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Informationen zum Dokument  BGer 6B_201/2012  Materielle Begründung
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BGer 6B_201/2012 vom 27.11.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_201/2012
 
Urteil vom 27. November 2012
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichter Schneider, Schöbi,
 
Gerichtsschreiber Faga.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
 
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Verletzung der Verkehrsregeln,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
 
des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer,
 
vom 14. Februar 2012.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ wird vorgeworfen, am 20. Januar 2011 gegen 21 Uhr in der Hauptstrasse von Brugg (AG) mit seinem Personenwagen ein Fahrverbot missachtet zu haben.
 
B.
 
Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach sprach X.________ mit Strafbefehl vom 13. Februar 2011 der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln (durch Nichtbeachten des Vorschriftssignals "Verbot für Motorwagen") schuldig. Sie auferlegte ihm eine Busse von Fr. 100.--. Gegen diesen Strafbefehl erhob X.________ Einsprache.
 
C.
 
Das Gerichtspräsidium Brugg verurteilte X.________ am 9. Juni 2011 wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 100.--. Die Berufung von X.________ wies das Obergericht des Kantons Aargau am 14. Februar 2012 ab.
 
D.
 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt sinngemäss, der Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau sei aufzuheben, und er sei vom Vorwurf der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln freizusprechen.
 
E.
 
Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach beantragt in ihrer Vernehmlassung, es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten. Das Obergericht des Kantons Aargau hat auf Vernehmlassung verzichtet. Mit Eingabe vom 9. November 2012 nahm X.________ sein Recht zur Replik wahr.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Die Vorinstanz geht unter Hinweis auf die erstinstanzlichen Erwägungen von folgendem unbestrittenen Sachverhalt aus: Der Beschwerdeführer fuhr am 20. Januar 2011 um 18.45 Uhr mit seinem Personenwagen in die Altstadt von Brugg. Um 20.57 Uhr wurde er wegen Missachtung eines Fahrverbots (sowie wegen Parkierens innerhalb des signalisierten Parkverbots) gebüsst, wobei er wenige Minuten später aus der Altstadt herausfuhr. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen besteht bei der Einfahrt in die Altstadt (Storchengasse) eine Zonensignalisation (im Sinne von Art. 2a der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 [SSV; SR 741.21]). Diese wird bei der Ausfahrt aus der Altstadt (Hauptstrasse) aufgehoben. Angezeigt wird (angeordnet von oben nach unten) ein als Zonensignal dargestelltes "Parkieren mit Parkscheibe" mit der näheren Umschreibung "07.00 - 19.00 Uhr" (Signale 2.59.1 und 4.18 gemäss Anhang 2 der SSV), eine "Begegnungszone" (Signal 2.59.5) sowie ein "Verbot für Motorwagen, Motorräder und Motorfahrräder" mit dem Zusatz "19.00 - 07.00 Uhr" (Signal 2.14; vgl. vorinstanzliche Akten pag. 2).
 
2.
 
Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach überwies die Untersuchungsakten nach erfolgter Einsprache gegen den Strafbefehl vom 13. Februar 2011 an die erste Instanz. Der Strafbefehl gilt als Anklageschrift (Art. 356 Abs. 1 StPO). Laut diesem wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, das Vorschriftssignal "Verbot für Motorwagen" am 20. Januar 2011 um 20.57 Uhr an der Hauptstrasse missachtet zu haben. Dieser Vorwurf entspricht offensichtlich den Angaben auf dem Bedenkfristformular zur Bezahlung der Ordnungsbusse, wird aber im knapp gehaltenen Strafbefehl nicht näher umschrieben. Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer demgegenüber vor, das Fahrverbot kurz nach 21.00 Uhr verletzt zu haben, als er aus der Altstadt herausfuhr. Ob die Untersuchungsbehörde dem Beschwerdeführer eine Verletzung des Fahrverbots vor dem widerrechtlichen Parkieren vorhält und die Vorinstanz damit vom angeklagten Sachverhalt abweicht, braucht nicht näher geprüft zu werden. Eine Verletzung des Anklagegrundsatzes respektive eine Verfassungs- und Konventionsverletzung rügt der Beschwerdeführer nicht (Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK).
 
