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Informationen zum Dokument  BGer 1B_704/2012  Materielle Begründung
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BGer 1B_704/2012 vom 14.12.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1B_704/2012
 
Urteil vom 14. Dezember 2012
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Aemisegger, Karlen,
 
Gerichtsschreiber Geisser.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Alain Joset,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001 Basel.
 
Gegenstand
 
Haftentlassung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 15. Oktober 2012 des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Appellationsgerichtspräsidentin.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt eröffnete gegen X.________ eine Strafuntersuchung unter anderem wegen des Verdachts des Diebstahls, der Sachbeschädigung und des Hausfriedensbruchs.
 
Am 23. September 2012 nahm ihn die Polizei fest.
 
Am 25. September 2012 wies das Zwangsmassnahmengericht den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anordnung von Untersuchungshaft ab und verfügte die unverzügliche Freilassung von X.________.
 
Dagegen erhob die Staatsanwaltschaft gleichentags Beschwerde beim Appellationsgericht. Am selben Tag verfügte die Appellationsgerichtspräsidentin vorsorglich die Fortführung der Haft. Am 15. Oktober 2012 hiess sie die Beschwerde gut und ordnete die Untersuchungshaft für vorläufig drei Monate an.
 
Am 19. November 2012 verurteilte die Einzelrichterin des Strafgerichts Basel-Stadt X.________ wegen Diebstahls, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs und Vergehens gegen das Waffengesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten, unter Anrechnung der Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft. Zudem verfügte sie die Haftentlassung.
 
B.
 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, es sei festzustellen, dass der Entscheid der Appellationsgerichtspräsidentin in Verletzung des Beschleunigungsgebots und des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergangen sei; aufgrund der unrechtmässigen Haft sei sie anzuweisen, ihm eine angemessene Entschädigung zu bezahlen.
 
Die Staatsanwaltschaft und die Appellationsgerichtspräsidentin schliessen je auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. X.________ hält in einer weiteren Eingabe an seinen Anträgen fest.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Gegen den angefochtenen, kantonal letztinstanzlichen Entscheid ist die Beschwerde in Strafsachen gegeben (Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 BGG).
 
2.
 
Zur Beschwerde in Strafsachen ist nach Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG berechtigt, wer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat.
 
Der Beschwerdeführer muss ein aktuelles praktisches Interesse an der Behandlung der Beschwerde haben. Dieses Erfordernis soll sicherstellen, dass das Bundesgericht konkrete und nicht bloss theoretische Fragen entscheidet. Nach der Rechtsprechung hat der Betroffene nach Beendigung der Untersuchungshaft kein aktuelles praktisches Interesse an der Behandlung der Haftbeschwerde (BGE 136 I 274 E 1.3 S. 276 f. mit Hinweisen).
 
Der Beschwerdeführer war bei Einreichung des Rechtsmittels bereits aus der Haft entlassen worden. Damit fehlt ihm das aktuelle praktische Interesse zur Beschwerdeführung vor Bundesgericht.
 
Unter besonderen Umständen sind bestimmte Rügen jedoch trotz Entlassung des Beschwerdeführers aus der Untersuchungshaft materiell zu behandeln (BGE 136 I 274 E. 1.3 S. 276 f. mit Hinweisen).
 
2.1 Derartige Umstände nimmt das Bundesgericht bei einer offensichtlichen Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention an. Diesfalls entspricht es dem Gebot des fairen Verfahrens (Art. 29 Abs. 1 BV) und der Prozessökonomie, die entsprechende Rüge sogleich zu behandeln und dem Beschwerdeführer durch die Feststellung der Verletzung der EMRK Wiedergutmachung zu verschaffen. Behandelt das Bundesgericht die Beschwerde materiell, ist damit Art. 13 EMRK in jedem Fall Genüge getan (BGE 136 I 274 E. 1.3 S. 276 f. mit Hinweisen).
 
Eine offensichtliche Verletzung der EMRK besteht hier nicht. Das Haftbeschwerdeverfahren mit einer Dauer von einundzwanzig Tagen hält unter den gegebenen Umständen vor Art. 5 Ziff. 4 EMRK stand. Die Vorinstanz verfügte am Tag der Beschwerdeerhebung gemäss Art. 388 lit. b StPO (SR 312.0) die vorsorgliche Weiterführung der Haft. Ab diesem Zeitpunkt war der Beschwerdeführer entgegen seiner Auffassung mit einstweiliger richterlicher Verfügung inhaftiert. Nach Eingang der einlässlichen Beschwerdebegründung durch die Staatsanwaltschaft gewährte die Vorinstanz dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör. Seine gegenteiligen Vorbringen treffen aufgrund der Akten nicht zu. Nach Ablauf der Vernehmlassungsfrist hat die Vorinstanz über die Haft innert fünf Tagen entschieden. Dieses Vorgehen lässt keine unbegründeten Verzögerungen erkennen; es genügt den Anforderungen, welche das Bundesgericht an Ablauf und Dauer des Rechtsmittelverfahrens in Haftfällen stellt (BGE 137 IV 230 E. 2.2.1 S. 234; 237 E. 2.5 S. 245).
 
2.2 Das aktuelle praktische Interesse ist im Weiteren nicht erforderlich, wenn sich die aufgeworfene Frage jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnte, an ihrer Beantwortung wegen der grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und eine rechtzeitige bundesgerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre (BGE 135 I 79 E. 1.1 S. 81 mit Hinweis).
 
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Aus den Vorbringen des Beschwerdeführers sind keine Grundsatzfragen ersichtlich, welche sich für eine Vielzahl Betroffener jederzeit in ähnlicher Weise stellen und die das Bundesgericht bei Nichteintreten kaum je rechtzeitig beantworten könnte.
 
2.3 Ein rechtlich geschütztes Interesse dafür, die Unrechtmässigkeit der Dauer des Freiheitsentzugs festzustellen, ist auch im Hinblick auf allfällige Entschädigungsansprüche des Beschwerdeführers zu verneinen. Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche können vor Gericht unabhängig davon geltend gemacht werden, ob die Rechtswidrigkeit einer Zwangsmassnahme vorgängig festgestellt worden ist (BGE 125 I 394 E. 4a S. 397; Urteil 1B_351/2012 vom 20. September 2012 E. 2.3.2 mit Hinweisen).
 
3.
 
Auf die Beschwerde ist deshalb nicht einzutreten.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wäre der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig. Angesichts seiner schwierigen finanziellen Verhältnisse rechtfertigt es sich jedoch, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Damit ist der Antrag auf unentgeltliche Prozessführung gegenstandslos. Da die Beschwerde aussichtslos war, ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und der Appellationsgerichtspräsidentin des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 14. Dezember 2012
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Geisser
 
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