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Informationen zum Dokument  BGer 6B_364/2014  Materielle Begründung
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BGer 6B_364/2014 vom 30.06.2014
 
{T 0/2}
 
6B_364/2014
 
 
Urteil vom 30. Juni 2014
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
 
Gerichtsschreiberin Andres.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Fürsprecher Dr. Urs Lienhard,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz etc.; Willkür; Strafzumessung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 6. März 2014.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
X.________ erhob Berufung und die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg Anschlussberufung. Das Obergericht des Kantons Aargau bestätigte am 6. März 2014 die erstinstanzlichen Schuldsprüche im Wesentlichen und erhöhte die Freiheitsstrafe auf 5¾ Jahre.
1
X.________ wird vorgeworfen, zwischen November 2007 und Februar 2008 insgesamt ca. 1 Kilogramm Kokain in einem Kellerabteil gelagert und von Herbst 2006 bis Februar 2008 ca. 108 Gramm Kokain an verschiedene Personen verkauft zu haben. Anlässlich der Anhaltung durch die Kantonspolizei Aargau am 27. Februar 2008 soll er ca. 1.7 Gramm Marihuana mit sich geführt haben. Ferner habe X.________ in der Zeit vom 16. Februar 2006 bis 15. Januar 2008 insgesamt Fr. 46'517.05 und Euro 10'675.58, die aus dem Drogenhandel stammten, ins Ausland überweisen lassen. Zusätzlich habe er sich zwei Mal gewalttätig einer Anhaltung durch die Polizei widersetzt.
2
 
B.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Der Beschwerdeführer macht eine teilweise willkürliche Beweiswürdigung durch die Vorinstanz geltend. In Bezug auf die ihm vorgeworfenen Verkäufe von ca. 50 Gramm Kokain an A.________ und ca. 42 Gramm Kokain an B.________ habe die Vorinstanz nicht berücksichtigt, dass A.________ sowie B.________ den Beschwerdeführer anlässlich der Konfrontationseinvernahmen vom 13. September 2012 bzw. 8. August 2012 an keiner Stelle belastet hätten. Der Beschwerdeführer bringt sinngemäss vor, die im Zusammenhang mit früheren Aussagen von A.________ und B.________ stehenden Indizien seien nicht verwertbar. Weiter rügt er die Beweiswürdigung der Vorinstanz in Bezug auf den Lagerungsvorwurf von ca. 1 Kilogramm Kokain als willkürlich. Sie verletze den Grundsatz "in dubio pro reo" (Art. 10 Abs. 3 StPO).
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1.2. Die Vorinstanz hält fest, A.________ habe in der Konfrontationseinvernahme nach anfänglichem Abstreiten wiederholt bestätigt, mehrmals bei einem von ihm als "5er" bezeichneten Drogenhändler Kokain gekauft zu haben. Dass er sich nach beinahe fünf Jahren nur noch an drei bis vier der vormals mit zwölf angegebenen Kokainverkäufe erinnert habe, vermöge das auf der Grundlage der tatnahen Aussagen gewonnene Beweisergebnis nicht in Zweifel zu ziehen (Urteil, S. 15 f. E. 2.2.3.). Die Vorinstanz ist überzeugt, bei dem von A.________ als "5er" bezeichneten Drogenhändler handle es sich um den Beschwerdeführer, da die ihm zugeordnete Telefonnummer unter dieser Bezeichnung im Mobiltelefon von A.