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Informationen zum Dokument  BGer 4A_1/2014  Materielle Begründung
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BGer 4A_1/2014 vom 26.03.2014
 
{T 0/2}
 
4A_1/2014
 
 
Urteil vom 26. März 2014
 
 
I. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
 
Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Kiss,
 
Gerichtsschreiber Kölz.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. A.________,
 
2. B.________,
 
3. C.________,
 
4. D.________,
 
alle vier vertreten durch Rechtsanwalt
 
Prof. Dr. Felix Richner,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Y.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Roland Götte,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Mietzinserhöhung, Passivlegitimation,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 22. November 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
N.Z.________ war Eigentümer der Liegenschaft an der Strasse S.________ in P.________. Mit Mietverträgen vom 23./24. Oktober 2007 vermieteten er und seine Ehefrau M.Z.________ eine 3.5-Zimmer-Wohnung im 1. Stock dieser Liegenschaft und einen Parkplatz an Y.________ (Mieterin, Klägerin, Beschwerdegegnerin).
1
 
B.
 
Am 6. November 2012 machte die Mieterin beim Mietgericht Zürich eine Klage gegen A.________, B.________, C.________ und D.________ anhängig. Mit dieser beantragte sie, es sei festzustellen, dass die mit Formular vom 20. Dezember 2011 angezeigte Mietzinserhöhung per 1. April 2012 nichtig sei. Es seien die Beklagten zu verpflichten, ihr den zu viel bezahlten Mietzins von monatlich Fr. 129.-- für den Zeitraum April 2012 bis und mit April 2013 zurückzuerstatten. Sie argumentierte in der Klage, die Mietzinserhöhung vom 20. Dezember 2011 sei nichtig, weil sie ungenügend begründet gewesen sei.
2
 
C.
 
Die Beklagten beantragen mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des Obergerichts vom 22. November 2013 aufzuheben und auf die Klage nicht einzutreten.
3
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
Das angefochtene Urteil des Obergerichts ist ein verfahrensabschliessender Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz im Sinne von Art. 75 Abs. 1 BGG. Vor der Vorinstanz war eine Mietzinserhöhung um Fr. 129.-- monatlich streitig, also Fr. 1'548.-- jährlich, bei unbeschränkter Mietdauer. Der für die Streitwertberechnung massgeblicher Kapitalwert entspricht dem zwanzigfachen Betrag der einjährigen Leistung (vgl. Art. 51 Abs. 4 BGG; BGE 121 III 397 E. 1; 118 II 422 E. 1), mithin Fr. 30'960.--. Er übertrifft damit den für die Beschwerde in Zivilsachen in mietrechtlichen Fällen erforderlichen Betrag (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
4
 
Erwägung 2
 
Im kantonalen Verfahren war zu beurteilen, wer die Vermieterstellung innehat und damit für die vorliegende Klage der Mieterin passivlegitimiert ist, nachdem das Eigentum an der Mietliegenschaft (anerkanntermassen) am 15. Dezember 2011 auf die Beklagten übergegangen ist.
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2.1. Veräussert der Vermieter die Sache nach Abschluss des Mietvertrags oder wird sie ihm in einem Schuldbetreibungs- oder Konkursverfahren entzogen, so geht das Mietverhältnis mit dem Eigentum an der Sache auf den Erwerber über (Art. 261 Abs. 1 OR). Art. 261a OR erklärt die Bestimmungen über die Veräusserung der Sache für sinngemäss anwendbar, wenn der Vermieter einem Dritten ein beschränktes dingliches Recht einräumt und dies einem Eigentümerwechsel gleichkommt. Überträgt der Vermieter lediglich das nackte Eigentum am Mietobjekt auf einen Dritten, während die Nutzniessung daran (Art. 745-775 ZGB) bei ihm verbleibt, geht nach dem Sinn der genannten Bestimmungen das Mietverhältnis nicht auf den neuen Eigentümer über (vgl. Urteil 4C.235/2005 vom 24. Oktober 2005 E. 3.1).
6
2.2. Zwischen den Parteien ist in tatsächlicher Hinsicht umstritten, ob bei der Übertragung des Eigentums an der Mietliegenschaft auf die Beschwerdeführer eine Nutzniessung zu Gunsten von N.Z.________ und M.Z.________ errichtet wurde. Vor Bundesgericht dreht sich der Streit um die Frage, ob das Miet- und das Obergericht dieser im Grundbuch eingetragenen Tatsache hätten Rechnung tragen müssen, obwohl die Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren dafür keinen Beweis offeriert hatten.
7
Die Vorinstanz erwog, die Frage der Passivlegitimation bilde entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer keine Prozessvoraussetzung, die nach Art. 59 f. ZPO von Amtes wegen abzuklären sei. Die Errichtung einer Nutzniessung zu Gunsten von N.Z.________ und M.Z.________, aus der die Beklagten den Fortbestand des Mietverhältnisses mit diesen und die fehlende eigene Passivlegitimation ableiteten, sei von der Mieterin bestritten worden. Die Beklagten hätten diese Behauptung nicht bewiesen, und sie müssten die Folgen der Beweislosigkeit tragen. Demnach sei das Mietverhältnis mit dem Erwerb der Liegenschaft durch die Beklagten nach Art. 261 Abs. 1 OR auf diese übergegangen. Das Mietgericht habe somit zu Recht die Passivlegitimation der Beklagten bejaht.
8
Die Beschwerdeführer rügen diese Auffassung als bundesrechtswidrig.
9
2.3. Der Vorinstanz ist insoweit zuzustimmen, als das Mietgericht nicht gestützt auf Art. 60 ZPO verpflichtet war, das Bestehen einer Nutzniessung an der Mietliegenschaft von Amtes wegen zu untersuchen. Die Sachlegitimation bildet keine Prozessvoraussetzung, sondern betrifft das materielle Recht (vgl. BGE 139 III 504 E. 1.2 S. 507; 133 III 180 E. 3.4 S. 184). Fehlt sie, wird die Klage als unbegründet abgewiesen (BGE 138 III 737 E. 2). Sie ist als materiellrechtliche Voraussetzung des eingeklagten Anspruchs zwar vom Richter jeder Stufe im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen zu prüfen (BGE 126 III 59 E. 1a S. 63); unter der Herrschaft der Verhandlungsmaxime gilt dies allerdings nur nach Massgabe des behaupteten und festgestellten Sachverhalts (BGE 130 III 550 E. 2; 118 Ia 129 E. 1).
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2.4. Die Mieterin berief sich im kantonalen Verfahren auf Art. 261 OR sowie auf den mit der Eigentümerauskunft des Grundbuchamts Altstetten-Zürich vom 20. Juni 2012 belegten Übergang des Eigentums an der Mietliegenschaft auf die Beklagten per 15. Dezember 2011. Die in diesem Verfahrensstadium noch nicht anwaltlich vertretenen Beklagten bestritten daraufhin in der Klageantwort ihre Passivlegitimation, unter Hinweis auf die gleichzeitig mit der Schenkung zugunsten von N.Z.________ und M.Z.________ errichtete Nutzniessung. Freilich belegten sie diese Behauptung nicht und offerierten keine Beweismittel dafür. In der Folge erschienen die Beklagten nicht zur Hauptverhandlung, offenbar in der unzutreffenden Annahme, dies sei angesichts ihrer fehlenden Passivlegitimation entbehrlich. Die Mieterin bestritt anlässlich der Hauptverhandlung das Bestehen einer solchen Nutzniessung.
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Erwägung 3
 
