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Informationen zum Dokument  BGer 2C_967/2013  Materielle Begründung
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BGer 2C_967/2013 vom 19.05.2014
 
{T 0/2}
 
2C_967/2013
 
 
Urteil vom 19. Mai 2014
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Donzallaz, Kneubühler,
 
Gerichtsschreiber Wyssmann.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________ AG,
 
vertreten durch OBT AG,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Mehrwertsteuer (1. Quartal 2002 bis 1. Quartal 2008),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 12. September 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die A.________ AG mit Sitz in U.________ (nachfolgend: die Steuerpflichtige) nimmt am professionellen ...-Spielbetrieb teil. Nebst einer aus Berufsspielern bestehenden, in der Nationalliga A spielenden ersten Mannschaft verfügt sie über mehrere Nachwuchsmannschaften. Sie ist bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung als Mehrwertsteuerpflichtige eingetragen.
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B. Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht beantragte die Steuerpflichtige, der Einspracheentscheid sowie der Entscheid vom 17. November 2009 seien aufzuheben und es sei festzustellen, dass die mit EA 362'146 in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer nicht geschuldet sei. Mit Urteil vom 12. September 2013 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Das Nichteintreten bezog sich auf ein Feststellungsbegehren, dem angesichts des (negativen) Leistungsbegehrens keine eigenständige Bedeutung zukam.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Steuerpflichtige, es sei das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. September 2013 aufzuheben.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) eingereicht und richtet sich gegen einen Endentscheid (Art. 90 BGG) des Bundesverwaltungsgerichts (Art. 86 Abs. 1 BGG) in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG). Ein Ausschlussgrund (Art. 83 BGG) liegt nicht vor. Die Beschwerdeführerin ist durch den Entscheid besonders berührt und besitzt ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
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1.2. Mit der Beschwerde können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es im Rahmen der allgemeinen Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Die Verletzung von Grundrechten ist nur zu prüfen, wenn eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; zum Ganzen BGE 135 III 397 E. 1.4 S. 400; 133 II 249 E. 1.4.1 f. S. 254 mit Hinweisen).
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1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhaltes kann - soweit rechtserheblich - nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht. Eine solche Rüge ist ausdrücklich zu erheben und zu begründen (Art. 97 Abs. 1 BGG).
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1.4. Am 1. Januar 2010 trat das neue Bundesgesetz vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (MWSTG; SR 641.20) in Kraft. Für Leistungen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erbracht worden sind, gilt in materieller Hinsicht noch das alte Recht (Art. 112 Abs. 2 MWSTG). Vorliegend geht es um die Mehrwertsteuer auf Umsätzen vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2008. Darauf findet noch das Mehrwertsteuergesetz vom 2. September 1999 (aMWSTG; AS 2000 1300) Anwendung.
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Erwägung 2
 
