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Informationen zum Dokument  BGer 2C_498/2013  Materielle Begründung
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BGer 2C_498/2013 vom 29.04.2014
 
{T 0/2}
 
2C_498/2013
 
 
Urteil vom 29. April 2014
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Bundesrichter Donzallaz, Stadelmann, Kneubühler,
 
Gerichtsschreiberin Genner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Steueramt des Kantons Aargau,
 
Tellistrasse 67, 5001 Aarau 1 Fächer.
 
Gegenstand
 
Kantons- und Gemeindesteuern 2010,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 26. April 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Gerichtsentscheid über die direkten Steuern des Kantons. Dagegen steht gemäss Art. 82 ff. BGG in Verbindung mit Art. 73 StHG (SR 642.14) die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen. Auf die im Übrigen form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist deshalb einzutreten.
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1.2. Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dabei prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG).
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Erwägung 2
 
 
Erwägung 3
 
 
Erwägung 4
 
4.1. Art. 15 Abs. 1 DBA-JP enthält die Grundregelung für die Zuweisung von Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, wie sie im OECD-Musterabkommen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (nachfolgend: OECD-Musterabkommen) vorgesehen ist und wie sie in allen DBA der Schweiz übernommen wurde. Diese Grundregel weist das Besteuerungsrecht in erster Linie dem Tätigkeitsstaat zu; der Ansässigkeitsstaat ist - im Sinn einer Auffangregel - zuständig für die Besteuerung derjenigen Einkommen, die nicht aus der Tätigkeit im anderen Vertragsstaat stammen. Die Besteuerung des Einkommens im Tätigkeitsstaat stellt in doppelbesteuerungsrechtlich relevanten Konstellationen den Regelfall dar.
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Demgemäss führt der Kommentar zum gleichlautenden Art. 15 des OECD-Musterabkommens in N. 1 (Fassung vom 22. Juli 2010; zur [umstrittenen, aber hier nicht entscheidrelevanten] Frage, welche Fassung des Kommentars zur Auslegung von Abkommensbestimmungen herangezogen werden soll, vgl. Daniel de Vries Reilingh, Manuel de droit fiscal international, 2012, S. 60 f.; Stefan Oesterhelt, Bedeutung des OECD-Kommentars für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, ASA 80 S. 373 ff., hier S. 379 ff.; Michael Lang, Schweizer Bundesgericht zur DBA-Auslegung, in: Deutsches und internationales Steuerrecht, Festschrift für Christiana Djanani, 2008, S. 495 ff., hier S. 499) aus: "Le paragraphe 1 pose la règle générale applicable en matière d'imposition des revenus provenant d'activité salariées, à l'exception des pensions, selon laquelle ces revenues sont imposables dans l'État où l'emploi salarié est effectivement exercé. [...] L'emploi est exercé à l'endroit où le salarié est physiquement présent lorsqu'il exerce les activités au titre desquelles les revenues liés à l'emploi sont payés. [...]"
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4.2. Die Vorinstanz hat aus der Formulierung des zweiten Satzes von Art. 15 Abs. 1 DBA-JP ("so können [...] in dem anderen Vertragstaat besteuert werden") geschlossen, dem Ansässigkeitsstaat stehe daneben ein zusätzliches oder allenfalls ergänzendes Besteuerungsrecht zu. Dieser Schluss ist unzutreffend.
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4.3. Art. 15 Abs. 1 DBA-JP sieht jedoch einige Ausnahmen von der erwähnten Grundregel vor, indem er die Artikel 16, 18, 19 und 20 DBA-JP vorbehält. Hier interessiert in erster Linie die Bedeutung des Vorbehalts von Art. 20 DBA-JP. Um dessen Funktion und Rechtswirkungen zu verstehen, ist es notwendig, auch einen Blick auf die anderen Vorbehalte zu werfen:
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a) Nach Art. 16 DBA-JP werden Verwaltungsratsvergütungen aus einer Gesellschaft mit Sitz im Nichtansässigkeits-Staat, im Sitzstaat der Gesellschaft besteuert. Diese Bestimmung bedeutet im Ergebnis, dass bei der Tätigkeit als Verwaltungsrat fingiert wird, der Arbeitsort befinde sich am Sitz der Gesellschaft; es handelt sich also um eine ergänzende Bestimmung zur Grundregel von Art. 15 Abs. 1 DBA-JP, welche die Besteuerung am Arbeitsort vorsieht. Somit wird an der Zuständigkeit des Arbeitsorts nichts geändert, sondern nur der Sitz der Gesellschaft als Arbeitsort fingiert.
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b) Nach Art. 18 DBA-JP werden Ruhegehälter für früher ausgeübte unselbständige Arbeit nur im Ansässigkeitsstaat besteuert. Es handelt sich damit um eine Ausnahmeregelung vom Grundsatz der Besteuerung am Arbeitsort zugunsten des Ansässigkeitsstaates. Sie basiert auf der Überlegung, dass im Ruhestand der Konnex zum früheren Tätigkeitsort nicht mehr als gegeben erachtet wird, obwohl die Ausrichtung des Ruhegehalts eine direkte Folge der früheren Tätigkeit ist.
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c) Nach Art. 19 DBA-JP werden Gehälter und Ruhegehälter, die von der öffentlichen Hand an einen Staatsangehörigen ausbezahlt werden, nur im auszahlenden Staat besteuert. Es handelt sich ebenfalls um eine Ausnahmeregelung vom Grundsatz der Besteuerung am Arbeitsort, diesmal zugunsten des auszahlenden Staates.
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Erwägung 5
 
