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Informationen zum Dokument  BGer 6B_772/2013  Materielle Begründung
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BGer 6B_772/2013 vom 11.07.2014
 
{T 0/2}
 
6B_772/2013
 
 
Urteil vom 11. Juli 2014
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Bundesrichter Oberholzer,
 
Gerichtsschreiber Briw.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Brunner,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Schwere Körperverletzung bzw. Gefährdung des Lebens, Verschlechterungsverbot,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 22. April 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Am Sonntag, 2. Oktober 2011, fand im Letzigrund ein Fussballmeisterschaftsspiel zwischen GC und FC Zürich statt. Um 17.37 Uhr zündeten GC-Fans Embleme der FCZ-Fans an, wodurch sich diese provoziert fühlten. Mit rund 50 unbekannten Personen verliess X.________ seinen Sitzplatz im Sektor D2 (der Südkurve) und rannte via Tartanbahn und durch die Sitzreihen im Sektor C in Richtung der GC-Fans im Sektor B. Dabei hatte er das in der Kapuze seines Pullovers eingenähte Netz über das Gesicht gestülpt, um sich unkenntlich zu machen. Es kam zu Handgemengen. X.________ (sowie ein Unbekannter) hatten zuvor je eine brennende Seenotfackel der Marke "F.D.F Segnali Nautici", die eine Brenndauer von ca. 60 Sekunden aufweist und Temperaturen von 1500-2500 °C entwickelt, gezielt mitten unter die dicht gedrängten Reihen der GC-Fans im Sektor B geschleudert.
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A.b. Nach dem Fackelwurf begab sich X.________ zurück in die Südkurve. Auf dem Rückweg traf er auf die drei Gebrüder Y.________, welche im Sektor C23 die gewaltsuchenden FCZ-Fans zur Rückkehr aufforderten. Als X.________ sah, wie die FCZ-Fans auf die Gebrüder einschlugen, kehrte er um und schlug von hinten mehrmals mit der Faust gegen den Hinterkopf von A.Y.________. Dieser flüchtete, wollte aber dann seinem Bruder zu Hilfe eilen, worauf ihm X.________ erneut mit der Faust gegen den Hinterkopf schlug.
2
A.c. Am Sonntag, 7. August 2011, zündete X.________ anlässlich eines Fussballspiels zwischen dem FCZ und GC im Sektor D2 inmitten von Fans eine dem Sprengstoffgesetz unterstellte Handfackel.
3
A.d. Am Sonntag, 1. März 2009, zündete X.________ um 16.00 Uhr im Stadion Letzigrund während eines Fussballspiels zwischen dem FCZ und dem FC Vaduz im Sektor D2 inmitten voll besetzter Ränge eine Seenotfackel.
4
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Ausgangspunkt bildet die folgende prozessuale Situation. Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Anschlussberufung und beantragte die Bestätigung des bezirksgerichtlichen Urteils. Der Privatkläger im kantonalen Verfahren liess sich nicht vernehmen.
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1.2. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz verneine eine Gefährdung des Lebens (HD; oben Bst. A.a) und spreche ihn stattdessen der versuchten schweren Körperverletzung schuldig. Damit verletze sie das Verschlechterungsverbot von Art. 391 StPO.
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1.3. Die Vorinstanz kommt zum Ergebnis, es könne nicht von einer unmittelbaren Lebensgefahr ausgegangen werden. Daher sei der Tatbestand der Gefährdung des Lebens nicht erfüllt. Weiter fehle ein direkter Vorsatz (Urteil S. 13).
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1.4. Das Bundesgericht entschied die Auslegung von Art. 391 Abs. 2 StPO in BGE 139 IV 282 (vgl. ferner Urteile 6B_245/2013 vom 6. Februar 2014 und 6B_375/2013 vom 13. Januar 2014). Diese Urteile waren der Vorinstanz im Urteilszeitpunkt nicht bekannt. Nach dieser Rechtsprechung verletzen sowohl die Sanktionsverschärfung als auch die strengere Tatqualifikation Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO. Massgebend ist das Dispositiv (BGE 139 IV 282 E. 2.6).
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Erwägung 2
 
 
Erwägung 3
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 22. April 2013 wird aufgehoben und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2. Es werden keine Kosten auferlegt.
 
3. Der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 11. Juli 2014
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Der Gerichtsschreiber: Briw
 
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