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Informationen zum Dokument  BGer 5A_754/2013  Materielle Begründung
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BGer 5A_754/2013 vom 04.02.2014
 
{T 0/2}
 
5A_754/2013
 
 
Urteil vom 4. Februar 2014
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
 
Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Marazzi,
 
Gerichtsschreiber Möckli.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Z.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Lukas Breunig,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Vollstreckung eines Eheschutzurteils,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
 
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer,
 
vom 20. August 2013.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Z.________ (Ehefrau; geb. 1977) und X.________ (Ehemann; geb. 1955) haben die gemeinsame Tochter Y.________ (geb. 2003).
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B. Mit Vollstreckungsgesuch vom 12. September 2011 stellte die Mutter die Anträge, das Besuchs- und Ferienrecht sei für vollstreckbar zu erklären und dem Vater sei für den Fall der Missachtung die Ungehorsamsstrafe von Art. 292 StGB anzudrohen.
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C. Am 4. Oktober 2013 hat X.________ gegen diesen Entscheid eine Beschwerde erhoben mit dem Begehren um dessen Aufhebung. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
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Erwägungen:
 
1. Der angefochtene Entscheid erging in einem Verfahren zur Vollstreckung eines Urteils in Zivilsachen. Solche Entscheide unterliegen gemäss ausdrücklicher Gesetzesvorschrift der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 BGG; Urteil 4A_31/2008 vom 6. März 2008 E. 1). Besuchsrechte sind nicht vermögensrechtlicher Natur, weshalb keine Streitwerterfordernisse gelten. Die Beschwerde ist somit zulässig.
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2. Die Mutter stellte ihr Vollstreckungsgesuch kurz nach Erlass des obergerichtlichen Eheschutzentscheides, noch bevor der Vater dagegen beim Bundesgericht eine Beschwerde in Zivilsachen erhoben hatte. In erster Linie ist strittig, ob diese ex lege aufschiebende Wirkung gemäss Art. 103 Abs. 2 lit. a BGG hatte oder ob das Besuchsrecht in den Anwendungsbereich von Art. 103 Abs. 1 BGG fiel und der obergerichtliche Entscheid deshalb sofort vollstreckbar war (in der Beschwerde in Zivilsachen wurde die aufschiebende Wirkung zwar verlangt, aber nicht erteilt, sondern vielmehr das betreffende Gesuch im Sachentscheid vom 23. Januar 2012 als gegenstandslos abgeschrieben).
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2.1. Das Obergericht hat erwogen, im Unterschied zu Leistungsurteilen seien Gestaltungsurteile der Vollstreckung nicht zugänglich. So habe namentlich der Entscheid über die Zuteilung von Obhut und elterlicher Sorge rechtsgestaltende Wirkung, während sich die Ausgestaltung des Besuchs- und Ferienrechts nicht als Gestaltungsurteil qualifiziere, denn mit dieser Regelung sei ein Leistungsbefehl an die gegnerische Partei verbunden. Vorliegend sei über die Zuteilung der Obhut über Y.________ bereits mit dem erstinstanzlichen Eheschutzurteil rechtskräftig entschieden worden; Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens vor Ober- und Bundesgericht sei einzig noch die Ausgestaltung des Besuchs- und Ferienrechts gewesen. Für das bundesgerichtliche Verfahren sei mithin Art. 103 Abs. 1 BGG massgeblich und der obergerichtliche Entscheid vom 15. August 2011 sei somit einstweilig vollstreckbar gewesen.
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2.2. Der Beschwerdeführer hält diese Sichtweise für fraglich. Er macht geltend, das Bezirksgericht habe sowohl über das Obhuts- als damit zusammenhängend auch über das Besuchsrecht entschieden. Es erscheine willkürlich, wenn die eine Komponente mit dem Rechtsmittel aufgeschoben würde und die andere sofort vollstreckbar wäre.
