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Informationen zum Dokument  BGer 6B_899/2013  Materielle Begründung
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BGer 6B_899/2013 vom 17.03.2014
 
{T 0/2}
 
6B_899/2013
 
 
Urteil vom 17. März 2014
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichter Denys, Rüedi,
 
Gerichtsschreiberin Pasquini.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Arnold,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Freiheitsberaubung, falsches Zeugnis; Willkür,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, 2. Strafkammer, vom 11. Juni 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
1. 
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1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Beweiswürdigung und eine Verletzung der Unschuldsvermutung. Im Wesentlichen macht er geltend, die Vorinstanz bezeichne seine Aussagen als widersprüchlich und gehe zu Unrecht davon aus, sein Gespräch mit B.________ habe nie stattgefunden. Im Kerngehalt seien seine Ausführungen übereinstimmend, nämlich, dass B.________ ihm erzählt habe, er sei an einem Raubüberfall mit A.________ beteiligt gewesen. Nur weil er zu diversen Punkten unterschiedliche Angaben gemacht habe, könne nicht abgeleitet werden, seine Kernaussagen seien erfunden. Die Vorinstanz unterlasse es, eine Motivationsanalyse vorzunehmen, die Ausführungen von B.________ auf deren Wahrheitsgehalt zu überprüfen und zu begründen, weshalb dessen Aussagen glaubhaft seien (Beschwerde S. 3-8 Ziff. 3).
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1.2. Die Vorinstanz erachtet die Aussage von B.________ als glaubhaft. Zentraler Punkt der Beweiswürdigung sei die Glaubhaftigkeit der Angaben des Beschwerdeführers. Sie würdigt die beachtlichen Widersprüche in dessen Äusserungen (z.B. zur Anzahl weiterer Täter, zum Zeitpunkt und Ablauf des Gesprächs mit B.________, zum Grund für die Fahrt zur Garage, zur Reparatur und zum Nachgang des Gesprächs). Diese Unstimmigkeiten könne der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar begründen. Sie gelangt zum Schluss, nicht nur seine Aussagen zum Kerngeschehen (Gesprächsinhalt), sondern v.a. auch jene bezüglich der Begleitumstände seien widersprüchlich. Ein stimmiges Gesamtbild lasse sich nicht herstellen. Plausible Erklärungen für die Unstimmigkeiten seien nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer sei nicht fähig gewesen, das Kerngeschehen oder Nebensächliches konstant zu schildern. Dass er es nicht immer so genau nehme mit der Wahrheit, gehe auch aus den Einvernahmeprotokollen hervor. Gemäss Protokoll der untersuchungsrichterlichen Einvernahme habe er z.B. zunächst ausgesagt, er habe bei den bisherigen fünf Befragungen immer die Wahrheit gesagt und habe die Frage in den Raum gestellt, was er für einen Grund hätte, zu lügen. Zwei bzw. vier Fragen später habe er auf Vorhalt jedoch eingeräumt, verschiedentlich (d.h. in den ersten beiden Befragungen) gelogen zu haben. Die Vorinstanz prüft die Frage nach dem Motiv für die falschen Aussagen des Beschwerdeführers, stellt dabei Vermutungen an und lässt die Frage schliesslich offen ( Urteil S. 7-15 E. 2 f.)
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1.3. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 137 III 226 E. 4.2 S. 234; zum Begriff der Willkür BGE 138 I 49 E. 7.1; 136 III 552 E. 4.2; je mit Hinweisen). Eine entsprechende Rüge muss klar und substanziiert begründet werden (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 I 65 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 II 489 E. 2.8; je mit Hinweisen).