Die Beschwerdegegnerin macht in formeller Hinsicht geltend, die Beschwerdeführer begehrten vor Bundesgericht bloss ein Nichteintreten auf die Klage. Deren  Abweisung sei dagegen nicht beantragt und somit nach Art. 107 Abs. 1 BGG gar nicht Thema des Beschwerdeverfahrens.
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3.1. Heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut, so entscheidet es in der Sache selbst oder weist diese zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück (Art. 107 Abs. 2 Satz 1 BGG). Nach Art. 107 Abs. 1 BGG darf es dabei nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen. Die beschwerdeführende Partei kann sich dementsprechend grundsätzlich nicht darauf beschränken, in der Beschwerdeschrift die Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu beantragen, sondern muss einen Antrag in der Sache stellen (BGE 133 III 489 E. 3.1 mit Hinweisen).
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3.2. Einen ausdrücklichen Antrag auf Klageabweisung unterbreiten die Beschwerdeführer dem Bundesgericht in der Tat nicht, und ein derartiges Begehren kann auch nicht der Beschwerdebegründung entnommen werden. Im Gegenteil beharren die Beschwerdeführer darin ausdrücklich auf ihrer Meinung, die fehlende Passivlegitimation habe zur Folge, dass auf die Klage nicht eingetreten werden dürfe.
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3.3. Aus dem von den Beschwerdeführern beim Obergericht eingereichten Grundbuchauszug geht zweifelsfrei hervor, dass am 15. Dezember 2011, also gleichzeitig mit der Übertragung des Eigentums an der Mietliegenschaft, eine Nutzniessung zu Gunsten von N.Z.________ und M.Z.________ errichtet wurde. Auch die Mieterin behauptet nicht, der Ausweis sei insofern fehlerhaft. Somit steht fest, dass das Mietverhältnis nach den Grundsätzen von Art. 261 und Art. 261a OR nicht auf die Beklagten übergegangen ist (Erwägung 2.1). Letzteren fehlt es somit an der Passivlegitimation für die vorliegende Klage. Diese erweist sich demzufolge als unbegründet.
15
 
Erwägung 4
 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen, und das angefochtene Urteil des Obergerichts ist aufzuheben. Die Klage der Beschwerdegegnerin ist abzuweisen. Ferner ist die Sache zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an das Obergericht zurückzuweisen (Art. 67 und Art. 68 Abs. 5 BGG). Bei diesem Ausgang wird die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 2 BGG).
16
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen, und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 22. November 2013 wird aufgehoben. Die Klage der Beschwerdegegnerin wird abgewiesen.
 
2. Die Sache wird zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
 
4. Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
 
5. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 26. März 2014
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Klett
 
Der Gerichtsschreiber: Kölz
 
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