________ gespeichert gewesen sei (Urteil, S. 16 f. E. 2.2.4.). In Bezug auf den Verkauf von ca. 42 Gramm Kokain an B.________ führt sie aus, dieser habe die vom Beschwerdeführer benutzte Telefonnummer ihm zuordnen und ihn im Rahmen einer Fotowahlkonfrontation identifizieren können. Anlässlich der Konfrontationseinvernahme habe er seine Aussagen im Wesentlichen bestätigt (Urteil, S. 19 f. E. 2.4.3.). Bezüglich des Lagerungsvorwurfs von ca. 1 Kilogramm Kokain ist die Vorinstanz aufgrund der Aussagen von C.________ zum Schluss gekommen, der Beschwerdeführer habe zwischen November 2007 und Februar 2008 ca. 1 Kilogramm Kokain in ihrem Keller gelagert. Neben dem Beschwerdeführer hätten nur wenige andere Personen Zugang zum fraglichen Kellerabteil gehabt, weshalb sich seine Täterschaft aufdränge (Urteil, S. 12 ff. E. 2.1.4.).
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1.3. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 mit Hinweisen; vgl. zum Begriff der Willkür BGE 139 III 334 E. 3.2.5 S. 339; 138 I 49 E. 7.1; je mit Hinweisen). Eine entsprechende Rüge muss klar und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 225 E. 3.2; 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5; je mit Hinweisen). Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine Bedeutung zu, die über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgeht (BGE 138 V 74 E. 7 S. 82 mit Hinweisen).
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1.4. Hinsichtlich der Frage der Verwertbarkeit der Aussagen von A.________ und B.________ kann offen bleiben, ob der kantonale Instanzenzug ausgeschöpft wurde (vgl. Art. 80 Abs. 1 BGG), da die Rüge unbegründet ist. Der Beschwerdeführer hatte anlässlich der Konfrontationseinvernahmen mit A.________ und B.________ Gelegenheit, deren Aussagen in Zweifel zu ziehen sowie ihnen Fragen zu stellen. Es trifft zu, dass an diesen Einvernahmen weder A.________ noch B.________ den Beschwerdeführer direkt belasteten und ihn nicht wiedererkannten. Beide äusserten sich nochmals zur Sache, auch wenn sie ihre früheren Aussagen nicht vollumfänglich bestätigten. Damit wurde dem Teilnahme- und Konfrontationsrecht des Beschwerdeführers Rechnung getragen. Die Frage, ob bei widersprüchlichen Aussagen oder späteren Erinnerungslücken einer Person auf die ersten, in Abwesenheit des Beschuldigten erfolgten Aussagen abgestellt werden kann, betrifft nicht die Verwertbarkeit, sondern die Würdigung der Beweise (Urteil 6B_369/2013 vom 31. Oktober 2013 E. 2.3.3 mit Hinweisen). Die Aussagen von A.________ und B.________ sind verwertbar. Inwiefern die Beweiswürdigung der Vorinstanz willkürlich sein soll, begründet der Beschwerdeführer nicht. Auf die Rüge ist nicht einzutreten.
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1.5. Die Vorinstanz verfällt nicht in Willkür, wenn sie gestützt auf die Aussagen von C.________ als erstellt erachtet, der Beschwerdeführer habe in ihrem Kellerabteil ca. 1 Kilogramm Kokain gelagert. In seinen Ausführungen zeigt er lediglich auf, dass man gegebenenfalls auch zu einem anderen Beweisergebnis hätte gelangen können.
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Erwägung 2
 
