Aus demselben Grund ist auch für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern. Der Beschwerdeführer hat für die Gerichtskosten aufzukommen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 4. September 2014
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Die Gerichtsschreiberin: Hänni
 
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