2.1. Gemäss Art. 5 aMWSTG unterliegen - abgesehen von der Steuer auf dem Eigenverbrauch - nur gegen Entgelt erbrachte Lieferungen und Dienstleistungen der Mehrwertsteuer. Damit ein steuerbarer Umsatz vorliegt, ist ein Austausch von Leistungen notwendig. Die Leistung, die erbracht wird, ist eine Lieferung oder Dienstleistung, die Gegenleistung besteht im Entgelt. Nach Art. 33 Abs. 1 aMWSTG wird die Steuer vom Entgelt berechnet. Zum Entgelt gehört alles, was der Empfänger oder an seiner Stelle ein Dritter für die Lieferung oder Dienstleistung aufwendet (Art. 33 Abs. 2 aMWSTG). Das Entgelt ist somit Voraussetzung dafür, dass ein Leistungsaustausch vorliegt, und zugleich Berechnungsgrundlage für die Mehrwertsteuer. Die Praxis verlangt eine "innere wirtschaftliche Verknüpfung" in dem Sinn, dass die Leistung die Gegenleistung auslöst, sich die beiden Leistungen also bedingen (BGE 138 II 239 E. 3.2 S. 241; 132 II 353 E. 4.1 S. 357; 126 II 443 E. 6a S. 451 f.).
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2.2. Für die Frage, ob Sponsoring und ähnliche Leistungen der Mehrwertsteuer unterliegen, ist folglich von Bedeutung, ob damit ein Leistungsaustausch verbunden ist. Abgrenzungen drängen sich namentlich zu den Spenden und anderen freiwilligen Zuwendungen von Dritten auf; diese erfolgen ohne Gegenleistung und unterliegen damit der Steuer nicht (Urteil 2A.43/2002 vom 8. Januar 2003 E. 3.1, in: ASA 73 S. 565; 2A.526/2003 vom 1. Juli 2004 E. 1.2, in: ASA 76 S. 316; s. auch Urteil 2C_576/2013 E. 2.2.3, in: ASA 82 S. 478 [Zusammenfassung]). Die Spenden werden wie auch die Subventionen und Beiträge der öffentlichen Hand in Art. 38 Abs. 8 aMWSTG ausdrücklich erwähnt. Sie fliessen, wenn sie nicht einzelnen Umsätzen des Empfängers als Gegenleistung zugeordnet werden können, nicht in die Bemessungsgrundlage ein (vgl. CAMENZIND/HONAUER/VALLENDER/ JUNG/PROBST, Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz, 3. Aufl. 2012, Rz. 778 S. 303).
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2.3. Sponsoring bedeutet aus betriebswirtschaftlicher Sicht nach einer Begriffsumschreibung von Manfred Bruhn (Sponsoring, Systematische Planung und integrativer Einsatz, 5. Aufl. Wiesbaden 2010, S. 6 ff.) die Bereitstellung von Geld, Sachmitteln, Dienstleistungen oder Know-how durch Unternehmen oder Institutionen zur Förderung von Personen, Gruppen oder Organisationen in den Bereichen Sport, Kultur, Soziales, Umwelt und/oder Medien, um damit gleichzeitig Ziele der eigenen Marketing- und Unternehmenskommunikation zu erreichen (s. auch BRUHN/MEHLINGER, Rechtliche Gestaltung des Sponsoring, 2. Aufl., München 1995, S. 4; Urteile 2A.43/2002 vom 8. Januar 2003 E. 3.1.1, in: ASA 73 S. 565; 2A.150/2001 vom 13. Februar 2002 E. 5b, in: ASA 72 S. 231). Wesensmässig ist dem Sponsoring ein Austauschverhältnis, das aus Leistung und Gegenleistung besteht, inhärent. Dadurch unterscheidet es sich vom Mäzenatentum ( BRUHN/MEHLINGER, a.a.O., S. 54), das heisst der altruistischen Förderung fremder Ziele, sowie von der Spende, bei welcher weder ein fremdes Ziel gefördert noch eine Gegenleistung erwartet wird ( BRUHN/MEHLINGER, a.a.O., S. 55; s. auch PIERRE-MARIE GLAUSER Sponsoring et TVA, in: Der Schweizer Treuhänder [ST] 2005 S. 887; OLIVER HÜGLI, Sponsoring und Spenden bei der Mehrwertsteuer, ST 2004 S. 351; ANDRÉ WAHRENBERGER, Sportsponsoringverträge, in: Sport und Recht, 2. Tagungsband, 2005, S. 149).
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Erwägung 3
 