2.1. Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff. StGB wiederholt dargelegt (BGE 136 IV 55 E. 5.4 ff. S. 59 ff. mit Hinweisen). Entsprechendes gilt für die Bildung der Einsatzstrafe und der Gesamtstrafe nach Art. 49 Abs. 1 StGB in Anwendung des Asperationsprinzips (BGE 127 IV 101 E. 2b S. 104 mit Hinweis; Urteil 6B_460/2010 vom 4. Februar 2011 E. 3.3.4 mit Hinweis, nicht publ. in: BGE 137 IV 57). Darauf kann verwiesen werden.
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2.2. Die Vorinstanz setzt sich in ihren Erwägungen zur Strafzumessung mit den wesentlichen schuldrelevanten Komponenten auseinander und würdigt sämtliche Zumessungsgründe zutreffend. Dass sie sich dabei von rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten hätte leiten lassen oder wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hätte, ist nicht ersichtlich. Auf ihre Ausführungen kann verwiesen werden (Urteil, S. 35 ff. E. 6).
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Wenn die Vorinstanz unter Annahme eines nicht mehr leichten bis mittelschweren Tatverschuldens eine Einsatzstrafe von 4 ½ Jahren festsetzt (Urteil, S. 40 E. 6.3.1.3.), wogegen das erstinstanzliche Gericht unter Annahme eines schweren Verschuldens eine Gesamtstrafe von 4 Jahren ausgesprochen hat (Urteil 1. Instanz, S. 25 E. 4.4.1.), ist dies nicht zu beanstanden. Vielmehr steht die Qualifikation des Verschuldens durch das erstinstanzliche Gericht mit Blick auf den weiten Strafrahmen in einem Missverhältnis zur ausgesprochenen Gesamtstrafe. Die Formulierung des Verschuldens soll mit der Festsetzung des Strafmasses im Einklang stehen (Urteil 6B_1096/2010 vom 7. Juli 2011 E. 4.2 mit Hinweisen). Dies ist beim Urteil der Vorinstanz der Fall.
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Die verschuldenserhöhende Berücksichtigung der rein monetären Gründe, aus denen der Beschwerdeführer über längere Zeit einen intensiven Drogenhandel betrieb, und der Inkaufnahme, die Gesundheit vieler Menschen zu gefährden, ist nicht zu beanstanden. Dies stellt keine unzulässige Doppelverwertung dar (Urteile 6B_286/2011 vom 29. August 2011 E. 3.4.1; 6P.149/2006 vom 12. Oktober 2006 E. 7.3; je mit Hinweisen). Wenn sich der Beschwerdeführer weiter gegen die Qualifikation der Vorinstanz wehrt, dass er den Drogenhandel nicht bloss in hierarchisch untergeordneter Stellung betrieben habe und selbst eine mittlere Hierarchiestufe nichts am Grundverschulden ändern würde, ist er nicht zu hören. Soweit es sich dabei nicht ohnehin um eine Sachverhaltsrüge handelt, die den qualifizierten Begründungsanforderungen nicht genügt, kann bei Betäubungsmitteldelikten eine höhere hierarchische Stellung durchaus zu einer Straferhöhung führen (Urteil 6B_286/2011 vom 29. August 2011 E. 3.4.1 mit Hinweisen).
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2.3. Die Vorinstanz gewichtet das Verschulden des Beschwerdeführers in Bezug auf die Geldwäscherei aufgrund des Deliktbetrags, der Vorgehensweise und der Anzahl Überweisungen insgesamt als mittelschwer (Urteil, S. 40 f. E. 6.3.2.). Die Ausführungen der Vorinstanz sind schlüssig und zutreffend. Sie sind nicht zu beanstanden. Analoges gilt für das angenommene mittelschwere Verschulden bezüglich der zweifachen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Urteil, S. 41 f. E. 6.3.3.). Schliesslich würdigt sie auch den Besitz von 1.7 Gramm Marihuana richtig, indem sie ein leichtes Verschulden des Beschwerdeführers annimmt (Urteil, S. 42 E. 6.3.4.).
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Die Erhöhung der Einsatzstrafe von 4 ½ Jahren um ein Jahr auf 5 ½ Jahre ist nicht zu beanstanden und liegt innerhalb des sachrichterlichen Ermessens.
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2.4. Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB ist die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung kann eine erhöhte Strafempfindlichkeit indessen nur bei aussergewöhnlichen Umständen bejaht werden, weil die Verbüssung einer Freiheitsstrafe für jede arbeitstätige und in ein familiäres Umfeld eingebettete Person mit Härten verbunden ist (Urteil 6B_605/2013 vom 13. Januar 2014 E. 2.4.3 mit Hinweisen). Inwiefern diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt sein könnten, ist nicht ersichtlich. Insbesondere begründet allein die Tatsache, dass der Beschwerdeführer verheiratet ist und ein vierjähriges Kind hat, keine erhöhte Strafempfindlichkeit. Wie die Vorinstanz zutreffend festhält, stellt das Wohlverhalten seit der Tat in der Regel keine besondere Leistung dar und ist grundsätzlich neutral zu werten (Urteile 6B_239/2012 vom 1. Februar 2013 E. 3.4.5; 6B_572/2010 vom 18. November 2010 E. 4.4; je mit Hinweisen). Schliesslich würdigt die Vorinstanz das unkooperative Verhalten des Beschwerdeführers im Untersuchungs- und Gerichtsverfahren nicht zu seinen Ungunsten. Sie hält vielmehr fest, dass sein Verhalten nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden kann (Urteil, S. 43 E. 6.4.). Die Vorinstanz wertet das unkooperative Verhalten des Beschwerdeführers demnach neutral.
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2.5. Die vorinstanzliche Strafzumessung hält insgesamt vor Bundesrecht stand. Die ausgefällte Freiheitsstrafe liegt bei einer Gesamtbetrachtung noch innerhalb des sachrichterlichen Ermessens.
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Erwägung 3
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Dem Beschwerdeführer werden die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 1'600.-- auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 30. Juni 2014
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres
 
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