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Informationen zum Dokument  BGer 8C_736/2012  Materielle Begründung
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BGer 8C_736/2012 vom 10.12.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
8C_736/2012 {T 0/2}
 
Urteil vom 10. Dezember 2012
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Leuzinger, Niquille,
 
Gerichtsschreiberin Berger Götz.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
R.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dominique Chopard,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
 
vom 29. Juni 2012.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1964 geborene R.________ war seit 28. Juni 2004 als Betriebsmitarbeiterin für die P.________ SA tätig und in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Am 8. Februar 2008 rutschte sie bei der Arbeit aus und stürzte. Dabei zog sie sich eine laterale Malleolarfraktur vom Typ Weber B rechts mit Ruptur der vorderen Syndesmose zu (Bericht des Gesundheitszentrums X.________, Chirurgische Klinik, Spital L.________, vom 8. April 2008). Die SUVA erbrachte Versicherungsleistungen. Mit Verfügung vom 8. Juli 2010 stellte sie diese per 30. Juni 2010 ein und verneinte einen Anspruch auf Invalidenrente sowie Integritätsentschädigung. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 16. August 2010).
 
B.
 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 29. Juni 2012).
 
C.
 
R.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, die SUVA sei zu verpflichten, ab 1. Juli 2010 weiterhin Versicherungsleistungen auszurichten. Zudem wird um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht.
 
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten beigezogen. Es ist kein Schriftenwechsel durchgeführt worden.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 134 V 250 E. 1.2 S. 252 mit Hinweisen). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389 mit Hinweisen; Urteil 8C_934/2008 vom 17. März 2009 E. 1, nicht publ. in: BGE 135 V 194, aber in: SVR 2009 UV Nr. 35 S. 120).
 
1.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
 
2.
 
Das kantonale Gericht hat die massgebenden rechtlichen Grundlagen, namentlich zum für eine Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin nebst anderem vorausgesetzten natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Unfall und eingetretenem Schaden im Allgemeinen (Krankheit, Invalidität, Tod; BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f.) und zur erforderlichen adäquaten Unfallkausalität psychischer Beschwerden im Besonderen (BGE 115 V 133; vgl. auch BGE 134 V 109 E. 6.1 S. 116 mit Hinweisen) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.
 
3.
 
Streitig und zu prüfen ist, ob der Fallabschluss verfrüht erfolgt ist. Die Rechtmässigkeit des Fallabschlusses beurteilt sich vorliegend danach, ob noch eine namhafte Besserung des somatischen Gesundheitszustandes erwartet werden konnte, da letztinstanzlich nicht umstritten ist, dass die Unfallversicherung für eine allfällige Einschränkung der Arbeitsfähigkeit aus psychischen Gründen nicht aufzukommen hat.
 
3.1 Gestützt auf Art. 19 Abs. 1 UVG hat der Unfallversicherer den Fall (unter Einstellung der vorübergehenden Leistungen [Heilbehandlung, Taggeld] und Prüfung des Anspruchs auf eine Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung) abzuschliessen, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes der versicherten Person mehr erwartet werden kann und allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung abgeschlossen sind (BGE 134 V 109 E. 4.1 S. 113 f. mit Hinweisen). Was unter einer namhaften Besserung des Gesundheitszustandes im genannten Sinne zu verstehen ist, bestimmt sich namentlich nach Massgabe der zu erwartenden Steigerung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, soweit unfallbedingt beeinträchtigt, wobei die durch weitere Heilbehandlung zu erwartende Besserung ins Gewicht fallen muss. Unbedeutende Verbesserungen genügen nicht (BGE 134 V 109 E. 4.3 S. 115 mit Hinweisen).
 
3.2
 
3.2.1 Das kantonale Gericht gelangte in Würdigung der medizinischen Aktenlage - namentlich gestützt auf den Bericht des Kreisarztes Dr. med. O._________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie FMH, vom 20. November 2009 und die Angaben des Dr. med. N.________, Spezialarzt Orthopädie FMH, im von der Invalidenversicherung in Auftrag gegebenen orthopädisch-psychiatrischen Gutachten des Zentrums Y.________ vom 23. August 2010 - zum Schluss, das Rehabilitationspotential sei ausgeschöpft, weshalb die Einstellung der Leistungen auf den 30. Juni 2010 zu Recht erfolgt sei.
 
3.2.2 Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände vermitteln kein gegenteiliges Bild. Sie beruft sich auf das Gutachten des Zentrums A.________ vom 19. November 2010, eingeholt von der SWICA Gesundheitsorganisation im Rahmen der Prüfung des VVG-Taggeldanspruchs. Gestützt darauf macht sie geltend, die Vorinstanz habe die darin gestellte Diagnose eines Komplexen Regionalen Schmerzsyndroms (CRPS) I am rechten Fuss nicht zur Kenntnis genommen und übersehen, dass von einem noch nicht ausgeschöpften Rehabilitationspotential ausgegangen werde. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Experten des Zentrums A._________ eine Besserungsmöglichkeit durch weitere Heilbehandlung zwar bejahen. Empfohlen wird jedoch nebst Psychotherapie und Gewichtsabnahme nur Physiotherapie, welche indessen ohne wesentliche Besserung bereits durchgeführt worden war. Eine (namhafte) Besserungsmöglichkeit wird sodann im Bericht der Universitätsklinik Balgrist, Zürich, vom 6. Juli 2009 und im Gutachten des Zentrums Y.________ vom 23. August 2010 ausdrücklich verneint, während sich der Kreisarzt in seinem Abschlussbericht vom 20. November 2009 nicht explizit dazu äussert. In Würdigung der medizinischen Unterlagen muss davon ausgegangen werden, dass nach dem 30. Juni 2010 von einer weiteren Heilbehandlung keine namhafte Besserung im Sinne von Art. 19 Abs. 1 UVG mehr zu erwarten war, weshalb der Fallabschluss geprüft werden konnte. Die Vorinstanz hat sich - entgegen der Auffassung der Versicherten - unter Verweis auf die ihres Erachtens massgebenden medizinischen Unterlagen mit der Frage der Zulässigkeit des Fallabschlusses kurz auseinandergesetzt. Ihr Entscheid erfüllt die Anforderungen an die aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör fliessende Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV; BGE 136 I 229 E. 5.2 S. 236). Soweit sie den Sachverhalt ungenügend festgestellt hat, konnte das Bundesgericht dies nun aufgrund der vorliegenden Akten nachholen (Art. 105 Abs. 2 BGG).
 
4.
 
Zur Ablehnung des Anspruchs auf Invalidenrente und Integritätsentschädigung durch Verwaltung und Vorinstanz äussert sich die Beschwerdeführerin letztinstanzlich nicht, weshalb diesbezügliche Weiterungen unterbleiben können (E. 1.1 hiervor).
 
5.
 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1 und Abs. 4 lit. a BGG). Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Ihrem Ersuchen um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG) kann jedoch entsprochen werden, da die Bedürftigkeit als ausgewiesen gelten kann, das Rechtsbegehren nicht als von vornherein aussichtslos anmutet und die Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin als geboten erscheint (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135; 128 I 225 E. 2.5.3 S. 235). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu in der Lage ist.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird gutgeheissen und es wird der Beschwerdeführerin Rechtsanwalt Dominique Chopard als Rechtsbeistand beigegeben.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.
 
4.
 
Rechtsanwalt Dominique Chopard wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 10. Dezember 2012
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Ursprung
 
Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz
 
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