5.1. Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen richtet sich nach Völkervertragsrecht und Völkergewohnheitsrecht (Robert Waldburger, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen in der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts, in: Michael Lang und andere, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen in der Rechtsprechung der Höchstgerichte Deutschlands, der Schweiz und Österreichs, 1998, S. 54). Bei der Auslegung und Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens kann prinzipiell auf die Grundsätze des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (Wiener Übereinkommen; SR 0.111, nachfolgend: VRK) abgestellt werden (BGE 139 II 404 E. 7.2.1 S. 422; Xavier Oberson, Précis de droit fiscal international, 4. Aufl. 2014, Rz. 107). Ein in Kraft stehender Vertrag bindet gemäss Art. 26 VRK die Vertragsparteien und ist von ihnen nach Treu und Glauben zu erfüllen. Dieser Grundsatz gebietet die redliche, von Spitzfindigkeiten und Winkelzügen freie Auslegung von vertraglichen Bestimmungen (Jean-Marc Rivier, L'interprétation des Conventions de double imposition, RDAF 2000 II p. 125; Mark E. Villiger, Commentary on the 1969 Vienna Convention on the Law of Treaties, 2009, N. 8 zu Art. 26 VRK [nachfolgend: Commentary]; ders., Articles 31 and 32 of the Vienna Convention on the Law of Treaties in the Case-Law of the European Court of Human Rights [nachfolgend: Articles 31 and 32], in: Festschrift für Georg Ress zum 70. Geburtstag am 21. Januar 2005, 2005, S. 329). Eine Auslegung nach Treu und Glauben beachtet auch das Rechtsmissbrauchsverbot einschliesslich des Verbots des venire contra factum proprium.
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5.2. Bei genauerer Analyse des Wortlauts vom Art. 20 DBA-JP zeigt sich, dass - anders als in den in E. 4.3 genannten Artikeln 16, 18 und 19 DBA-JP - nicht gesagt wird, der eine oder der andere Staat könne ein bestimmtes Einkommen besteuern. Art. 20 DBA-JP hält lediglich fest, dass in dieser Konstellation der Professor oder Lehrer im Tätigkeitsstaat von der Steuer auf den Einkünften befreit ist. Die Bestimmung sieht also nicht die Zuweisung der Besteuerungsbefugnis für die fraglichen Einkünfte an den Ansässigkeitsstaat vor. Sie stipuliert vielmehr eine Befreiung von der Besteuerung. Die Steuerbefreiung greift auch dann, wenn die steuerpflichtige Person nicht mehr in demselben Staat ansässig ist wie bei oder vor der Aufnahme der Lehr- oder Forschungstätigkeit. Selbst wenn also der Beschwerdeführer 1 während seiner Lehrtätigkeit in Japan vorübergehend dort ansässig geworden wäre, wären seine Einkünfte aus der dortigen Lehrtätigkeit von der Besteuerung befreit gewesen. Eine solche Regelung würde keinen Sinn machen, wenn es lediglich darum ginge, das Besteuerungsrecht des Staates der Arbeitstätigkeit zu verhindern und im übrigen die Besteuerungsbefugnis des Ansässigkeitsstaates beizubehalten. Vielmehr ergibt sich daraus geradezu explizit, dass es sich bei Art. 20 DBA-JP nicht um eine Zuteilungsnorm handeln kann.