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2.3. Im Ursprungsverfahren ging es um einen Eheschutzentscheid, welcher im Berufungsverfahren eine vorsorgliche Massnahme darstellt, die nicht unter Art. 315 Abs. 3 ZPO, sondern in den Anwendungsbereich von Art. 315 Abs. 4 lit. b und Abs. 5 ZPO fällt (BGE 137 III 475 E. 4.1 S. 477; 138 III 565 E. 4.3.1 S. 566 und nicht publ. E. 4.2). Das bedeutet, dass der erstinstanzliche Entscheid insgesamt, d.h. auch mit Bezug auf rechtsgestaltende Punkte wie die Obhutsregelung keine aufschiebende Wirkung ex lege hat, sondern es einer entsprechenden Verfügung des Obergerichtes bedarf. Gleiches gilt für das bundesgerichtliche Verfahren, in welchem Eheschutzentscheide ebenfalls als vorsorgliche Massnahmen im Sinn von Art. 98 BGG gelten (BGE 133 III 393 E. 5.1 und 5.2 S. 396 f.), was übrigens im Urteil 5A_667/2011 vom 23. Januar 2012 in E. 1.3 festgehalten wurde. Entsprechend ihrer Natur fallen vorsorgliche Massnahmen nicht in den Anwendungsbereich von Art. 103 Abs. 2 lit. a BGG, welcher restriktiv zu handhaben ist (Urteil 4A_116/2007 vom 27. Juni 2007 E. 2, nicht publ. in BGE 133 III 490) und nur Gestaltungsurteile des ordentlichen Verfahrens betrifft (vgl. exemplarische Aufzählung in der Botschaft, BBl 2001 S. 4342), sondern unter die allgemeine Regelung von Art. 103 Abs. 1 und 3 BGG, wonach der Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt, diese indes instruktionsweise erteilt werden kann. Davon ging offensichtlich auch der Beschwerdeführer aus, hat er doch im Beschwerdeverfahren 5A_667/2011 die aufschiebende Wirkung verlangt. Indes wurde diese nicht gewährt und das betreffende Gesuch im Sachurteil vom 23. Januar 2012 als gegenstandslos abgeschrieben. Mithin war die Vollstreckbarkeit des obergerichtlichen Entscheides vom 15. August 2011 in keinem Zeitpunkt gehemmt und das Bezirksgericht durfte das Vollstreckungsgesuch vom 12. September 2011 beurteilen.
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3. Mit Bezug auf das Vollstreckungsverfahren kritisiert der Beschwerdeführer, dass das Kind nicht angehört worden sei. Er verweist dabei auf aArt. 144 ZGB und diesbezügliche Entscheide.
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4. Was die Vollstreckung als solche anbelangt, ist die faktische Durchsetzbarkeit des Besuchsrechts umstritten.
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4.1. Das Obergericht hat für den Sachverhalt auf den erstinstanzlichen Vollstreckungsentscheid verwiesen, wonach die Parteien übereinstimmend aussagten, dass Y.________ seit Juli 2011 jeden Samstag bei der Mutter verbracht habe. Ausserdem habe sie im Februar 2012 auch bei ihr übernachtet, was gut funktioniert habe. Am nächsten Besuchswochenende habe sie allerdings nicht mehr bei ihr übernachten wollen, weil der neue Freund der Mutter da gewesen sei und sie im Kinderzimmer habe übernachten müssen. Der Vater habe dazu ausgeführt, Y.________ dürfe nicht vor vollendete Tatsachen gestellt, sondern nur mit Situationen konfrontiert werden, die für sie eine gewisse Voraussehbarkeit hätten. Die Mutter habe demgegenüber vermutet, dass der Vater die Tochter beeinflusse, und im Übrigen festgehalten, dass sie Y.________ jeweils im Voraus telefonisch mitteile, was sie vorhätten. Die Beiständin des Kindes habe als Zeugin gemutmasst, dass Y.________ Mühe habe, den Vater alleine zu lassen.
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4.2. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, das Besuchsrecht lasse sich nicht polizeilich durchsetzen, übersieht er, dass im angefochtenen Urteil gar nicht die Polizei mit dem Vollzug beauftragt wird, sondern das Besuchsrecht mittels Strafbewehrung indirekt durchgesetzt werden soll. Diese Vollstreckungsmassnahme ist in Art. 343 Abs. 1 lit. a ZPO ausdrücklich genannt und sie ist auch im Zusammenhang mit Besuchsrechten möglich ( KELLERHALS, in: Berner Kommentar, N. 102 zu Art. 343 ZPO m.w.H.).
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5. In seinen Ausführungen wendet sich der Beschwerdeführer schliesslich dagegen, dass der Beschwerdegegnerin im kantonalen Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde. Zu diesem Vorbringen ist er jedoch - unabhängig von der Frage der Beschwer - nicht legitimiert, weil es sich um ein Administrativverfahren zwischen Staat und betroffener Partei handelt (sog. Einparteienverfahren), bei welchem dem anderen Ehegatten keine formelle Parteistellung zukommt ( BÜHLER, in: Berner Kommentar, N. 115 zu Art. 119 ZPO).
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6. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenseite ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 4. Februar 2014
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: von Werdt
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli
 
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