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Informationen zum Dokument  BGer 2C_874/2013  Materielle Begründung
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BGer 2C_874/2013 vom 21.05.2014
 
{T 0/2}
 
2C_874/2013
 
2C_875/2013
 
 
Urteil vom 21. Mai 2014
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Stadelmann,
 
nebenamtlicher Bundesrichter Benz,
 
Gerichtsschreiber Matter.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Steueramt des Kantons Solothurn,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. A.A.________,
 
2. B.A.________,
 
Beschwerdegegner,
 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Müller,
 
Gegenstand
 
2C_874/2013
 
Staatssteuer 2009,
 
2C_875/2013
 
Direkte Bundessteuer 2009
 
Beschwerden gegen das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 12. August 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die vorliegenden Beschwerden richten sich gegen dasselbe Urteil, betreffen dieselben Parteien und werfen identische Rechtsfragen auf. Es rechtfertigt sich deshalb, die Verfahren zu vereinigen und die Beschwerden in einem einzigen Urteil zu erledigen (vgl. Art. 71 BGG in Verbindung mit Art. 24 BZP; BGE 131 V 59 E. 1 S. 60 f. mit Hinweis).
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1.2. Die Beschwerden sind zulässig (vgl. Art. 82 ff. BGG in Verbindung mit Art. 146 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG, SR 642.11] sowie Art. 73 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG, SR 642.14]).
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1.3. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist daher weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen, und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen.
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Erwägung 2
 
2.1. Der Begriff "Schuldzinsen" in Art. 33 Abs. 1 lit. a DBG ist wirtschaftlich auszulegen und unbesehen um die Form, die Bezeichnung sowie den Zeitpunkt der Erbringung zu verstehen (vgl. Urteil 2C_393/2008 vom 19. November 2008 in StR 64/2009 S. 110 E. 2.3 mit Hinweis auf die mit der Rechtsprechung übereinstimmende herrschende Lehre). Somit sind nicht schlechthin alle Passivzinsen ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Natur zum Abzug vom steuerbaren Einkommen zuzulassen; abzugsfähig sind sie vielmehr nur dann, wenn sie - wirtschaftlich betrachtet - keine Aufwendungen für die Anschaffung und Verbesserung von Vermögensgegenständen im Sinne von Art. 34 lit. d DBG darstellen (vgl. Urteil 2C_516/2011 vom 28. Dezember 2011 in StR 67/2012 S. 185 E. 3.1; StR 64/2009 S. 110 E. 2.3; damit übereinstimmend in Bezug auf die vor der jetzigen Bundesgesetzgebung gültige Rechtslage: Urteil 2A.369/1994 vom 20. November 1995 in ASA 65 S. 750 E. 2b; Urteil 2A.356/1989 vom 25. Juni 1990 in ASA 60 S. 191 E. 1a u. 3b; Urteil A.631/1987 vom 28. Oktober 1988, in: ASA 57 S. 654 E. 2a).
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2.2. Die als Anlagekosten gemäss Art. 34 lit. d DBG einzustufenden sog. Gesamtbaukosten umfassen neben dem Kaufpreis für das Grundstück und den eigentlichen Baukosten auch Nebenkosten, soweit sie wesentlich durch die Anschaffung des Vermögenswerts veranlasst sind. Dazu zählt das Bundesgericht bei der Überbauung einer Liegenschaft beispielsweise die Honorare für Architekten und Notare sowie gewisse weitere mit der Liegenschaft verbundene Finanzierungs- bzw. Investitionskosten (vgl. das Urteil 2C_384/2013 vom 25. Oktober 2013 E. 2.2; StR 67/2012 S. 185 E. 3.1; Urteil 2A.242/1997 vom 21. April 1998 E. 3a; siehe auch BGE 127 V 466 E. 3c S. 470 sowie ASA 65 S. 750 E. 2b und ASA 57 S. 654 E. 2a). Darunter fallen auch die Baukreditzinsen, d.h. Zinsen für Darlehen, welche zur Finanzierung eines Neubaus oder Umbaus aufgenommen werden und im Rahmen eines bestimmten Bauprojektes für die Bezahlung der Bauhandwerker und Materiallieferanten verwendet werden; für die Dauer der Arbeiten sind diese Zinsen im Finanzierungsplan für das Werk enthalten (vgl. StR 67/2012 S. 185 E. 3.1; ASA 65 S. 750 E. 2b u. 2c; ASA 60 S. 191 E. 1a u. 2b; ASA 57 S. 654 E. 2a; siehe auch BGE 127 V 466 E. 3c S. 470).
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2.3. Wenn die steuerliche Beurteilung der Baukreditzinsen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise vorzunehmen ist (vgl. oben E. 2.1), kommt es auf die rechtliche Ausgestaltung oder die Bezeichnung des Kredits durch die Vertragsparteien nicht entscheidend an. Anlagekosten können auch dann vorliegen, wenn die Finanzierung eines Neu- oder Umbaus durch andere Mittel als einen Baukredit erfolgt, z.B. anhand der Sicherstellung durch eine bereits bestehende Hypothek (vgl. StR 67/2012 S. 185 E. 3.1). Mit Blick auf die wirtschaftliche Funktion der Finanzierung sind bei genügendem Zusammenhang mit der nachmaligen Überbauung selbst sog. Landerwerbskreditzinsen als Anlagekosten einzustufen (vgl. ASA 65 S. 750 E. 4b; 2P.43/1996 vom 1. März 1999 E. 2e) : Auch wenn der Erwerb der Liegenschaft einerseits und der Abbruch sowie die Neuüberbauung andererseits durch zwei voneinander unabhängige Geschäfte (d.h. einen Landerwerbskredit und einen Baukredit) finanziert werden, sind diese als Gesamtheit zu betrachten; die beiden Rechtsgeschäfte bilden die finanzielle Grundlage dessen, was die Pflichtigen wollen, nämlich den Erwerb einer Liegenschaft und deren Überbauung. Die Zinsen des Landerwerbskredits dienen dann ebenfalls der Anschaffung bzw. Verbesserung des Grundstücks und können deshalb nicht zum Abzug zugelassen werden.
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Erwägung 3
 
