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Informationen zum Dokument  BGer 1C_809/2013  Materielle Begründung
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BGer 1C_809/2013 vom 13.06.2014
 
{T 0/2}
 
1C_809/2013
 
 
Urteil vom 13. Juni 2014
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Aemisegger, Merkli, Karlen, Chaix, Gerichtsschreiber Störi.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Sicherheit und Justiz, Staats- und Jugendanwaltschaft des Kantons Glarus, Administrativmassnahmen, Postgasse 29, 8750 Glarus,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
A.________,
 
Beschwerdegegner,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Jacques Marti.
 
Gegenstand
 
Sicherungsentzug des Führerausweises, Wiedererteilung der aufschiebenden Wirkung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 25. September 2013 des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus, I. Kammer.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Die Haaranalyse, die das Institut für Rechtsmedizin Zürich (IRMZ) am 29. Mai 2013 im Rahmen der vorgesehenen Kontrolle vornahm, ergab einen EtG-Wert von 8 pg/mg. Das Gutachten des IRMZ erklärte, bei diesem Befund und angesichts der früheren Alkoholprobleme könne die Fahreignung von A.________ nicht mehr bejaht werden. Die Abteilung Administrativmassnahmen verfügte deshalb am 10. Juni 2013 erneut den Sicherungsentzug auf unbestimmte Zeit. Das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus hob am 25. September 2013 in Gutheissung einer Beschwerde von A.________ diese Verfügung auf und lud die Abteilung Administrativmassnahmen ein, diesem den Führerausweis unverzüglich wiederzuerteilen.
1
 
B.
 
Der Beschwerdegegner, das Verwaltungsgericht und das ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladene Bundesamt für Strassen stellen Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
2
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 2
 
Streitgegenstand bildet demnach allein die Frage, ob der Beschwerdegegner die ihm am 20. Juli 2012 auferlegte Alkoholtotalabstinenz missachtet hat und ihm deshalb der Führerausweis wieder entzogen werden durfte.
3
 
Erwägung 3
 
Die Vornahme der Haaranalyse ist dafür qualifizierten Labors vorzubehalten. Die von ihnen gefundenen Ergebnisse sind Gutachten, von denen die zuständigen Behörden nicht ohne triftige Gründe abweichen dürfen. Ein Abweichen ist nur zulässig, wenn die Glaubwürdigkeit des Gutachtens durch die Umstände ernsthaft erschüttert ist (BGE 132 II 257 E. 4.4.1 S. 269).
4
 
Erwägung 4
 
Die Beschwerdeführerin kritisiert die vorinstanzliche Würdigung des Gutachtens und die gestützt darauf getroffene Feststellung, der Beschwerdegegner habe im fraglichen Zeitraum totalabstinent gelebt, als offensichtlich unzutreffend. Sie bringt vor, die Vorinstanz habe das Gutachten des IRMZ falsch verstanden und bezieht sich dabei unter anderem auf eine nach dem Urteil eingeholte Stellungnahme dieses Instituts vom 9. Oktober 2013. Nach dieser ist der erwähnte Entscheid des Bundesgerichts, auf den sich die Vorinstanz stützt, aufgrund der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse überholt.
5
 
Erwägung 5
 
Die Kritik der Beschwerdeführerin richtet sich einerseits gegen die vorinstanzliche Bestimmung des massgeblichen EtG-Werts und anderseits gegen dessen Interpretation. So hätte von dem beim Beschwerdegegner ermittelten EtG-Wert von 8 pg/mg nicht 25 % abgezogen werden und demnach von lediglich 6 pg/mg ausgegangen werden dürfen. Zudem belege auch ein Wert von 6 pg/mg nicht die Einhaltung einer Alkoholtotalabstinenz.
6
 
Erwägung 6
 
Aus diesen Gründen ist beim Beschwerdegegner auf den im Gutachten ermittelten EtG-Wert von 8 pg/mg abzustellen.
7
 
Erwägung 7
 
 
Erwägung 8
 
Die neue Interpretation der gefundenen EtG-Werte im Haar bezieht sich auf die Sachverhaltsfeststellung, nämlich die Frage, ob der Beschwerdegegner im fraglichen Zeitraum die Verpflichtung zur Alkoholtotalabstinenz eingehalten hat. Durch die strengere Beurteilung dieser Frage wird der Beschwerdegegner nicht in seinem Vertrauen getäuscht. Denn er durfte überhaupt keinen Alkohol konsumieren, unabhängig davon, wie die Nachweisgrenze festgesetzt ist. Hingegen hat sich der Beschwerdegegner bei der Prozessführung berechtigterweise auf das bundesgerichtliche Urteil vom 18. April 2012 gestützt. Diesem Umstand ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten und Parteientschädigungen Rechnung zu tragen (vgl. zur Publikation bestimmtes Urteil 1B_105/2014 vom 24. April 2014 E. 4.2 und E. 9).
8
 
Erwägung 9
 
Wie bereits erwähnt konnte sich der Beschwerdegegner aufgrund des bundesgerichtlichen Urteils vom 18. April 2012 zur Anfechtung des Sicherungsentzugs veranlasst sehen. Es rechtfertigt sich deshalb nicht, die vorinstanzliche Kosten- und Entschädigungsregelung (Ziff. 2 und 3 des Urteilsdispositivs des angefochtenen Entscheids) zu ändern. Für das bundesgerichtliche Verfahren ist angesichts der nötigen Klarstellung der Rechtsprechung von einer Kostenerhebung abzusehen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdegegner ist jedoch für dieses Verfahren keine Parteientschädigung zuzusprechen, da ihm bei seiner Stellungnahme die Erläuterungen des IRMZ vom 9. Oktober 2013 und damit die Grundlagen für die erfolgte Klarstellung der Praxis bekannt waren.
9
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und Ziff. 1 des Dispositivs des Urteils des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus vom 25. September 2013 aufgehoben. Der Sicherungsentzug des Führerausweises vom 10. Juni 2013 wird bestätigt.
 
2. Es werden keine Kosten erhoben.
 
3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus, I. Kammer, und dem Bundesamt für Strassen, Sekretariat Administrativmassnahmen, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 13. Juni 2014
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Störi
 
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