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Informationen zum Dokument  BGer 1C_842/2013  Materielle Begründung
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BGer 1C_842/2013 vom 25.08.2014
 
{T 0/2}
 
1C_842/2013
 
 
Urteil vom 25. August 2014
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Aemisegger, Karlen,
 
Gerichtsschreiber Stohner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Gemeinde Laax,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gieri Caviezel,
 
gegen
 
Kanton Graubünden,
 
Beschwerdegegner,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Duri Pally,
 
A.________.
 
Gegenstand
 
Planungszone / Unterstellungsverfügung,
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 9. Oktober 2013 des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 5. Kammer.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
"Ziel ist eine neue Grundordnung, welche die Erhaltung der bestehenden, touristisch bewirtschafteten Betten, insbesondere von bestehenden Hotelbetrieben, auf den betroffenen Liegenschaften weitergehender sicherstellt."
1
1. Die Planungsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen. Der Text der Planungszone vom 10./13. Juni 2013 wird wie folgt geändert: "Ziel ist eine neue Grundordnung, welche die Umnutzung der bestehenden, touristisch bewirtschafteten Betten, insbesondere von bestehenden Hotelbetrieben, in Zweitwohnungen auf den betroffenen Liegenschaften weitergehender verbietet."
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2. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen und die angefochtene Unterstellungsverfügung vom 10./13. Juni 2013 aufgehoben. Die Gemeinde Laax wird angewiesen, das gemäss aufgehobener Unterstellungsverfügung vom 10./13. Juni 2013 sistierte Baubewilligungsverfahren weiterzuführen.
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3. Die Gerichtskosten, bestehend aus einer Staatsgebühr von Fr. 4'000.-- und den Kanzleiauslagen von Fr. 544.--, zusammen Fr. 4'544.--, gehen zu sieben Achteln zulasten der Gemeinde Laax und zu einem Achtel zulasten des Kantons Graubünden. Die entsprechenden Kostenanteile sind innert 30 Tagen seit Zustellung dieses Entscheides an die Finanzverwaltung des Kantons Graubünden, Chur, zu bezahlen.
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4. Die Gemeinde Laax hat den Kanton Graubünden aussergerichtlich mit Fr. 7'000.-- (inkl. MWST) zu entschädigen.
5
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Das angefochtene Urteil der Vorinstanz ist ein Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG) und hat eine von der Beschwerdeführerin beschlossene kommunale Planungszone im Sinne von Art. 21 KRG/GR zum Gegenstand. Gestützt auf Art. 82 lit. a BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts. Dieses Rechtsmittel steht auch auf dem Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts zur Verfügung (BGE 133 II 249 E. 1.2 S. 251).
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1.2. Die Beschwerdeführerin erhebt Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie im Sinne von Art. 50 Abs. 1 BV bzw. Art. 65 der Verfassung des Kantons Graubünden vom 18. Mai 2003 / 14. September 2003 (KV/GR; SR 131.226). Art. 65 Abs. 1 KV/GR gewährleistet die Gemeindeautonomie; deren Umfang wird durch das kantonale Recht bestimmt. Gemäss Art. 3 Abs. 1 KRG/GR ist die Ortsplanung Aufgabe der Gemeinden; sie erfüllen diese Aufgabe im Rahmen des übergeordneten Rechts autonom.
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Erwägung 2
 
 
Erwägung 2.1
 
2.1.1. Gemäss Art. 27 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (RPG; SR 700) kann die zuständige Behörde für genau bezeichnete Gebiete Planungszonen bestimmen, wenn die Nutzungspläne angepasst werden müssen. Innerhalb der Planungszone darf nichts unternommen werden, was die Nutzungsplanung erschweren könnte. Eine Bestimmung vergleichbaren Inhalts findet sich auch im kantonalen Recht. Nach Art. 21 KRG/GR ist der Gemeindevorstand befugt, für das ganze Gemeindegebiet oder Teile davon eine Planungszone zu erlassen, wenn der Erlass oder die Änderung der Grundordnung (Baugesetz, Zonenplan, Genereller Erschliessungsplan, Genereller Gestaltungsplan) in die Wege geleitet wird (Abs. 1). Der Zweck von Planungszonen besteht darin, zu verhindern, dass die Baubehörde Baubewilligungen erteilen müsste, die den vorgesehenen neuen Vorschriften und Plänen widersprechen oder die Ausführung der beabsichtigten Grundordnungsplanung beeinträchtigen könnte (Abs. 2).
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2.1.2. Gemäss Art. 21 Abs. 2 RPG werden die Nutzungspläne überprüft und nötigenfalls angepasst, wenn sich die Verhältnisse erheblich geändert haben. Die mit einer Planungszone beabsichtigten Planungsmassnahmen dürfen Art. 21 Abs. 2 RPG und den daraus fliessenden Geboten der Rechtssicherheit respektive Planbeständigkeit nicht offensichtlich widersprechen.
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2.2. Im zu beurteilenden Fall hat die Vorinstanz geschlossen, die Festsetzung der Planungszone in der von der Beschwerdeführerin beschlossenen Form scheitere daran, dass keine erheblich geänderten Verhältnisse vorlägen.
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2.3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, in den letzten Jahren seien in Laax sechs Hotels umgenutzt worden und so rund 1'130 Hotelbetten verloren gegangen. Die Kantonsregierung selbst habe die Gemeinde im Rahmen der Genehmigung der Ortsplanungsrevision (8. Mai 2012) aufgefordert, das kommunale Gesetz über den Zweitwohnungsbau an die am 11. März 2012 angenommene Zweitwohnungsinitiative anzupassen. Diese Anpassung zu sichern, sei Zweck der Planungszone. Die neue Verfassungsbestimmung von Art. 75b BV erhöhe den Druck auf bestehende Hotelbetriebe, und die Umnutzung weiterer Hotels sei absehbar. Damit bestünden erheblich veränderte Verhältnisse, welche den Erlass der Planungszone in der beschlossenen Form rechtfertigten. Ein Verstoss gegen das Planbeständigkeitsgebot von Art. 21 Abs. 2 RPG liege nicht vor. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz sei unhaltbar. Zugleich habe die Vorinstanz die Tragweite von Art. 21 KRG/GR verkannt und diese Bestimmung willkürlich angewendet, was zu einer Verletzung der Gemeindeautonomie führe.
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Erwägung 2.4
 
