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Informationen zum Dokument  BGer 9C_708/2012  Materielle Begründung
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BGer 9C_708/2012 vom 21.12.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
9C_708/2012
 
Urteil vom 21. Dezember 2012
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
 
Bundesrichter Borella, Kernen,
 
Gerichtsschreiber R. Widmer.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. D.________,
 
2. S.________,
 
beide vertreten durch
 
Rechtsanwältin Dr. Marianne Klöti-Weber,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Einwohnergemeinde S.________,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Berufliche Vorsorge,
 
Beschwerde gegen den Entscheid
 
des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
 
vom 19. Juni 2012.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
D.________ (geboren 1948) und M.________ (geboren 1948) arbeiteten bei der Einwohnergemeinde S.________. Bis 31. Dezember 2007 waren die Angestellten der Einwohnergemeinde für die berufliche Vorsorge bei der Aargauischen Pensionskasse, seit 1. Januar 2008 bei der Transparenta Sammelstiftung für berufliche Vorsorge (im Folgenden: Transparenta) versichert. Da mit dem Wechsel der Vorsorgeeinrichtung ein Systemwechsel vom Leistungs- zum Beitragsprimat verbunden war, wurde von der Einwohnergemeinde S.________ eine teilweise Besitzstandsgarantie beschlossen. D.________ und M.________ liessen sich per 30. April 2010 vorzeitig pensionieren. Gestützt auf die Besitzstandsgarantie erhielten D.________ und M.________ Zusatzgutschriften, über deren Höhe die Versicherten und die Einwohnergemeinde S.________ nicht einig waren.
 
Am 17. März 2010 liessen D.________ und M.________ Klage beim Personalrekursgericht des Kantons Aargau einreichen mit dem Antrag, die Einwohnergemeinde S.________ sei zu verpflichten, diejenigen Zusatzgutschriften in die Pensionskasse einzuzahlen, welche notwendig sind, um ihren Besitzstand zu wahren. Am 21. August 2010 verstarb M.________, worauf seine Witwe S.________ in den Prozess eintrat. Mit Entscheid vom 25. März 2011 wies das Personalrekursgericht die Klage ab.
 
B.
 
D.________ und S.________ liessen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen, mit welcher sie den vorinstanzlich gestellten Antrag erneuerten. Nach Durchführung eines doppelten Schriftenwechsels hiess das Bundesgericht die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gut und hob den Entscheid der Personalrekurskommission des Kantons Aargau vom 25. März 2011 auf. Es gelangte zum Schluss, dass es sich bei der Streitigkeit zwischen (ehemaligen) Arbeitnehmern und Arbeitgeberin um eine spezifisch vorsorgerechtliche Frage handle; zur Beurteilung sei daher nicht das kantonale Personalrekursgericht, sondern das kantonale Versicherungsgericht sachlich zuständig (Urteil vom 22. Februar 2012, 9C_815/2011). Mit Verfügung vom 12. März 2012 überwies das Personalrekursgericht das Verfahren zur weiteren Behandlung an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau. Dieses sah von der Durchführung eines weiteren Schriftenwechsels ab, worauf D.________ und S.________ am 15. Mai 2012 eine ergänzende Stellungnahme einreichten, zu welcher sich die Einwohnergemeinde S.________ mit Schreiben vom 30. Mai 2012 vernehmen liess. Mit Entscheid vom 19. Juni 2012 wies das Versicherungsgericht die Klage ab.
 
C.
 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lassen D.________ und S.________ beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Einwohnergemeinde S.________ zu verpflichten, für sie die zur Wahrung ihres Besitzstandes notwendigen Zusatzgutschriften an die Pensionskasse zu entrichten.
 
Während die Einwohnergemeinde S.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
 
1.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246). Soweit es um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht, überprüft das Bundesgericht das kantonale und kommunale öffentliche Berufsvorsorgerecht auch nach Inkrafttreten des BGG frei (BGE 134 V 199 E. 1.2 S. 200).
 
1.3 Da es im vorliegenden Fall nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, sondern um zusätzliche Gutschriften auf den Alterskonten der Beschwerdeführer infolge Pensionskassenwechsels mit Übergang vom Leistungs- zum Beitragsprimat geht, ist der auf kantonalem und kommunalem Recht beruhende angefochtene Entscheid nach Massgabe von Art. 106 Abs. 2 BGG zu überprüfen.
 
2.
 
