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Informationen zum Dokument  BGer 6B_499/2012  Materielle Begründung
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BGer 6B_499/2012 vom 10.12.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_499/2012
 
Urteil vom 10. Dezember 2012
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichter Schneider,
 
nebenamtlicher Bundesrichter Rüedi,
 
Gerichtsschreiber Borner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
P.________,
 
vertreten durch Fürsprecher Dr. Peter Stähli,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Mehrfache Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz; Strafzumessung; willkürliche Beweiswürdigung, rechtliches Gehör,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer, vom 25. Juni 2012.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Das Regionalgericht Emmental-Oberaargau verurteilte P.________ am 28. Januar 2011 wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Führens eines Motorfahrzeugs trotz entzogenen Führerausweises. Es verfügte die Rückversetzung für die bedingt erlassene Reststrafe von 554 Tagen und auferlegte ihm eine Gesamtfreiheitsstrafe von 22 Monaten sowie eine Busse von Fr. 300.--.
 
Auf Berufung von P.________ bestätigte das Obergericht des Kantons Bern am 25. Juni 2012 das erstinstanzliche Urteil.
 
B.
 
P.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben. Er sei nur schuldig zu sprechen der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz durch Erlangen, Besitz und Konsum von 150 g Marihuana sowie Kauf, Besitz und Abgabe von 4.5 g Kokaingemisch und zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu verurteilen. Auf eine Rückversetzung sei zu verzichten. Es sei eine Verwarnung auszusprechen und die Probezeit auf das zulässige Maximum zu erhöhen. Für 156 Tage Überhaft sei er zu entschädigen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt und die Unschuldsvermutung verletzt. Er habe weder im April und Juli 2009 50 g Kokaingemisch erworben, noch von Juli bis September 2009 30 g Kokaingemisch an einen Abnehmer verkauft und auch von August bis September 2009 kein Kokain gegen Marihuana getauscht.
 
Die Vorinstanz kommt zum gegenteiligen Schluss, indem sie die Ergebnisse einer Telefonüberwachung sowie die Aussagen eines Mitbeschuldigten, der Abnehmer und des Beschwerdeführers würdigt. Ungenaue Angaben des Mitbeschuldigten und der Abnehmer zu den Drogenmengen berücksichtigt sie zu Gunsten des Beschwerdeführers, indem sie feststellt, er habe nur 50 g Kokaingemisch übernommen, 30 g verkauft und ungefähr 20 g getauscht.
 
Mit der einlässlichen Begründung der Vorinstanz setzt sich der Beschwerdeführer nicht hinreichend auseinander. Er legt nicht dar, inwiefern die vorinstanzliche Beweiswürdigung willkürlich sein soll. Seine Vorbringen erschöpfen sich in unzulässiger appellatorischer Kritik (vgl. BGE 138 I 49, E. 7.1).
 
2.
 
Der Beschwerdeführer beanstandet seine Rückversetzung in den Strafvollzug (Art. 89 Abs. 2 StGB).
 
Die Vorinstanz erwägt, er habe kurz nach der bedingten Entlassung verschiedene Vergehen begangen. Sein Verschulden sei massiv. Mehrere Chancen der Bewährung habe er bereits vertan. Erst unter dem Druck des laufenden Verfahrens und der drohenden Rückversetzung habe er konkrete Zukunftspläne vorgelegt. Aufgrund seiner labilen Persönlichkeit bestünden erhebliche Zweifel, wie lange das Wohlverhalten andauere. Eine günstige Prognose könne ihm nicht gestellt werden.
 
Selbst wenn die Vorinstanz nicht ausdrücklich erwähnt, dass die neue Strafe unbedingt ausgesprochen wird (BGE 134 IV 140 E. 4.4 f. mit Hinweisen), ist ihre Würdigung nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer wurde am 26. Oktober 2006 wegen Verbrechen und Übertretungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Fahrens in fahrunfähigem Zustand zu einer Zuchthausstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, wovon er knapp drei Jahre verbüsste. Offenkundig liess er sich davon nicht beeindrucken. Er wurde am 1. Februar 2008 bedingt aus dem Vollzug entlassen und verstiess von April bis September 2009 abermals gegen das Betäubungsmittelgesetz. Am 6. Oktober 2009 lenkte er ein Fahrzeug, obwohl ihm der Führerausweis entzogen war. Zutreffend rückt die Vorinstanz die labile Persönlichkeit des Beschwerdeführers und seine Vergehen während der Probezeit in den Mittelpunkt ihrer Erwägungen wie auch den Umstand, dass eine positive Wandlung seiner Lebensumstände nicht auszumachen ist. Die aufgezeigten Verhältnisse legen eine ungünstige Prognose nahe (BGE 134 IV 140 E. 4.3).
 