3.
 
Streitgegenstand bildet der örtliche Geltungsbereich des an der Storchengasse signalisierten Fahrverbots.
 
3.1 Der Beschwerdeführer bringt insbesondere vor, das Vorschriftssignal "Verbot für Motorwagen" sei nicht als Zonensignal im Sinne von Art. 2a SSV gekennzeichnet gewesen. Nach Art. 16 Abs. 2 SSV gelte das Fahrverbot deshalb nur dort, wo es angezeigt sei. Bei der Einfahrt in die Altstadt (Storchengasse) seien verschiedene Signale angebracht. Es sei deshalb nachvollziehbar, dass er das fragliche Fahrverbot nicht als zusätzliche Zonensignalisation interpretiert habe (Beschwerde S. 2).
 
3.2 Die Vorinstanz erwägt, das Fahrverbotszeichen sei mit einem Klebstoff unter die beiden anderen Signale angebracht worden. Für sich genommen stelle es kein Zonensignal dar. Hingegen sei es unterhalb von zwei korrekt gekennzeichneten Zonensignalen aufgeführt. Die zeitliche Beschränkung des Fahrverbots (19.00 bis 7.00 Uhr) korreliere mit den Zeitangaben für das erlaubte Parkieren (7.00 bis 19.00 Uhr). Ein ordentliches Vorschriftssignal mache an der fraglichen Stelle zudem wenig Sinn, da die nächste Verzweigung schon "nach kürzester Zeit" komme. Von einem "unvoreingenommenen" Verkehrsteilnehmer seien alle drei Signale als Einheit und als Vorschriften innerhalb der Begegnungszone zu betrachten. Das fragliche Fahrverbot habe nur als Zonensignal verstanden werden können (Urteil S. 5 f.).
 
3.3
 
3.3.1 Das Hinweissignal "Parkieren mit Parkscheibe" (Signal 4.18) und das Vorschriftssignal "Verbot für Motorwagen, Motorräder und Motorfahrräder" (Signal 2.14) können auf einer rechteckigen weissen Tafel mit der Aufschrift "ZONE" als Zonensignale (Signal 2.59.1) dargestellt werden (vgl. Art. 2a Abs. 1 SSV). Die "Begegnungszone" wird in gleicher Art und Weise angekündigt (Signal 2.59.5; vgl. zur Begegnungszone Art. 2a Abs. 5, Art. 22b, Art. 102 und Art. 108 Abs. 5 lit. e SSV sowie die Verordnung vom 28. September 2001 über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen [SR 741.213.3]). Gemäss Art. 2a Abs. 4 SSV dürfen mit einem Zonensignal höchstens drei Verkehrsanordnungen angezeigt werden.
 
Vorschriftssignale haben gemäss Art. 16 Abs. 2 SSV grundsätzlich an der Stelle oder von der Stelle an, wo das Signal steht, bis zur nächsten Verzweigung Gültigkeit. Nach Art. 2a Abs. 3 SSV gelten die mit einem Zonensignal angezeigten Rechte und Pflichten mit Beginn der Zonensignalisation bis zum jeweiligen Ende-Signal (Signal 2.59.2).
 
3.3.2 Art. 27 Abs. 1 SVG schreibt vor, dass Signale und Markierungen sowie die Weisungen der Polizei befolgt werden müssen. Nach der Rechtsprechung verpflichten Verbotssignale nur, wenn sie klar und ohne Weiteres in ihrer Bedeutung erkennbar sind (BGE 127 IV 229 E. 2c/aa S. 232 mit Hinweisen). Verkehrszeichen, die vorschriftswidrig und daher gar nicht oder nur erschwert erkannt werden können, entfalten keine Bindungswirkung (Urteil 6B_261/2008 vom 19. August 2008 E. 1.3). Auch der ortsfremde Verkehrsteilnehmer muss ein Verbot unzweideutig als solches erkennen können (BGE 106 IV 138 E. 4 S. 140 mit Hinweisen).
 