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1.4. Was der Beschwerdeführer vorbringt, erschöpft sich weitgehend in appellatorischer Kritik, auf die das Bundesgericht nicht eintritt. Grösstenteils beschränkt er sich darauf, seine Sicht der Dinge zu schildern, diese der vorinstanzlichen Beweiswürdigung gegenüberzustellen und darzulegen, seine Meinung sei derjenigen der Vorinstanz vorzuziehen. So führt er aus, da B.________ im Tatzeitpunkt inhaftiert gewesen sei, habe dieser gewusst, dass er risikolos mit der Teilnahme am Raubüberfall prahlen konnte, oder wendet ein, die bei ihm gutachterlich festgestellte Neigung zur Dramatisierung und zu theatralischem Auftreten treffe auch auf den aus dem gleichen Kulturkreis stammenden B.________ zu. Deshalb könne sehr wohl begründet werden, dass sich dieser ihm gegenüber wahrheitswidrig als Beteiligter des Raubüberfalls ausgegeben habe, um "stark" zu erscheinen. Solche Ausführungen sind für die Begründung von Willkür nicht geeignet. Es genügt nicht, dass das angefochtene Urteil nicht mit der Darstellung des Beschwerdeführers übereinstimmt oder eine andere Lösung oder Würdigung vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre (BGE 137 I 1 E. 2.4 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer hätte für die Begründung einer willkürlichen Beweiswürdigung substanziiert darlegen müssen, inwiefern die Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unhaltbar sind oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen und sich andere Schlussfolgerungen geradezu aufdrängen. Die Beschwerde erweist sich insofern als unbegründet, soweit auf sie überhaupt eingetreten werden kann.
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1.5. Soweit der Beschwerdeführer seiner rechtlichen Argumentation von der willkürfreien Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz abweichende Tatsachenbehauptungen zugrunde legt, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Dies ist z.B. der Fall, wenn er vorbringt, aufgrund der Akten sei nicht nachgewiesen, dass er wissentlich falsch ausgesagt (Beschwerde S. 8 Ziff. 4) und B.________ wider besseres Wissen eines Verbrechens beschuldigt habe (Beschwerde S. 10 Ziff. 5). Gleich verhält es sich, soweit er einwendet, B.________ sei nicht wegen des internationalen Haftbefehls verhaftet worden. Ob und wann er in Italien wieder auf freien Fuss gesetzt worden wäre, sei unklar. In der Schweiz sei ihm die Freiheit nur vom 14.-23. Januar 2009, d.h. weniger als zehn Tage, entzogen gewesen (Beschwerde S. 11). Die Vorinstanz s tellt willkürfrei fest, B.________ sei vom 26. November 2008 bis zum 23. Januar 2009 in Auslieferungs- und Untersuchungshaft gewesen (Urteil S. 19 E. 3.1).
6
2. 
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2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, eine Verurteilung wegen falschem Zeugnis setze das Einhalten von Formvorschriften voraus. Aufgrund des Protokolls seiner Befragung als Zeuge vom 22. Oktober 2008 beim Untersuchungsrichteramt stehe nicht fest, dass er genau auf die Strafdrohung bei falscher Aussage hingewiesen wurde. Die Vorinstanz habe die betreffende Tonbandaufnahme angehört und festgestellt, dass der Untersuchungsrichter ihn umfassend belehrt habe. Diese Aufnahmen befänden sich aber nicht in den Akten und seien seinem Verteidiger vorenthalten worden, sodass er sie nicht habe überprüfen können. Indem die Vorinstanz sie trotzdem und ohne Vorankündigung berücksichtige, verletze sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Beschwerde S. 8 f. Ziff. 4).
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2.2. Die Rüge ist unbegründet. Gemäss Protokoll des Untersuchungsamtes II Emmental-Oberaargau vom 22. Oktober 2008 wurde der Beschwerdeführer in der Einvernahme als Zeuge auf die Aufzeichnung der Einvernahme auf Bild- und Tonträger, auf die Zeugenrechte und -pflichten (Art. 112 ff. StrV) sowie auf die Folgen einer falschen Zeugenaussage aufmerksam gemacht (kantonale Akten pag. 92). Die Vorinstanz ging auf seinen Einwandein, er sei nicht über die genauen strafrechtlichen Folgen einer Falschaussage belehrt worden, und hörte sich die Tonbandaufnahme der Befragung an. Dabei stellte sie fest, dass er umfassend belehrt wurde ( Urteil S. 16). Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, dass ihm bzw. seinem Verteidiger keine Akteneinsicht gewährt wurde. Aufgrund des untersuchungsrichterlichen Protokolls vom 22. Oktober 2008 war ihm bekannt, dass die fragliche Einvernahme auf Tonträger aufgezeichnet wurde (Beschwerde S. 9). Mithin verweigerte die Vorinstanz ihm das rechtliche Gehör auch nicht, falls sich die Tonbandaufnahme nicht - wie es jetzt der Fall ist (kantonale Akten pag. 92) - in den Akten befunden haben sollte, was er geltend macht. Es obliegt dem Verteidiger, rechtzeitig Einsicht in die Verfahrensakten zu nehmen (Urteil 6B_492/2011 vom 3. November 2011 E. 1.3 mit Hinweis). Dass und inwiefern dem Beschwerdeführer eine wirksame Verteidigung nicht möglich gewesen sein sollte, ist weder ersichtlich noch dargelegt.
9
3. 
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3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Schuldspruch der qualifizierten Freiheitsberaubung. B.________ sei nur wegen der mangelhaft geführten Untersuchung inhaftiert worden. Die deutschen Behörden hätten am 6. Oktober 2008 die Auskunft erteilt, es lägen keine Erkenntnisse über den Aufenthalt von B.________ Ende 1999/Anfang 2000 vor, obwohl sich dieser zur fraglichen Zeit in Deutschland in Haft befunden habe. Bei einer sorgfältigen Untersuchung wäre kein internationaler Haftbefehl ergangen und ihm würde keine Freiheitsberaubung angelastet (Beschwerde S. 10 f. Ziff. 6).
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3.2. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe mit seinem falschen Zeugnis und der falschen Anschuldigung bewirkt, dass B.________ vom 26. November 2008 bis zum 23. Januar 2009 unrechtmässig in Auslieferungs- und Untersuchungshaft war. Ihm sei bewusst gewesen, dass sein Vorwurf zur Anordnung von Untersuchungshaft führen würde und, dass es sich beim Vorwurf des Raubmordes um eine schweres Delikt handle, bei welchem mit längerer Haft gerechnet werden müsse. Der Beschwerdeführer mache nicht geltend, ihm sei bekannt gewesen, dass sich B.________ zur fraglichen Zeit im Strafvollzug befunden und er daher damit gerechnet habe, dieser werde - wenn überhaupt - nur für kurze Zeit inhaftiert. Er habe auch bezüglich der qualifizierten Dauer vorsätzlich gehandelt (Urteil S. 19 ff. E. 3).
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3.3. Freiheitsberaubung ist ein Erfolgsdelikt. Bei Erfolgsdelikten gehört zur Wissensseite des Vorsatzes eine Vorstellung über den Zusammenhang zwischen dem eigenen Handeln und dem Erfolg. Damit verbindet sich die Frage, ob und inwieweit dem Täter der Erfolg noch als sein Werk zugerechnet werden kann, wenn der ihn tatsächlich herbeiführende Geschehensablauf dem vorgestellten nicht entspricht, wie also ein Irrtum über den Kausalverlauf zu behandeln ist (Urteil 6S.1/2008 vom 26. August 2009 E. 2.4).
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3.4. Der Beschwerdeführer nahm durch sein falsches Zeugnis und seine falsche Anschuldigung in Kauf, dass B.________ wegen der behaupteten Beteiligung am Raubmord unrechtmässig mehr als zehn Tage inhaftiert wurde. Dass er keine konkrete Vorstellung davon hatte, wie sich der Entzug der Bewegungsfreiheit von B.________ im Einzelnen verwirklichen könnte, liegt in der Natur der Sache. Eine unrichtige Auskunft einer Behörde auf eine Interpolanfrage und die mehrwöchige Dauer bis zur Aufdeckung eines solchen Fehlers ist keineswegs so aussergewöhnlich, dass der Beschwerdeführer nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung nicht damit hätte rechnen können und müssen. Der geltend gemachte Irrtum über den Kausalverlauf ist unbeachtlich.
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Erwägung 4
 
 
Erwägung 5
 
 
Erwägung 6
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 17. März 2014
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini
 
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