2.1 Die Vorinstanz legte zunächst gestützt auf die Rechtsprechung dar, es liege kein Eingriff in die wohlerworbenen Rechte der Versicherten vor: Das angesparte Kapital sei im Zuge des System- und Kassenwechsels nicht zweckentfremdet oder reduziert worden. Ebenso sei der Rentenanspruch als solcher nicht angegriffen worden. Auch sei weder eine Verletzung des Gleichheitsgebots noch des Willkürverbots ersichtlich. Weiter führte das Versicherungsgericht aus, dass die Altersrente bei Pensionierung im Alter 63 für den Beschwerdeführer 1 und den verstorbenen M.________ bei Zugehörigkeit zur kantonalen Pensionskasse und Leistungsprimat höher gewesen wäre als bei einer frühzeitigen Pensionierung im Alter von 63 Jahren bei Zugehörigkeit zur Transparenta. Für den Fall der Pensionierung bei Erreichen des neu geltenden ordentlichen Rentenalters von 65 hätte sich jedoch eine höhere Altersrente ergeben. Ein verfassungsmässiger oder gesetzlicher Anspruch, vor dem ordentlichen Pensionsalter gemäss Art. 13 Abs. 1 BVG in Rente zu gehen, bestehe nicht. Auch unter dem Gesichtswinkel von Treu und Glauben könnten die Beschwerdeführer keine höheren Leistungen beanspruchen. Gleiche Leistungen im alten und neuen System bezogen auf das Rentenalter 63 seien den Versicherten von der Einwohnergemeinde nicht zugesichert worden. Vielmehr hätten die Vergleiche das ordentliche Rentenalter zum Gegenstand gehabt.
 
2.2 Die Beschwerdeführer wenden ein, die Gemeinde S.________ habe beim Übertritt in die Transparenta eine Besitzstandsregelung getroffen, mit der bei nunmehr vorzeitiger Pensionierung im Alter 63 die gleichen Leistungen wie vorher bei ordentlicher Pensionierung im Alter 63 gewährleistet worden seien. Die ihnen ausgerichteten Zusatzgutschriften, die bei einem Verbleiben bei der kantonalen Pensionskasse zur Ausrichtung einer Altersrente in bisherigem Umfang auch bei nunmehr vorzeitiger Pensionierung im Alter 63 geführt hätten, hätten bei der neuen Pensionskasse Transparenta spürbar schlechtere Leistungen ergeben. Die Vorinstanz habe übersehen, dass die am 12. November 2007 verfügte Übergangsregelung die konkrete Zusicherung enthält, dass sich die Anspruchsberechtigung nach dem kantonalen Pensionskassen-Dekret richtet.
 
3.
 
3.1 Der Protokollauszug der Sitzung des Gemeinderates S.________ vom 12. November 2007, auf welchen sich die Beschwerdeführer hauptsächlich berufen, enthält keine Zusicherung des Inhalts, dass nach den Bestimmungen der alten und der neuen Pensionskasse für das Personal der Gemeinde bei ordentlichem (alte Regelung gemäss kantonaler Pensionskasse) und vorzeitigem (Transparenta) Pensionierungsalter 63 eine Altersrente in identischer Höhe resultieren werde. Vielmehr führt der Gemeinderat aus, er habe mit Beschluss vom 2. Juli 2007 bereits im Vorfeld einen möglichen Verteilschlüssel für das Besitzstandskapital festgelegt. Es folgen die "Grundlagen für Anspruchsberechtigung", bezogen auf das zuvor erwähnte "Besitzstandskapital", und die Tabelle mit den Zusatzgutschriften in Prozent der Differenz; S.________er Lösung. Dieser Tabelle zufolge resultiert ab 63 (Summe von Alter + Dienstjahre x 0,4) eine Zusatzgutschrift von 100 %, unabhängig von der Tabelle ebenso ab vollem 60. Altersjahr und mindestens drei vollendeten Dienstjahren. Daraus wird klar, dass der Gemeinderatsbeschluss vom 12. November 2007 entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nichts mit der Garantie einer Altersrente in gleicher Höhe wie bei der Aargauischen Pensionskasse zu tun hat. Anderweitige Zusicherungen, welche für den Fall des Wechsels zur Transparenta die nämlichen Leistungen garantieren, wie sie vor dem Wechsel zum Beitragsprimat bei der kantonalen Pensionskasse gegolten haben, vermögen die Beschwerdeführer nicht namhaft zu machen. Eine Besitzstandsgarantie beim Wechsel zur Transparenta leistete die Einwohnergemeinde S.________ im Übrigen einzig für das Jahr 2008.
 
3.2 Die weiteren Vorbringen in der Beschwerde sind nicht geeignet, den angefochtenen Entscheid als rechtswidrig erscheinen zu lassen. Insbesondere unerheblich ist die Berufung auf das Dekret über die Aargauische Pensionskasse vom 5. Dezember 2006, in Kraft seit 1. Januar 2008 (SAR 163.120), weil die dort in § 21 getroffene Besitzstandsregelung den Wechsel der Versicherten vom Leistungs- zum Beitragsprimat innerhalb der Aargauischen Pensionskasse und nicht den Übertritt von Versicherten einer Einwohnergemeinde in eine andere, privatrechtlich organisierte Pensionskasse betrifft. Weil seitens der Beschwerdegegnerin sodann keine Zusicherung betreffend Rentenhöhe und Zusatzgutschriften beim Kassenwechsel abgegeben wurde, sind die von der Transparenta erstellten Rechnungen und Tabellen entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht massgeblich.
 
4.
 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten den unterliegenden Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.- werden den Beschwerdeführern je zur Hälfte auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 21. Dezember 2012
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Meyer
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer
 
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