2.4.1. Die von der Beschwerdeführerin angeführten sechs Hotelumnutzungen fanden zwischen 1995 und 2010 statt. Die Gemeindeversammlung Laax beschloss die Totalrevision der Ortsplanung am 4. November 2011 folglich in Kenntnis des Verlusts von rund 1'130 Hotelbetten, sodass bereits aus diesem Grund insoweit keine veränderten Verhältnisse vorliegen. Im Rahmen der Ortsplanungsrevision wurde ein Umnutzungsverbot für Hotels/Beherbergungsbetriebe ausdrücklich geprüft, ein solches jedoch nur für die Beherbergungsbetriebe im Bereich der Talstation Laax/Murschetg statuiert ("Mischzone für Beherbergungsbetriebe und Betriebsstätten" gemäss Art. 26 BauG/Laax). Für das übrige Gemeindegebiet wurde ein Umnutzungsverbot hingegen explizit verworfen. So wurde das Hotel Rustico der Wohnmischzone gemäss Art. 24 BauG/Laax zugeteilt, in welcher nahezu jede Nutzung erlaubt ist (Wohnzwecke; Dienstleistungs-, Gastgewerbe- und Produktionsbetriebe). Auch im Förderungsbereich touristische Bewirtschaftung FTP gemäss Art. 34 BauG/Laax, welcher die Parzelle des Hotels Rustico überlagert, bestehen keine Nutzungsbeschränkungen, sondern es wurden bloss Anreize für eine Weiterführung der Beherbergungsbetriebe geschaffen.
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2.4.2. Nichts für ihren Standpunkt ableiten kann die Beschwerdeführerin aus der Tatsache, dass die Kantonsregierung im Genehmigungsbeschluss zur Ortsplanung vom 8. Mai 2012 anordnete, die kommunale Zweitwohnungsgesetzgebung sei nach Vorliegen der Bundes-Ausführungsgesetzgebung zur Zweitwohnungsinitiative anzupassen. Das BauG/Laax wurde von der Regierung ohne Vorbehalte genehmigt. Die Frage der Umnutzung von Hotels in Dienstleistungs-, Produktions- und Erstwohnungsflächen wurde im Genehmigungsentscheid der Regierung nicht thematisiert und bildet nicht Gegenstand des Genehmigungsvorbehalts.
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2.4.3. Auch soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die am 11. März 2012 angenommene Zweitwohnungsinitiative habe den Druck auf bestehende Hotelbetriebe erhöht, weshalb sich ein vollständiges Umnutzungsverbot rechtfertige, ist ihre Argumentation nicht stichhaltig. Es fehlt vorliegend ein Zusammenhang zwischen der Annahme der Zweitwohnungsinitiative und dem beschlossenen Umnutzungsverbot von Hotels in Dienstleistungs-, Produktions- und Erstwohnungsflächen. Es ist nicht ersichtlich und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht dargelegt, weshalb solche Umnutzungen aufgrund der Annahme der Zweitwohnungsinitiative zunehmen sollten. Wie der Beschwerdegegner zutreffend ausführt, dürfte eher das Gegenteil der Fall sein. Bauland, welches ursprünglich für Zweitwohnungsüberbauungen vorgesehen war, kann seit Annahme von Art. 75b BV nicht mehr mit Zweitwohnungen überbaut werden. Damit vergrössert sich das Angebot an Bauland, welches neu für Dienstleistungs-, Produktions- und Erstwohnungsflächen zur Verfügung steht, was zu einem Rückgang der Nachfrage führen könnte, bestehende Hotels in solcher Weise umzunutzen.
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Erwägung 3
 
3.1. Schliesslich rügt die Beschwerdeführerin, die Vorinstanz habe Art. 78 Abs. 2 des kantonalen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 31. August 2006 (VRG/GR; BR 370.100) willkürlich angewendet, indem sie dem Beschwerdegegner eine aussergerichtliche Entschädigung zugesprochen habe. Die Auffassung der Vorinstanz, der Kanton habe vorliegend nicht im amtlichen Wirkungskreis gehandelt, sei nicht haltbar.
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3.2. Nach Art. 78 VRG/GR wird die im Rechtsmittelverfahren unterliegende Partei in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei die durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen (Abs. 1). Bund, Kanton und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen (Abs. 2).
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Erwägung 4
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
Lausanne, 25. August 2014
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Stohner
 
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