VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 1B_117/2014  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 1B_117/2014 vom 09.04.2014
 
{T 0/2}
 
1B_117/2014
 
 
Urteil vom 9. April 2014
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Aemisegger, Karlen,
 
Gerichtsschreiber Störi.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, Abteilung A, Zweierstrasse 25, Postfach 9780, 8036 Zürich.
 
Gegenstand
 
Anordnung von Sicherheitshaft,
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 27. Februar 2014 des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich führt gegen den japanisch-irisch-kanadischen Mehrfachbürger X.________ eine Strafuntersuchung wegen mehrfacher Nötigung (Art. 181 StGB) und mehrfacher Drohung (Art. 180 Abs. 1 StGB). Laut Anklage hat X.________ seine ehemalige Lebensgefährtin Y.________ zwischen dem 12. November 2012 und dem 2. Dezember 2012 im Sinne eines sogenannten "Stalkings" wiederholt bedroht, ihr aufgelauert, sie an ihrem Arbeitsort aufgesucht und ihr anonyme E-Mails geschrieben; dadurch erlitt Y.________ Panikattacken und befürchtete ernsthaft, X.________ könnte sie "wie Freiwild" fertigmachen, sie verletzen oder gar erschiessen. Weiter soll er aus einer Deckung heraus mit einem Zielfernrohr die Lebensumstände von Angehörigen eines Polizeibeamten ausgekundschaftet und diese in einem anonymen E-Mail an einen Journalisten im Detail wiedergegeben haben, quasi zum Beweis, dass ein Scharfschütze im Tarnanzug ("Sniper mit Ghillie") die Frau und das Kind leicht unerkannt erschiessen könnte. Nach der Anklage hat er zudem Prof. A.________ und Staatsanwältin B.________ in anonymen E-Mails unverhohlen mit dem Tod bedroht. X.________ befand sich vom 6. bis zum 28. Dezember 2012 in Haft und wurde am 9. Mai 2013 erneut verhaftet.
1
B. Mit eigenhändig verfasster Beschwerde beantragt X.________, diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben und ihn umgehend aus der Haft zu entlassen.
2
C. Das Obergericht verzichtet auf Vernehmlassung.
3
 
Erwägungen:
 
1. Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Haftentscheid des Obergerichts. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen nach den Art. 78 ff. BGG gegeben. Der Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Haftentlassung ist zulässig (BGE 132 I 21 E. 1). Der Beschwerdeführer ist durch die Verweigerung der Haftentlassung in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen und damit zur Beschwerde befugt (Art. 81 Abs. 1 BGG). Er macht die Verletzung von Bundesrecht geltend, was zulässig ist (Art. 95 lit. a BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist.
4
2. Sicherheitshaft kann unter anderem angeordnet werden, wenn ein dringender Tatverdacht in Bezug auf ein Verbrechen oder Vergehen sowie Flucht- oder Ausführungsgefahr besteht (Art. 221 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 StPO).
5
2.1. Vor Vorinstanz war nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer der ihm in der Anklage vorgeworfenen Taten dringend verdächtig ist. Vor Bundesgericht macht er nunmehr geltend, das Zwangsmassnahmengericht und das Obergericht hätten sich in mehreren Punkten nicht mit der tatsächlichen Akten- und Beweislage auseinandergesetzt und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
6
 
Erwägung 2.2
 
2.2.1. Ausführungsgefahr im Sinne von Art. 221 Abs. 2 StPO besteht, wenn ernsthaft zu befürchten ist, eine Person werde ihre Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, wahrmachen. Bei der Annahme, dass eine Person ein schweres Verbrechen begehen könnte, ist Zurückhaltung geboten. Erforderlich ist eine sehr ungünstige Prognose. Nicht Voraussetzung ist hingegen, dass die verdächtige Person bereits konkrete Anstalten getroffen hat, um die befürchtete Tat zu vollenden. Vielmehr genügt es, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Ausführung aufgrund einer Gesamtbewertung der persönlichen Verhältnisse sowie der Umstände als sehr hoch erscheint. Besonders bei drohenden schweren Gewaltverbrechen ist dabei auch dem psychischen Zustand der verdächtigen Person bzw. ihrer Unberechenbarkeit oder Aggressivität Rechnung zu tragen. Je schwerer die angedrohte Straftat ist, desto eher rechtfertigt sich eine Inhaftierung, wenn die vorhandenen Fakten keine genaue Risikoeinschätzung erlauben (Zusammenfassung der Rechtsprechung in E. 2.1.1 des zur Publikation bestimmten Urteils 1B_456/2013 vom 27. Januar 2014).
7
2.2.2. Es ist naturgemäss schwierig zu beurteilen, wie ernst die mutmasslichen Drohungen des Beschwerdeführers gemeint sind und ob die konkrete Gefahr besteht, dass er sie wahr macht. Dagegen spricht zwar einerseits, dass er seit seiner Jugend grosses Interesse an Waffen zeigte und sich solche immer wieder - auch illegal - beschafft hat, ohne dass er je gewalttätig geworden wäre. Das Gutachten Habermeyer vom 15. Februar 2013 kommt ebenfalls zum Schluss, der Beschwerdeführer stelle keine erhöhte Gefahr für Leib und Leben von Dritten dar; sein Verhalten diene vorwiegend dazu, Angst auszulösen und ein Gefühl der Bedrohung hervorzurufen. Auch das Gutachten Graf/Hachtel vom 31. Oktober 2013 geht nicht davon aus, dass der Beschwerdeführer in Freiheit gegenüber seiner ehemaligen Lebensgefährtin gewalttätig würde. Hingegen gehen die Gutachter von einer starken Zunahme der Ausführungsgefahr in Bezug auf einen geplanten und gezielten Einsatz von Waffen mit hohem Schadenspotenzial gegen die vom Beschwerdeführer bedrohten Dritten aus, wenn er sich zunehmend isoliert, benachteiligt, gegängelt oder als Person übergangen fühlen sollte. Der Beschwerdeführer macht zwar zu Recht geltend, die Gutachten seien reine Aktengutachten und damit von beschränkter Aussagekraft. Daraus kann er aber nichts zu seinen Gunsten ableiten, da er jede Kooperation mit den Gutachtern verweigerte und es daher selber zu vertreten hat, dass auf die Aktengutachten abgestellt werden muss. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bestehen aber keine Hinweise dafür, dass diese aufgrund von falschen Angaben und fehlerhaften Akten erstellt wurden.
8
2.3. Damit kann offen bleiben, ob auch Fluchtgefahr besteht.
9
2.4. Der Beschwerdeführer macht geltend, der Strafantrag sei überrissen und die Weiterführung der Haft unverhältnismässig.
10
3. Die Beschwerde ist somit als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 64 Abs. 1 BGG).
11
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und seinem amtlichen Anwalt Z.________, der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, Abteilung A, sowie dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 9. April 2014
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Störi
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).