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Informationen zum Dokument  BGer 6B_138/2013  Materielle Begründung
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BGer 6B_138/2013 vom 19.05.2014
 
{T 0/2}
 
6B_138/2013
 
 
Urteil vom 19. Mai 2014
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichter Denys, Rüedi,
 
Gerichtsschreiberin Siegenthaler.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Fiona Forrer,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1.  Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
 
2. B.________,
 
3. C.________,
 
4. D.________,
 
5. E.________,
 
6. F.________,
 
2., 3., 4., 5. und 6. vertreten durch Rechtsanwalt
 
Dr. Mirko Alfred Ros,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Üble Nachrede, rechtliches Gehör, Willkür,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 5. November 2012.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Zwischen A.________ und der Gemeinde U.________ schwelt ein langjähriger Konflikt. Im Zentrum stehen das Gemeindegebiet V.________ und eine darauf vorgenommene Landumlegung und -erschliessung, woran neben anderen Parteien A.________ und die Gemeinde U.________ als Grundeigentümer beteiligt waren. B.________ wirkte als Leiter des Bauamts der Gemeinde U.________, C.________ als Gemeindeschreiber, D.________ als Gemeindepräsident, E.________ als Bauvorstand und F.________ als Hochbau- und Planungsvorstand. Diese Behördenvertreter stellten Strafantrag gegen A.________, nachdem er verschiedene Schreiben verfasst hatte, die sie als ehrverletzend empfanden.
1
B. Das Bezirksgericht Meilen verurteilte A.________ wegen mehrfacher übler Nachrede im Sinne von Art. 173 Ziff. 1 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 90.-- bei einer Probezeit von 4 Jahren und einer Busse von Fr. 2'000.--. Auf Berufung von A.________ und Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft sowie der Privatkläger hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich den Schuldspruch gegen A.________ und belegte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 500.-- bei einer Probezeit von 3 Jahren und einer Busse von Fr. 5'000.--.
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C. A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Hauptantrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und er vom Vorwurf der mehrfachen üblen Nachrede im Sinne von Art. 173 Ziff. 1 Abs. 2 StGB [recte: Art. 173 Ziff. 1 Abs. 1 StGB] freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In den Anträgen 3. und 4. verlangt er, eventualiter wegen Beschimpfung, subeventualiter zu einer milderen Strafe verurteilt zu werden.
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Erwägungen:
 
1. Ausgangspunkt des zu beurteilenden Falls bilden fünf Schreiben aus dem Jahr 2009, die der Beschwerdeführer an den Gemeinderat und die Ortsparteipräsidenten der Gemeinde U.________ sowie jeweils einen im Fokus des jeweiligen Schreibens stehenden Beschwerdegegner verschickte. Die Betreffzeilen der Schreiben lauteten "Machenschaften und Altlasten am Beispiel von" und nannten den betroffenen Beschwerdegegner sowie dessen Funktion. Der Beschwerdeführer nahm Bezug auf Briefe der betreffenden Beschwerdegegner und qualifizierte sie mit verschiedenen Ausdrücken (vgl. Urteil, S. 9-12).
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2. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer greife in die Ehre der Beschwerdegegner ein, indem er ihnen strafbare Handlungen vorwerfe. Er unterstelle ihnen Nötigung, Erpressung, Verleumdung, Begünstigung, Bestechung und Amtsmissbrauch, was die Beschwerdegegner in ihrem Ruf treffe, ehrbare Menschen zu sein. Er spreche ihnen Verantwortungsbewusstsein und Pflichtgefühl ab, indem er ihnen unterstelle, "charakterlos und arglistig", "gaunerhaft erpressend", "eigenmächtig und despotisch" vorzugehen und "gegen Rechte und Pflichten" oder "gegen jede Sorgfaltspflicht" zu verstossen. Er unterstelle ihnen, sich nicht ordnungsgemäss und anständig zu benehmen und moralisch verwerflich zu handeln und setze sie damit in ihrem Charakter herab. Dadurch sei ihre Persönlichkeit in ihrer menschlich-sittlichen Bedeutung berührt. Der Beschwerdeführer sei sich der Tragweite seiner Äusserungen bewusst gewesen. Nachdem er sie gegenüber Dritten kundgetan habe, sei der Tatbestand der üblen Nachrede im Sinne von Art. 173 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erfüllt (Urteil, S. 9-18).
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Erwägung 3
 