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5.3. Diese Auslegung von Art. 20 DBA-JP wird auch in der Lehre vertreten: "Mit Bezug auf die Normstruktur ergibt sich [...] eine Besonderheit: Bei den Normen über Gastprofessoren und Lehrer handelt es sich nämlich nicht um Zuteilungsnormen; es wird nicht das Besteuerungsrecht für die Einkünfte zugeteilt, sondern es werden Bedingungen aufgestellt, unter denen der Tätigkeitsstaat die Steuerbefreiung zu gewährleisten hat" (Robert Waldburger, Das Einkommen aus unselbständiger Arbeit im internationalen Steuerrecht der Schweiz, 1990, S. 287; vgl. auch Tan How Teck, The "Teachers and Researchers" Article in Singapore's Tax Treaties, in: Bulletin - Tax Treaty Monitor March 2006, S. 119). Analog wird in der deutschen Literatur ausgeführt: "Ebenso wie Art. 20 sehen die Regelungen über Vergütungen für Gastprofessoren und -lehrer lediglich vor, dass die Vergütungen im Gastland steuerfrei sind" (Jochum/Lampert, in: Schönfeld/Ditz [Hrsg.], Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 2013, N 48 zu Art. 20 des OECD-Musterabkommens; widersprüchlich allerdings deren Aussage bei der Behandlung einzelner Doppelbesteuerungsabkommen, wonach die Steuerfreistellung im Gastland sich "mittelbar aus der Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Ansässigkeitsstaat" ergebe, vgl. Jochum/Lampert, a.a.O., N 57 zu Art. 20 DBA). Dort wird allerdings auch die Ansicht vertreten, in einer Vielzahl von Ländern sei es Voraussetzung zur Steuerfreistellung im Gastland, dass die Lehrkraft in ihrem bisherigen Wohnsitzstaat ansässig und damit unbeschränkt steuerpflichtig bleibe. Begründet wird dies ohne weitere Auseinandersetzung mit der Normstruktur und dem Charakter der Professorenklausel als Steuerbefreiungsbestimmung mit der - nicht weiter hergeleiteten - ratio der Bestimmung (vgl. Prokisch, in: Doppelbesteuerungsabkommen, N 170 f. zu Art. 15 DBA; ders., Besteuerung von Gastprofessoren, Auslandslehrern und ausländischen Studenten, in IWB Nr. 18 vom 28.9. 1994, F.3 Deutschland Gr. 3 S. 1091 ff. [nachfolgend: Besteuerung von Gastprofessoren], insb. S.1099; ebenso [ohne Begründung] Josef Bauer, Studenten, Gastlehrer und Gastprofessoren im DBA-Recht, in: Gassner und andere [Hrsg.], Arbeitnehmer im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2003, S. 236). Andererseits wird dargelegt: "Andere DBA gewähren die Steuerbefreiung im Gastland auch dann, wenn der Gastlehrer seine Ansässigkeit im ursprünglichen Wohnsitzstaat aufgegeben hat. Es genügt, dass er dort ansässig war, unmittelbar bevor er sich in den anderen Vertragsstaat begeben hat. Kann der ursprüngliche Wohnsitzstaat die Einkünfte nicht mehr besteuern, weil eine (unbeschränkte oder beschränkte) Steuerpflicht dort nicht mehr besteht, so kann es zur Doppelfreistellung kommen. Die Abkommen nehmen dies bewusst in Kauf" (Prokisch, in: Doppelbesteuerungskommentar, N 173 zu Art. 15 DBA; ders., Besteuerung von Gastprofessoren, S. 1100).
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5.4. Im Unterschied zu dieser Auslegung wird die Professorenklausel beispielsweise in der schwedischen Literatur - im Ergebnis - als Steuerzuteilungsnorm betrachtet: "Today a professor's clause in a double taxation treaty only means that the taxation of the income from the foreign university should take place in Sweden and not in the country of source. The treaty clause is thus reduced to a clause about the division of the right to tax between the country of source and the country of residence" (Gustaf Lindencrona, Tax Treatment of Visiting Professors, in: International Studies in Taxation: Law and Economics, 1999, S. 187 ff., hier S. 193; ebenso offenbar Ulf Zehetner, Gastprofessoren, Gastlehrer, Studenten