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Informationen zum Dokument  BGer 2C_1031/2013  Materielle Begründung
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BGer 2C_1031/2013 vom 26.05.2014
 
{T 0/2}
 
2C_1031/2013
 
 
Urteil vom 26. Mai 2014
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Bundesrichter Stadelmann,
 
Gerichtsschreiberin Genner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. A.________,
 
2. B.________, vertreten durch A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Steuerverwaltung des Kantons Thurgau,
 
Abteilung Grundstückgewinnsteuer,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Grundstückgewinnsteuer,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 18. September 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die Geschwister A.________ und B.________ sind Erben des C.________ selig. Im Zusammenhang mit dem Verkauf der Parzelle Nr. xxx in U.________ erging am 7. Dezember 2011 ein Veranlagungsentscheid betreffend die Grundstückgewinnsteuer. Eine dagegen erhobene Einsprache der Erben hiess die Steuerverwaltung des Kantons Thurgau am 21. November 2012 teilweise gut. Der Einspracheentscheid wurde A.________ als Vertreter der Erben am 29. November 2012 zugestellt.
1
B. Am 7. Januar 2013 fochten A.________ und B.________ den Einspracheentscheid vom 21. November 2012 bei der Steuerrekurskommission des Kantons Thurgau (nachfolgend: Steuerrekurskommission) an und beantragten die Wiederherstellung der Rekursfrist. Die Steuerrekurskommission trat am 4. März 2013 auf den Rekurs wegen Verspätung nicht ein. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau (nachfolgend: Verwaltungsgericht) am 18. September 2013 ab.
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C. A.________ und B.________ erheben am 31. Oktober 2013 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde beim Bundesgericht mit den Anträgen, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die zuständige Vorinstanz anzuweisen, den Rekurs betreffend Grundstückgewinnsteuer zu behandeln.
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Erwägungen:
 
1. Dem angefochtenen Urteil liegt ein kantonaler Entscheid betreffend die Grundstückgewinnsteuer zugrunde. Die Grundstückgewinnsteuer ist im zweiten Titel des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14) geregelt und betrifft mithin einen harmonisierten Bereich, weshalb die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 82 ff. BGG zulässig ist (Art. 73 Abs. 1 StHG). Die Beschwerdeführer sind als Steuerpflichtige zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 73 Abs. 2 StHG). Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde (vgl. Art. 42 und Art. 100 Abs. 1 BGG) ist einzutreten. Damit bleibt für die zusätzlich erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde kein Raum, so dass darauf nicht einzutreten ist (Art. 113 BGG).
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2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und 96 BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 139 II 404 E. 3 S. 415). Die Verletzung von kantonalem Gesetzes- und Verordnungsrecht bildet keinen eigenständigen Rügegrund; sie wird nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür geprüft (BGE 136 I 316 E. 2.2.1 S. 318 mit Hinweisen). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 136 II 304 E. 2.5 S. 314).
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3. Vorab sind die formellen Rügen zu behandeln (BGE 138 I 232 E. 5.1 S. 237).
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3.1. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Möglichkeit der Fristwiederherstellung sei eine Verfahrensgarantie, welche direkt aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK fliesse. Zudem habe die Vorinstanz gegen Art. 29 Abs. 2 BV verstossen. Sie habe ihre Begründungspflicht verletzt und ihrem Entscheid unbewiesene Tatsachenbehauptungen zugrunde gelegt; zudem habe sie es unterlassen, die angewendeten Gesetzesbestimmungen sowie einschlägige Entscheide zu nennen.
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3.2. Die in Art. 6 Ziff. 1 EMRK niedergelegten Verfahrensgarantien sind entsprechend dem Wortlaut dieser Bestimmung anwendbar auf zivilrechtliche und strafrechtliche Streitigkeiten. Eine Steuerangelegenheit fällt - wie alle abgaberechtlichen Streitigkeiten - nicht darunter (Urteil 2C_201/2013 vom 24. Januar 2014 E. 4.1 mit Hinweisen), soweit sie nicht eine Steuerhinterziehung zum Gegenstand hat (Urteil 2C_180/2013 vom 5. November 2013 E. 6.1, in: StR 69/2014 S. 237), weshalb die Berufung der Beschwerdeführer auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK unbehelflich ist.
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3.3. Die Vorinstanz legt einlässlich dar, warum sie die Voraussetzungen der Fristwiederherstellung als nicht erfüllt erachtet. Sie stützt sich dabei auf die Normen des kantonalen Steuergesetzes und zitiert verschiedene Entscheide des Bundesgerichts. Es trifft allerdings zu, dass die Vorinstanz ihrer Erwägung, die Beschwerdeführer hätten fristgerecht mit summarischer Begründung rekurrieren und die Steuerrekurskommission um Gewährung einer Nachfrist für eine ergänzende Begründung ersuchen können, keine Gesetzesbestimmung zugrunde legt und sich auch nicht auf eine Gerichtspraxis beruft. Dies kann jedoch nicht als Verletzung des rechtlichen Gehörs gewertet werden. Die Verfügungsadressaten haben lediglich Anspruch auf eine (sachbezogene) Begründung; ob diese zutrifft, ist als materielle Frage von der Rechtsmittelinstanz zu entscheiden. Die behördliche Begründungspflicht ist erfüllt, wenn die Betroffenen die entsprechende Erwägung sachgerecht anfechten können (vgl. BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188). Dies ist hier geschehen: Die Beschwerdeführer machen im bundesgerichtlichen Verfahren geltend, für die Einräumung einer "Notfrist" gebe es weder eine gesetzliche Grundlage noch eine Rechtspraxis.
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4. Streitgegenstand bildet die Frage, ob die Vorinstanz den Nichteintretensentscheid der Steuerrekurskommission zu Recht geschützt hat.
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Erwägung 5
 
