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Informationen zum Dokument  BGer 4A_681/2012  Materielle Begründung
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BGer 4A_681/2012 vom 29.11.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
4A_681/2012 und 4A_683/2012
 
Urteil vom 29. November 2012
 
I. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
 
Bundesrichter Corboz, Bundesrichterin Kiss,
 
Gerichtsschreiber Leemann.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. Fürstliche Regierung von Liechtenstein,
 
2. Schweizerische Eidgenossenschaft, Eidgenössische Oberzolldirektion,
 
Beschwerdegegnerinnen.
 
Gegenstand
 
Patentrecht,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Fürstlichen Obergerichts, 1. Senat, vom 11. Oktober 2012.
 
In Erwägung,
 
dass A.________ (Kläger, Beschwerdeführer) beim Fürstlichen Obergericht von Liechtenstein am 17. September 2012 gegen die Fürstliche Regierung von Liechtenstein (Beklagte 1, Beschwerdegegnerin 1) und die Schweizerische Eidgenossenschaft (Beklagte 2, Beschwerdegegnerin 2) auf Rechnungslegung und Schadenersatz aus einer angeblichen Patentverletzung im Zusammenhang mit der Bemessung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe klagte;
 
dass das Fürstliche Obergericht mit Beschluss vom 11. Oktober 2012 auf die Klage nicht eintrat;
 
dass das Fürstliche Obergericht erwog, nach Art. 3 Abs. 2 des liechtensteinischen Gesetzes vom 22. September 1966 über die Amtshaftung (AHG/LI; GS 170.32) stehe der Rechtsweg gegen die Regierung als Organ des Fürstentums nicht offen, während es einer Klage unmittelbar gegen das Fürstentum Liechtenstein an der Prozessvoraussetzung nach Art. 11 Abs. 2 AHG/LI fehlen würde;
 
dass zudem der Beklagten 2 als ausländischem Staat, der in Ausübung hoheitlicher Funktionen gehandelt hat, im Fürstentum Liechtenstein Immunität zukomme, und eine internationale Zuständigkeit der liechtensteinischen Gerichte ohnehin nicht vorliege;
 
dass der Einzelrichter am Fürstlichen Obergericht mit Beschluss vom gleichen Tag den Antrag des Klägers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (samt Rechtsbeistand) wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Klage abwies;
 
dass der Kläger dem Bundesgericht mit Eingabe vom 16. November 2012 erklärte, die Beschlüsse des Fürstlichen Obergerichts vom 11. Oktober 2012 mit Beschwerde anfechten zu wollen;
 
dass es sich unter den gegebenen Umständen rechtfertigt, die beiden Beschwerdeverfahren 4A_681/2012 und 4A_683/2012 zu vereinigen;
 
dass die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein nach Art. 1 des Patentschutzvertrags vom 22. Dezember 1978 (SR 0.232.149.514) ein einheitliches Schutzgebiet für Erfindungspatente bilden;
 
dass in diesem Schutzgebiet gemäss Art. 5 Abs. 1 das jeweilige Bundesrecht betreffend Erfindungspatente sowie andere Bestimmungen des Bundesrechts gelten, soweit die Handhabung der Patentgesetzgebung ihre Anwendung bedingt, wobei das gemäss dieser Vertragsbestimmung anwendbare Recht in der Anlage zum Patentschutzvertrag angeführt ist (Art. 5 Abs. 3);
 
dass nach Art. 11 des Patentschutzvertrags die in Patentsachen gefällten Zivil- und Strafentscheide der Gerichte des Fürstentums Liechtenstein gemäss den auf Grund des Vertrags anwendbaren Bestimmungen über die Rechtspflege beim Schweizerischen Bundesgericht angefochten werden können;
 
dass das Schweizerische Bundesgericht nach Art. 11 des Patentschutzvertrags als letzte Entscheidinstanz eingesetzt ist, um eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten, wobei sich diese Rechtsprechung allein auf die materiellen Normen beziehen kann, die gemäss Art. 5 im einheitlichen Schutzgebiet für anwendbar erklärt werden und die im Anhang aufgeführten Verfahrensregeln nur insoweit zur Anwendung kommen, als es um die Beurteilung einer Streitsache aufgrund der staatsvertraglich als anwendbar erklärten materiellen Normen geht (BGE 127 III 461 E. 3c S. 466);
 
dass die vom Beschwerdeführer gerügten Verfahrensmängel hinsichtlich der Parteibezeichnung der Beklagten 1, der Gerichtsbarkeit über die Beklagte 2 sowie der internationalen und örtlichen Zuständigkeit Fragen des anwendbaren Verfahrensrechts betreffen, das im Fürstentum Liechtenstein und in der Schweiz je eigenen Regeln folgt und nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichts im einheitlichen Schutzgebiet unterliegt;
 
dass sich entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht eine internationale oder örtliche Zuständigkeit des Fürstlichen Obergerichts ohnehin weder aus dem Patentgesetz (PatG; SR 232.14) noch aus dem Patentschutzvertrag oder den in dessen Anhang (vgl. die auf den 30. Juni 2012 bereinigten Anhänge gemäss Liechtensteinischem Landesgesetzblatt, Jahrgang 2012 Nr. 332) aufgeführten und vom Beschwerdeführer erwähnten Staatsverträgen ergibt;
 
dass sich insbesondere weder aus aArt. 73 Abs. 2 noch aus aArt. 75 PatG (AS 1955 891), die im Zeitpunkt der Klageeinreichung nicht mehr in Kraft waren, etwas zugunsten des Beschwerdeführers ableiten lässt und entgegen seiner Ansicht offensichtlich keine wohlerworbenen Rechte im Sinne von Art. 21 des Patentschutzvertrags betroffen sind;
 
dass auch der Rechtsweg für eine Verantwortlichkeitsklage im Fürstentum Liechtenstein nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichts hinsichtlich der im einheitlichen Schutzgebiet anwendbaren Normen erfasst wird und die Rügen der Verletzung von Bestimmungen des liechtensteinischen AHG/LI und der liechtensteinischen Zivilprozessordnung vom 10. Dezember 1912 (ZPO/LI; GS 271.0) vor Bundesgericht nicht erhoben werden können (vgl. Art. 11 i.V.m. Art. 5 Patentschutzvertrag);
 
dass auf die Beschwerde nicht einzutreten ist, soweit sie sich gegen die Abweisung der Bewilligung der Verfahrenshilfe richtet, zumal deren Voraussetzungen im einheitlichen Schutzgebiet nicht einheitlich geregelt sind und der Beschwerdeführer keine Verletzung einer nach Art. 5 anwendbaren materiellen Norm aufzuzeigen vermag, deren einheitliche Anwendung durch die in Art. 11 des Patentschutzvertrags vorgesehene Entscheidbefugnis des Bundesgerichts gewährleistet werden soll (vgl. BGE 127 III 461 E. 3c S. 466);
 
dass aus diesen Gründen die Beschwerde im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen ist, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann;
 
dass das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen ist (Art. 64 BGG);
 
dass der Beschwerdeführer bei diesem Verfahrensausgang kostenpflichtig wird (Art. 66 Abs. 1 BGG);
 
dass die Beschwerdegegnerinnen keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung haben, da ihnen aus dem bundesgerichtlichen Verfahren kein Aufwand erwachsen ist;
 
erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verfahren 4A_681/2012 und 4A_683/2012 werden vereinigt.
 
2.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
3.
 
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.
 
4.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
5.
 
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
 
6.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Fürstlichen Obergericht, 1. Senat, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 29. November 2012
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Klett
 
Der Gerichtsschreiber: Leemann
 
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