und Auszubildende nach dem neuen DBA Österreich-Deutschland, in: Gassner/Lang/Lechner [Hrsg.], Das neue Doppelbesteuerungsabkommen Österreich-Deutschland, 1999, S. 185 ff., welcher von Art. 20 als "Verteilungsnorm" spricht, sowie Heinz Jirousek, Besteuerung international tätiger Gastprofessoren, ÖStZ 1998 Nr. 23 S. 619, der von Zuteilungsregeln spricht, wobei beide Autoren soweit ersichtlich keine Begründung für diese Qualifikation geben). Diese Ausführungen ändern jedoch nichts daran, dass es sich in Bezug auf die Professorenklausel in Schweizer DBA anders verhält: Lindencrona geht nicht darauf ein, dass die Professorenklausel in den DBA - zumindest in den DBA der Schweiz - gerade nicht als Steuerzuteilungsnorm konzipiert ist, sondern als Steuerbefreiungsnorm. Er begründet seine Auffassung im Wesentlichen mit dem Verweis auf das anwendbare interne schwedische Recht und dessen Änderungen. Abgesehen davon, dass sich der Sinn einer völkerrechtlich abgeschlossenen Regelung aufgrund der Änderung des internen Rechts nicht reduzieren kann, ist zu beachten, dass die schwedische Abkommenspraxis die Anrechnungsmethode nach Art. 23 B des OECD-Musterabkommens anwendet und nicht wie die Schweiz die Befreiungsmethode nach Art. 23 A des OECD-Musterabkommens (vgl. Art. 24 Abs. 1 des Abkommens vom 7. Mai 1965 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen; SR 0.672.971.41). Der Vergleich der schwedischen Praxis zur Professorenklausel mit jener der Schweiz ist daher nicht aussagekräftig.
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5.5. Hingegen ergibt ein Blick auf eine andere doppelbesteuerungsrechtliche Regelung betreffend Gastprofessoren, dass die vorliegend dargelegte Konzeption offensichtlich auch anderen Doppelbesteuerungsabkommen zugrunde liegt. So statuiert etwa Art. 20 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens vom 2. April 2001 zwischen dem Grossherzogtum Luxemburg und der Republik Slowenien (Convention entre le Grand-Duché de Luxembourg et la République de Slovénie tendant à éviter les doubles impositions en matière d'impôts sur le revenu et sur la fortune, Amtsblatt des Grossherzogtums Luxemburg vom 17. Dezember 2002, S. 3215 ff. [nachfolgend: DBA LU-SI]) die gleiche Regel wie Art. 20 DBA-JP, enthält jedoch folgenden Zusatz:
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5.6. Diese Auslegung ausgehend vom Wortlaut der fraglichen Bestimmung entspricht im Übrigen dem mit ihr verfolgten Zweck. Ziel und Zweck des Vertrags bestimmen sich anhand dessen, was die Parteien mit dem Vertrag erreichen und verwirklichen wollten (vgl. Rivier, a.a.O., S. 123, auch zum Folgenden; Villiger, Vienna Convention, N. 11 zu Art. 31 VRK; ders., Articles 31 and 32, a.a.O., S. 325).
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5.6.1. Der Zweck von Doppelbesteuerungsabkommen liegt zwar schwergewichtig, aber nicht ausschliesslich auf der Vermeidung der doppelten Besteuerung: "The terms of a tax treaty must be given their ordinary meaning in the context of the treaty as a whole, including its object and purpose. The primary purpose of a tax treaty [is] to avoid international juridical double taxation, in order to faciliate the international exchange of goods, services, capital, technology and persons. However, tax treaties do not deal exclusively with the elimination of double taxation, but also