5.1. Die Frist zur Einreichung des Rekurses gegen einen Einspracheentscheid der Steuerverwaltung beträgt 30 Tage (§ 175 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons Thurgau vom 14. September 1992 [StG/TG; 640.1]). Nach den nicht bestrittenen Feststellungen der Vorinstanz hat die Frist am 30. November 2012 zu laufen begonnen und am 31. Dezember 2012 geendet. Der am 7. Januar 2013 erhobene Rekurs war somit verspätet. Gemäss § 175 Abs. 2 StG/TG i.V.m. § 164 Abs. 3 StG/TG wird auf verspätete Eingaben nur eingetreten, wenn die steuerpflichtige Person nachweist, dass sie durch Militär-, Schutz- oder Zivildienst, Krankheit, Landesabwesenheit oder andere erhebliche Gründe an der rechtzeitigen Einreichung verhindert war und dass die Einsprache innert 30 Tagen nach Wegfall der Hinderungsgründe eingereicht wurde.
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5.2. Die Beschwerdeführer machen geltend, die gesetzliche Frist nach § 175 Abs. 1 StG/TG sei nicht erstreckbar, weshalb die Gewährung einer "Notfrist" ausgeschlossen sei. Es sei rechtlich nicht möglich, eine summarische Rekursbegründung innert Frist einzureichen und später zu ergänzen.
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5.3. Die Vorinstanz hat die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Fristwiederherstellung, insbesondere zur Zulässigkeit von Hinderungsgründen, korrekt wiedergegeben. Im sowohl von der Vorinstanz als auch von den Beschwerdeführern zitierten Urteil 2C_401/2007 vom 21. Januar 2008 E. 3.3 wird Folgendes gesagt:
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5.4. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Vorinstanz die Voraussetzungen der Fristwiederherstellung gemäss § 175 Abs. 2 StG/TG i.V.m. § 164 Abs. 3 StG/TG zu Recht verneint hat.
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6. Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.
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6.1. Die unterliegenden Beschwerdeführer tragen die Gerichtskosten, untereinander solidarisch haftend (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG).
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6.2. Ausgangsgemäss ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.
 
2. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 26. Mai 2014
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Die Gerichtsschreiberin: Genner
 
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