3.1. Gemäss Art. 173 Ziff. 1 Abs. 1 StGB macht sich der üblen Nachrede strafbar, wer jemanden bei einem anderen eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt (vgl. auch Art. 174 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Auf die Form der Mitteilung kommt es nicht an; sie kann mündlich oder schriftlich erfolgen (Art. 176 StGB). Die Strafbarkeit der Äusserung beurteilt sich nach dem Sinn, den ein unbefangener Durchschnittsadressat dieser unter den gegebenen Umständen beilegt (BGE 128 IV 53 E. 1a mit Hinweisen). Unerheblich ist, ob die Drittperson die Beschuldigung oder Verdächtigung für wahr hält oder nicht (BGE 103 IV 22). Handelt es sich um einen Text, so ist er nicht allein anhand der verwendeten Ausdrücke - je für sich allein genommen - zu würdigen, sondern nach dem Sinn, der sich aus ihm als Ganzes ergibt (BGE 117 IV 27 E. 2c). Welcher Sinn einer Äusserung zukommt, ist eine Rechtsfrage.
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3.2. Der Schluss der Vorinstanz, mit dem Schreiben und Versenden der fraglichen Briefe habe der Beschwerdeführer den Tatbestand der üblen Nachrede im Sinne von Art. 173 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erfüllt, ist zutreffend. Auf ihre Ausführungen hinsichtlich objektiver und subjektiver Tatbestandselemente sowie fehlender Rechtfertigungsgründe kann verwiesen werden (Urteil, S. 13-20).
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4. Was der Beschwerdeführer dagegen einwendet, führt zu keinem anderen Ergebnis.
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4.1. Zunächst rügt er die Verletzung von Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG i.V.m. Art. 173 Ziff. 2 und 3 StGB). Zur Begründung führt er aus, die Vorinstanz habe ihn zwar formell zum Wahrheits- bzw. Gutglaubensbeweis nach Art. 173 Ziff. 2 StGB zugelassen. Materiell habe sie diesen aber nicht geprüft. Vielmehr habe sie dargelegt, weshalb diese Prüfung unterbleiben könne. Aus verschiedenen Gründen sei die vorinstanzliche Argumentation nicht haltbar (vgl. Beschwerde, S. 4-6).
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4.1.1. Nach Art. 173 Ziff. 2 StGB ist ein Beschuldigter nicht strafbar, wenn er beweist, dass die von ihm vorgebrachte Äusserung der Wahrheit entspricht. Beweislast und Beweislastrisiko trägt dabei der Beschuldigte, der Grundsatz "in dubio pro reo" greift nicht (Urteil 6B_461/2008 vom 4. September 2008 E. 3.3.4 mit Hinweisen).
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4.1.2. Die Berufungsbegründung des Beschwerdeführers vor Vorinstanz, mittels welcher er (unter anderem) den Wahrheits- bzw. Gutglaubensbeweis hinsichtlich seiner inkriminierten Aussagen zu führen beabsichtigte, ist mit 52 Seiten von bedeutendem Umfang. In erster Linie enthält sie umfangreiche Ausführungen zur gesamten Prozess (vor) geschichte, eine Vielzahl von Zitaten aus den Aussagen verschiedener Personen sowie aus den Plädoyernotizen seines früheren Anwalts, ausführliche Erklärungen seiner Beweggründe, die inkriminierten Schreiben zu verfassen, und rechtliche Erläuterungen, weshalb der Tatbestand nach Art. 173 Ziff. 1 StGB weder objektiv noch subjektiv erfüllt sei.
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4.1.3. Damit erübrigt sich die Prüfung der Einwände des Beschwerdeführers gegen die vorinstanzliche Begründung (Beschwerde, S. 4-6). Infolge der Rechtsanwendung von Amtes wegen kann das Bundesgericht im Falle materieller Rechtmässigkeit eines Entscheids eine unzutreffende Begründung durch eine eigene, bundesrechtskonforme ersetzen und das angefochtene Urteil mit dieser bestätigen ("Begründungssubstitution", vgl. BGE 133 III 545 E. 2.2; 132 II 257 E. 2.5; je mit Hinweisen). Dem Anspruch auf rechtliches Gehör ist dabei Rechnung zu tragen (Urteil 1B_163/2013 vom 4. November 2013 E. 4.2). Das rechtliche Gehör in Bezug auf den Wahrheits- bzw. Gutglaubensbeweis wurde dem Beschwerdeführer vor Vorinstanz ausreichend gewährt (vgl. E. 4.2.2). Einer Begründungsubstitution steht folglich nichts entgegen. Der vorinstanzliche Entscheid kann bestätigt werden (zur Unbegründetheit der übrigen Rügen vgl. E. 4.2. ff.).
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4.2. Weiter rügt der Beschwerdeführer die Verletzung verfassungsmässiger Rechte und verweist auf Art. 29 Abs. 2 BV sowie Art. 6 EMRK (Beschwerde, S. 3). Eine entsprechende Begründung findet sich in der Beschwerdeschrift nicht. Darauf ist nicht einzutreten.
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4.3. Dasselbe gilt, soweit der Beschwerdeführer eine auf einer Rechtsverletzung beruhende sowie offensichtlich unvollständige Feststellung des Sachverhalts rügt (Beschwerde, S. 3). Mangels Begründung ist auch auf diese Rüge nicht einzutreten.
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Erwägung 5
 
5.1. Der Beschwerdeführer beanstandet die Strafzumessung (Beschwerde, S. 32-35). Die Grundsätze der Strafzumessung hat das Bundesgericht wiederholt dargelegt (BGE 136 IV 55 E. 5.4 ff.; 135 IV 130 E. 5.3.1; je mit Hinweisen).
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5.2. Die Vorinstanz verweist bei der Bemessung der Strafe auf die Ausführungen der ersten Instanz und nimmt Ergänzungen vor. Sie setzt sich mit den wesentlichen schuldrelevanten Komponenten auseinander und würdigt sämtliche Zumessungsfaktoren zutreffend. Dass sie sich von unmassgeblichen Gesichtspunkten hätte leiten lassen oder wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt hätte, ist nicht ersichtlich. Auf ihre Ausführungen kann verwiesen werden (Urteil, S. 26-30; erstinstanzliches Urteil, S. 22-26).
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5.3. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, er habe bei der Begehung der Taten nicht gewusst, dass er sich rechtswidrig verhält (Beschwerde, S. 34), weicht er von der Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz ab, ohne Willkür darzutun (vgl. E. 4.3.2).
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6. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 19. Mai 2014
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Die Gerichtsschreiberin: Siegenthaler
 
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