address such other issues as the prevention of fiscal evasion through the exchange of information and the assistance in the collection of taxes, as well as the elimination of discriminatory taxation. [...] The object and purpose of a tax treaty are relative to the text of the treaty and can only be given effect in so far as this does not do violence to its actual terms. Therefore, the application of any teleological principles of interpretation that require that a treaty is always given it's maximum effect in order to ensure the achievement of its underlying objects and purposes would undermine the primacy of the text and is, therefore, not in accordance with article 31 and 32 Vienna Convention on the Law of Treaties" (Frank Engelen, Interpretation of Tax Treaties under International Law, 2004, S. 428 f.).
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5.6.2. Art. 31 VRK sagt nichts darüber aus, welchen Quellen Ziel und Zweck eines Vertrags entnommen werden kann. Die Lehre unterstreicht diesbezüglich die Bedeutung des Titels und der Präambeln des Vertrags (Villiger, Vienna Convention, N. 13 zu Art. 31; Rivier, a.a.O., S. 122 f.). In diesem Stadium der Auslegung kann nicht auf die vorbereitenden Arbeiten und die Umstände des Vertragsabschlusses abgestellt werden; diese Auslegungsmittel sind lediglich subsidiär (vgl. E. 5.1; Engelen, a.a.O., S. 329 ff., 542 f.; Rivier, a.a.O., S. 122; Villiger, Vienna Convention, N. 7 ff. zu Art. 32 VRK; ders., Articles 31 and 32, a.a.O., S. 328; Wouters/Vidal, Non-Tax Treaties: Domestic Courts and Treaty Interpretation, in: Guglielmo Maisto [Hrsg.], Courts and Tax Treaty Law, 2007 [nachfolgend: Courts and Tax Treaty Law], S. 3 ff., 17). Mit diesem - eingeschränkten - Fokus ist nachfolgend auf die Äusserungen des Bundesrates betreffend die Professorenklausel in diversen Botschaften einzugehen.
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5.6.3. Die Botschaft vom 24. Februar 1971 zum DBA-JP (BBl 1971 I 661) enthält diesbezüglich keine Hinweise, sondern einzig einen Verweis auf das (seit 19. Dezember 1997 ausser Kraft stehende) Abkommen vom 24. Mai 1951 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen (aDBA-USA; AS 1951 892). In der Botschaft vom 29. Mai 1951 über die Genehmigung eines Abkommens zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen (BBl 1951 II 269, hier 279) wird ausgeführt: "Die Artikel XII und XIII bringen den Professoren, Lehrern, Studenten und Lehrlingen des einen Staates, die sich zu Lehr-, Studien- oder Ausbildungszwecken vorübergehend im andern Staate aufhalten, steuerliche Erleichterungen, indem solche Personen unter gewissen Voraussetzungen von der Entrichtung von Einkommenssteuern im Aufenthaltsstaate entbunden werden." Weil die Professorenklausel in beide Richtungen zur Anwendung kommt, kann "steuerliche Erleichterung" nicht bedeuten, dass zwar der Tätigkeitsort keine Steuern erheben kann, wohl aber der Ansässigkeitsstaat. Denn je nach Richtung des Austauschs würde aufgrund der unterschiedlichen Steuerbelastung keine steuerliche Erleichterung, sondern eine Mehrbelastung resultieren. Die in der Botschaft zum aDBA-USA erwähnte Steuererleichterung zeigt, dass die Professorenklausel als reine Steuerbefreiungsnorm konzipiert war.