3.1. Vorliegend hat das Steuergericht erwogen, die massgeblichen Zinsen seien nicht als Anlagekosten, sondern als abzugsfähige Schuldzinsen einzustufen.
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3.1.1. Abweichend von der Rechtsprechung hat die Vorinstanz bloss danach gefragt, ob Baukreditzinsen vorliegen. Solche seien schon deshalb nicht gegeben, weil die massgeblichen Zinsen sich nur auf die Finanzierung des Landerwerbs beziehen würden, nicht aber auf die nachmalige Überbauung; diese sei vom beigezogenen Generalunternehmer finanziert und durchgeführt worden.
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3.1.2. Die vom Steuergericht vorgenommene Unterscheidung vermag nicht zu überzeugen. Im Einklang mit der dargestellten Rechtsprechung (vgl. oben E. 2.3) müssen auch Baulandkreditzinsen als Anlagekosten eingestuft werden, wenn sie aufgrund ihres technischen, wirtschaftlichen und zeitlichen Zusammenhangs mit dem Bauprojekt (vgl. oben E. 2.2) Investitionskosten darstellen. Dieser Zusammenhang ist hier im erforderlichen Ausmass gegeben, und zwar für die Zinsen beider Hypothekargeschäfte. Daran ändert auch nichts, dass die Überbauung zu der genannten Aufgabenteilung zwischen den Beschwerdegegnern und dem Generalunternehmer führte. Die beiden Finanzierungsgeschäfte bildeten die gemeinsame Grundlage dessen, was die Beschwerdegegner und die beigezogene Generalunternehmung wollten, nämlich den Erwerb der Liegenschaft und deren Überbauung.
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3.2. Die Beschwerdegegner machen geltend, der massgebliche Beweggrund für den Erwerb der Nachbarliegenschaft sei die Absicht gewesen zu verhindern, dass mit einer westlich ihres Hauses möglichen Neubaute der eigene Ausblick talwärts und die Besonnung ihres Hauses negativ beeinflusst würden; die Verbauung dieser Aussicht hätte zu einer massiven Entwertung ihrer Wohnliegenschaft geführt.
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3.3. Gemäss der Rechtsprechung sind Bau (land) kreditzinsen bei der Einkommenssteuer unabhängig davon als Anlagekosten einzustufen, ob sich das neu erworbene Grundstück im Privat- oder im Geschäftsvermögen befindet (vgl. oben E. 2.2 in fine). So erübrigt sich zu prüfen, ob eine von den Beschwerdegegnern behauptete telefonische Auskunft der Veranlagungsbehörde, wonach das gewählte Vorgehen trotz Zusammenwirken mit einer Generalbauunternehmung kein gewerbsmässiges Handeln darstelle, gestützt auf Art. 9 BV einen Schutz nach Treu und Glauben bewirken könnte.
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Erwägung 4
 
 
Erwägung 5
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Verfahren 2C_874/2013 und 2C_875/2013 werden vereinigt.
 
2. Die Beschwerde betreffend die direkte Bundessteuer wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 12. August 2013 aufgehoben und der Einspracheentscheid des Steueramts des Kantons Solothurn vom 13. Dezember 2012 bestätigt.
 
3. Die Beschwerde betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonalen Steuergerichts vom 12. August 2013 aufgehoben und der Einspracheentscheid des Steueramts des Kantons Solothurn vom 13. Dezember 2012 bestätigt.
 
4. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdegegnern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
 
5. Die Sache wird zur Neufestlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an das Kantonale Steuergericht Solothurn zurückgewiesen.
 
6. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonalen Steuergericht Solothurn und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 21. Mai 2014
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Matter
 
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