3.1. Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz unterhält die Beschwerdeführerin spätestens seit Anfangs 2003 auf ihrer Homepage einen eigenen Bereich für den ... Club. Dort wird der Club vorgestellt (Tätigkeiten, Ziele, Kosten usw.), auf bevorstehende Clubanlässe hingewiesen sowie allgemein für die Clubmitgliedschaft bzw. deren Vorzüge geworben ("der grösste Businessclub der Grossregion", "JETZT Mitglied werden", "nur ein paar Treppentritte zu Ihrem Sitz", "der reservierte Parkplatz", "die ...-Club-Anlässe", "alles rund um den ... Club", "die Ziele des ... Clubs", "die Kosten im ...-Club" usw.). Im Zeitraum von Herbst 2004 bis Herbst 2007 war in der Rubrik ausserdem ein "aktuelles Mitgliederverzeichnis" aufgeschaltet, in dem sämtliche Clubmitglieder namentlich aufgeführt waren. Den Namen der betreffenden natürlichen Personen war ein Hinweis auf deren allfällige berufliche, gewerbliche oder unternehmerische Tätigkeit samt Adressangabe beigefügt.
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3.2. Zu prüfen ist, wie sich die beidseitigen Leistungen bedingen.
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3.3. Empfänger der von der Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen war im Übrigen klarerweise der ... Club und nicht dessen Mitglieder, auch wenn diese vom Herbst 2004 bis Herbst 2007 im aufgeschalteten Mitgliederverzeichnis mit Namen, Adresse und beruflicher oder gewerblicher Aktivität erwähnt wurden. Die Mitgliedschaft im ... Club beinhaltet gemäss der Vereinsstatuten zwei Saisonkarten (Sitzplätze) für die Spiele der 1. Mannschaft der ..., den Zutritt zum clubeigenen Restaurant sowie die Möglichkeit, gegen Gebühr einen Parkplatz neben dem Stadion zu reservieren. Der Club erfüllte diese Verpflichtungen gegenüber seinen Mitgliedern, indem er die Leistungen durch die Beschwerdeführerin bereitstellen liess. Die Mitglieder ihrerseits erbrachten ihre Leistungen in Form von Mitglieder- oder Vereinsbeiträgen direkt gegenüber dem Club. Diese Leistungsverhältnisse zwischen Club und Vereinsmitgliedern bilden hier nicht Verfahrensgegenstand. In Frage steht einzig das Verhältnis zwischen Beschwerdeführerin und Club.
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3.4. Die Steuer wird vom Entgelt berechnet (Art. 33 Abs. 1 aMWSTG). Zum Entgelt gehört alles, was der Empfänger oder an dessen Stelle ein Dritter für die Lieferung oder Dienstleistung aufwendet, einschliesslich der Spenden, die unmittelbar den einzelnen Umsätzen zugeordnet werden können (Art. 33 Abs. 2 Satz 1 aMWSTG). Von der Steuer ausgenommen ist das Entgelt für den Besuch sportlicher Anlässe (Art. 18 Ziff. 15 aMWSTG), wobei insoweit auch kein Anspruch auf Vorsteuerabzug besteht (Art. 17 aMWSTG). Dem wird durch verhältnismässige Kürzung des Vorsteuerabzuges im Verhältnis der von der Steuer ausgenommenen Leistungen zu den gesamten Leistungen Rechnung getragen (Art. 38 Abs. 8 aMWSTG analog).
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4. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, führt zu keiner anderen Beurteilung.
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4.1. Die Beschwerdeführerin macht in der Beschwerde geltend, Gegenstand der strittigen Aufrechnungen sei einzig die vorübergehende Aufschaltung der Mitgliederliste des ... Clubs gewesen unter Ausschluss der übrigen Bekanntmachungsdienstleistungen für den Club, welche auch die ESTV nie als eine steuerbare Leistung betrachtet habe. Letztere könnten daher nicht besteuert werden.
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4.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Mitgliederliste auf der Homepage der Beschwerdeführerin nur durch eine weitere aktive Suche aufgerufen werden konnte. Es habe daher bloss die Möglichkeit der Information bestanden, was noch keine steuerbare Werbe (dienst) leistung darstelle.
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4.3. In der Beschwerde macht die Beschwerdeführerin sodann geltend, der ... Club habe als Stellvertreter im Sinne von Art. 11 Abs. 1 aMWSTG - also in direkter Stellvertretung im Namen und auf Rechnung der Vereinsmitglieder - die Saisonkarten ("Tickets") bezogen und die Mitgliederbeiträge teils als Entgelt für die Tickets, teils als Spenden an die Beschwerdeführerin weitergeleitet. Das Verhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und den Clubmitgliedern sei aber nicht Verfahrensgegenstand. Die Spenden könnten schon aus diesem Grund nicht als Gegenleistung gelten (Art. 38 Abs. 8 aMWSTG a contrario).
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4.4. Die Beschwerdeführerin wendet ein, dass sie weder die Mitglieder des Clubs noch den Club selbst über die Aufschaltung der Mitgliederliste auf ihrer Homepage informiert habe. Diese hätten eine solche Publikation daher auch nicht erwartet.
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4.5. Die Beschwerdeführerin behauptet ein krasses Missverhältnis zwischen den als Entgelt besteuerten Zuwendungen des Clubs und den dem Club aus den Bekanntmachungsdienstleistungen der Beschwerdeführerin erwachsenen wirtschaftlichen Vorteilen. Sie schliesst daraus, dass nicht die gesamten Zuwendungen des Clubs an die Beschwerdeführerin als Entgelt für die Bekanntmachungsdienstleistungen qualifiziert werden könnten.
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4.6. Die Beschwerdeführerin hat sich im vorinstanzlichen Verfahren auch auf Art. 33a Abs. 1 aMWSTG berufen. Gemäss dieser Vorschrift erbringen gemeinnützige Organisationen, die Beiträge erhalten, keine Gegenleistung, wenn sie in Publikationen ihrer Wahl den Namen oder die Firma des Beitragszahlers in neutraler Form einmalig oder mehrmalig nennen oder bloss das Logo oder die Originalbezeichnung von dessen Firma verwenden. Die Bestimmung ist im Falle der Beschwerdeführerin schon deshalb nicht anwendbar, weil deren Bekanntmachungsdienstleistungen für den Club weit über das hinausgehen, was in Art. 33a Abs. 1 aMWSTG noch als zulässige und nichtschädliche Tätigkeit genannt wird (s. dazu auch angefochtenes Urteil E. 5.1).
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5. Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen. Als unterliegende Partei hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 65, 66 BGG). Eine Parteientschädigung ist der ESTV nicht zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 8'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 19. Mai 2014
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Wyssmann
 
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