3.
 
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafzumessung und rügt eine Verletzung von Art. 47 StGB sowie Art. 391 Abs. 2 StPO. Während die erste Instanz als erwiesen ansah, er habe 50 g Kokain zum Eigenkonsum erworben, sei die Vorinstanz nur von 20 g ausgegangen. Indem sie trotzdem die gleiche Strafe ausgefällt habe, verstosse sie gegen das Verschlechterungsverbot. Im Zusammenhang mit seiner Lebenspartnerin stelle die Vorinstanz Ungereimtheiten fest, die nicht bestünden. Sie hätte seine Drogenabstinenz strafmindernd berücksichtigen müssen und habe seine Strafempfindlichkeit falsch eingeschätzt, indem sie seine familiäre Situation nicht richtig gewürdigt habe. Sie hätte ihn milder bestrafen müssen als die beiden Mitbeschuldigten und habe dadurch seinen Anspruch auf rechtsgleiche Behandlung verletzt.
 
3.1 Auf die Rügen ist nicht einzutreten, soweit der Beschwerdeführer vom Sachverhalt abweicht, den die Vorinstanz willkürfrei festgestellt hat (E. 1). Dies betrifft seine Ausführungen, er habe die Drogen weitgehend zum Eigenbedarf bezogen und nicht aus finanziellen Gründen gehandelt. Gleiches gilt, wenn er von einer geringeren Drogenmenge ausgeht als die Vorinstanz.
 
3.2 Die Vorinstanz setzt sich mit den wesentlichen schuldrelevanten Tat- und Täterkomponenten auseinander und würdigt sämtliche Zumessungsfaktoren sorgfältig. Sie gewichtet das Ausmass des verschuldeten Erfolgs, die Art und Weise der Tatausführung, die Willensrichtung des Beschwerdeführers und seine Beweggründe. Sodann berücksichtigt sie das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers, sein Verhalten nach der Tat und seine Strafempfindlichkeit. Gestützt darauf bestimmt sie die Strafe. Dass sie sich von unmassgeblichen Gesichtspunkten hätte leiten lassen oder wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt hätte, ist nicht ersichtlich. Auf ihre Ausführungen kann verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 Satz 2 BGG).
 
3.3 Dass die Vorinstanz die Strafe nicht reduziert hat, obwohl sie beim Eigenkonsum von einer geringeren Menge Kokain ausging als die erste Instanz, ist nicht zu beanstanden. Nach Würdigung der massgeblichen Strafzumessungsfaktoren erachtet die Vorinstanz das erstinstanzliche Strafmass als zu tief und setzt die Gesamtstrafe nur wegen des Verschlechterungsverbots nicht höher an. Dass sie die Namen der ehemaligen Ehefrau und der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers verwechselt, hat keinen Einfluss auf die Strafzumessung, zumal sie berücksichtigt, dass er sich um seine Kinder bemüht und seit mehreren Jahren in einer neuen Beziehung lebt. Dass sie die Drogenabstinenz nicht positiv würdigt, ist nicht zu bemängeln, da erwartet werden darf, dass sich der Beschwerdeführer an die Rechtsordnung hält (vgl. Urteil 6B_570/2010 vom 24. August 2010 E. 2.5). Nichts einzuwenden ist gegen die vorinstanzliche Begründung, beim Beschwerdeführer bestehe keine aussergewöhnliche Strafempfindlichkeit. Die Beeinträchtigung der Elternbeziehung wäre deutlich grösser, wenn er mit den Kindern in einem gemeinsamen Haushalt leben würde, was nicht der Fall ist.
 
3.4 Art. 47 StGB und Art. 391 Abs. 2 StPO sind nicht verletzt. Die Vorinstanz geht methodisch korrekt vor (vgl. BGE 135 IV 146 E. 2.4.1 mit Hinweisen) und bildet in Anwendung von Art. 89 Abs. 6 StGB aus der Reststrafe (E. 2) und der neu ausgefällten Freiheitsstrafe eine Gesamtstrafe von 22 Monaten, die sich innerhalb des sachrichterlichen Ermessens hält.
 
4.
 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 10. Dezember 2012
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Der Gerichtsschreiber: Borner
 
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