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5.6.4. In der Botschaft vom 18. April 1973 über ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Trinidad und Tobago (BBl 1973 I 1228, hier 1233), in dem letztlich die Professorenklausel nicht aufgenommen wurde, ist zu lesen: "Desgleichen wollen die Entwicklungsländer die kulturellen Beziehungen dadurch erleichtern, dass Professoren aus einem Staat, die für höchstens zwei Jahre in den anderen Staat eingeladen werden, von den Steuern dieses andern Staates befreit werden. Die Schweiz verhält sich diesem Wunsche gegenüber sehr zurückhaltend, denn die bisherigen Erfahrungen sind nicht ermutigend. Es ist auch kaum einzusehen, weshalb die (oft beträchtlichen) Vergütungen, die diese Personen erhalten, einer normalen Besteuerung entzogen werden sollen. Wenn ein Entwicklungsland schweizerische Lehrer anzuziehen wünscht, so kann es auch einseitig in seinem Steuerrecht die Befreiung vorsehen." Auch gemäss dieser Äusserung bestand der Zweck der Professorenklausel im kulturellen Austausch, wobei die Vergütungen von Professoren in den fraglichen Konstellationen nicht besteuert werden sollten.
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5.6.5. Noch deutlicher gehen Funktion und Zweck der Professorenklausel aus der Botschaft vom 16. Oktober 1990 über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Volksrepublik China (BBl 1990 III 1160, hier 1164) hervor: "Um den Austausch von Professoren und Lehrern zu fördern, wird für Personen, die sich nicht länger als zwei Jahre zu Lehr- oder Forschungszwecken in den anderen Staat begeben, eine Steuerbefreiung für die Erwerbseinkünfte aus dieser Tätigkeit vorgesehen. Eine solche Regelung findet sich auch in anderen schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen mit Entwicklungsländern."
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5.7. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass Art. 20 DBA-JP keine Ausscheidungsregelung enthält. Im Einklang mit den in E. 5.6.1 dargelegten Grundsätzen muss die Bestimmung als reine Steuerbefreiungsnorm betreffend Lehr- und Forschungsgehälter im Tätigkeitsstaat gelesen werden. Dies ergibt sich - zusätzlich zu Systematik und Wortlaut von Art. 20 und 15 Abs. 1 DBA-JP - auch aus dem Zweck, welcher mit der Professorenregelung verfolgt wurde: dem wissenschaftlichen Austausch zwischen verschiedenen Nationen mithilfe von Steuererleichterungen (vgl. auch TAN HOW TECK, a.a.O., S. 119).
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Erwägung 6
 
 
Erwägung 7
 
7.1. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- sind dem Kanton Aargau, welcher in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit unterlegen ist, aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG).
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7.2. Die nicht vertretenen Beschwerdeführer haben keinen Anspruch auf Parteientschädigung, da keine notwendigen Kosten im Sinn von Art. 68 Abs. 2 BGG entstanden sind.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 26. April 2013 aufgehoben und das Urteil des Steuerrekursgerichts des Kantons Aargau vom 23. August 2012 bestätigt.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Kanton Aargau auferlegt.
 
3. Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen.
 
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 29. April 2014
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Die Gerichtsschreiberin: Genner
 
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