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Informationen zum Dokument  BGer 6B_245/2013  Materielle Begründung
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BGer 6B_245/2013 vom 06.02.2014
 
{T 0/2}
 
6B_245/2013
 
 
Urteil vom 6. Februar 2014
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichter Schneider,
 
Bundesrichterin Jacquemound-Rossari,
 
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
 
Gerichtsschreiber Briw.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas A. Müller,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
 
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Diebstahl, Körperverletzung usw.; Verschlechterungsverbot,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 20. Dezember 2012.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
 
C.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Wie die Vorinstanz zur Gewerbsmässigkeit feststellt, wurde die Diebstahlserie vom 1. Mai 2008 bis zum 31. März 2009 gemeinsam vom Beschwerdeführer und seiner Lebenspartnerin begangen. Sie erbeuteten zunächst während elf Monaten Deliktsgut im Wert von Fr. 15'000.-- und ab Dezember 2008 im Betrag von Fr. 13'000.--. Das stelle einen namhaften Nebenverdienst dar und erfülle die Voraussetzungen des berufsmässigen Vorgehens. Ohne die Verhaftung im März 2009 hätten sie weiter delinquiert (Urteil S. 17).
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1.2. Die Bejahung des bandenmässigen Diebstahls begründet die Vorinstanz mit der stets gemeinsamen Tatbegehung, der Vielzahl der begangenen Straftaten und dem Willen der künftigen Tatbegehung (Urteil S. 18). Es genügt der konkludente Wille des in einem gewissen Grade fest verbundenen Teams, welches der Beschwerdeführer und seine Lebenspartnerin zweifellos darstellten (BGE 135 IV 158 E. 2).
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Erwägung 2
 
2.1. Gemäss Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO darf die Rechtsmittelinstanz Entscheide nicht zum Nachteil der beschuldigten oder verurteilten Person abändern, wenn das Rechtsmittel nur zu deren Gunsten ergriffen wurde.
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2.2. Der Beschwerdeführer hat vor der Vorinstanz den bezirksgerichtlichen Schuldspruch wegen Tätlichkeit (Anklage Ziff. 15) angefochten und geltend gemacht, er habe Y.________ nicht vorsätzlich verletzt (Urteil S. 19). Die Vorinstanz folgt dieser Argumentation nicht und qualifiziert den Sachverhalt als einfache Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 StGB. Sie stellt ein Hämatom an der Unterlippe, zwei gelockerte Zähne sowie acht Stunden nach dem Schlag andauernde Kopfschmerzen fest und weist auf die Intensität des Faustschlags hin (Urteil S. 20). Ein Hämatom wird durch Verletzung der Blutgefässe und Blutausfluss gebildet. Bereits das gilt als Körperverletzung (BGE 119 IV 25 E. 2a S. 27). Die Bejahung des Vorsatzes ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die von der bezirksgerichtlichen (Tätlichkeit) abweichende Qualifikation im Rahmen der Erwägungen verletzt Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht, wohl aber die von Amtes wegen vorgenommene Abänderung des Dispositivs zu Ungunsten des Beschwerdeführers in mehrfache einfache Köperverletzung (im Übrigen unten E. 2.4.2 und E. 4.1).
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2.3. Das Bezirksgericht hat den Beschwerdeführer betreffend Anklageziff. 11 wegen Tätlichkeit zu Lasten eines Kindes verurteilt. Die Vorinstanz hebt den Schuldspruch mangels Strafantrags auf (Urteil S. 23), so dass der bezirksgerichtliche Schuldspruch wegen mehrfacher Tätlichkeiten entfällt.
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2.4. Der Beschwerdeführer und die Staatsanwaltschaft beanstandeten vor der Vorinstanz die bezirksgerichtliche Strafzumessung, wobei die Staatsanwaltschaft eine höhere Strafe verlangte.
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2.4.1. Der Beschwerdeführer ficht die gegenüber dem Bezirksgericht und dem Antrag der Staatsanwaltschaft erheblich höhere vorinstanzliche Freiheitsstrafe an und macht insbesondere Ermessensüberschreitung und mangelnde Begründung geltend.
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2.4.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, weil keine mehrfache Körperverletzung vorliege, müsse die ausgesprochene Geldstrafe erheblich reduziert oder in die Freiheitsstrafe im Sinne einer Gesamtstrafe eingerechnet werden (Beschwerde S. 12).
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2.4.3. Die Vorinstanz verhängt für das Führen eines Motorfahrzeugs ohne den erforderlichen Fahrzeugausweis oder die Kontrollschilder gemäss Art. 96 Ziff. 1 SVG (in der bis zum 1. Januar 2012 geltenden Fassung) eine Übertretungsbusse von 300 Franken (Urteil S. 30). Dagegen richtet sich der Beschwerdeführer nicht.
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Erwägung 3
 
 
Erwägung 4
 
4.1. Heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut, kann es die Sache selbst entscheiden (Art. 107 Abs. 2 BGG).
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4.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, bei einem milderen Urteil seien die vorinstanzlichen Gerichts- und Parteikosten neu zu verteilen.
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4.3. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren (Art. 64 Abs. 1 BGG) abzuweisen, soweit es nicht gegenstandslos wird. Entsprechend sind dem Beschwerdeführer Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Kanton Aargau hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das bundesgerichtliche Verfahren eine herabgesetzte Entschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und im Übrigen abgewiesen. Im Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 20. Dezember 2012 wird die Ziff. 1/1.1/2 des Urteilsdispositivs mit "Tätlichkeit gemäss Art. 126 Abs. 1 StGB" ergänzt und der Schuldspruch "der einfachen Körperverletzung gemäss Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Ziff. 2 Abs. 6 StGB" berichtigt.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Der Kanton Aargau hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Dr. Thomas A. Müller, eine Entschädigung von Fr. 1'000.-- auszurichten.
 
5. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 6. Februar 2014
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Der Gerichtsschreiber: Briw
 
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