3.4
 
3.4.1 Das fragliche Signal "Verbot für Motorwagen, Motorräder und Motorfahrräder" trägt im Gegensatz zu den beiden anderen Hinweissignalen keine Aufschrift "ZONE". Ebenso wenig wurde das Fahrverbot im Sinne von Art. 2a Abs. 4 SSV in eine Zonensignalisation integriert. Es entspricht nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz nicht der Signalisationsverordnung.
 
3.4.2 Die Begegnungszone ist klar gekennzeichnet, und auch das Hinweissignal betreffend das Parkieren ist ohne Weiteres als Zonensignal in seiner Bedeutung erkennbar. Jedoch kann das Fahrverbot nicht nur als Zonensignal verstanden werden. Vielmehr lässt sich auch vertreten, dass es (bei fehlender Wiederholung) ein zeitliches Verbot für Auto, Motorräder und Motorfahrräder lediglich bis zur nächsten Verzweigung anzeigt, ohne die Hauptstrasse mitzuumfassen. Ein Verkehrsbedürfnis kann darin bestehen, dass beispielsweise in einer bestimmten Ladenstrasse tagsüber private und gewerbliche Fahrten möglich sein sollen, während abends und nachts die Strasse für die Fussgänger und Anwohner autofrei gehalten werden soll. Dass nicht nur einzelne Strassen, sondern eine ganze Zone diesem Regime unterstehen soll, liegt nicht ohne Weiteres auf der Hand. Eine Begegnungszone stellt besondere Verhaltensregeln für Fussgänger und Fahrzeuge auf, erlaubt aber den rollenden Verkehr. Ob die erlassende Behörde demgegenüber mit der fraglichen Signalisation ab 19 Uhr eine autofreie Altstadt bezwecken wollte, ist hier nicht relevant. Dem Verkehrsteilnehmer ist es in aller Regel nicht zumutbar, Überlegungen über die Motivation der erlassenden Behörde anzustellen, die in der Signalisation nicht klar und deutlich zum Ausdruck kommt (ERNST KRAMER, Anmerkungen zur Methode der Interpretation von Verkehrszeichen, SJZ 78/1982 S. 281).
 
3.4.3 Die Vorinstanz erwägt, ein ordentliches Vorschriftssignal im Sinne von Art. 16 SSV mache an der fraglichen Stelle wenig Sinn, da die nächste Verzweigung schon "nach kürzester Zeit" komme. Dieses Argument ist nicht nachvollziehbar. Insbesondere ist nicht erkennbar, weshalb an der Kirchgasse (soweit die Vorinstanz diese Verzweigung meint) nicht ein weiteres Fahrverbot signalisiert sein könnte. Auch ist wie dargetan nicht ausgeschlossen, dass an der Storchengasse ein nächtliches Verbot gilt, während Teile der übrigen Altstadt (Spitalrain, Kirchgasse und Hauptstrasse) den rollenden Verkehr erlauben. Feststellungen darüber, wie die Verkehrsführung in der Altstadt organisiert ist, trifft die Vorinstanz nicht. Darauf muss jedoch nicht näher eingegangen werden. Das vorinstanzliche Argument schlägt aus einem anderen Grund nicht durch. Der (allenfalls ortsfremde) Verkehrsteilnehmer, der die Storchengasse respektive den Storchenplatz befährt, muss die Verkehrsführung an der Kirchgasse oder am Spitalrain zweifelsohne nicht antizipieren, um die Signalisation bei der Einfahrt in die Altstadt richtig interpretieren zu können. Vielmehr muss die Signalisation aus sich selbst heraus klar und eindeutig sein.
 
3.4.4 Das Fahrverbot befindet sich unterhalb von zwei korrekten, jeweils schwarz umrandeten Zonensignalen. Damit ist zwar möglich, dass es als Ganzes zu interpretieren und mithin im Sinne der Vorinstanz auszulegen ist. Unter Berücksichtigung der Umstände, dass die so angekündigte Zone nicht der Signalisationsverordnung entspricht und ein auf die Storchengasse beschränktes Verbot für einen Verkehrsteilnehmer nicht von vornherein sinnwidrig ist, drängt sich die Sichtweise der Vorinstanz nicht auf. Daran vermag die Tatsache nichts zu ändern, dass die Zeitangaben für das erlaubte Parkieren mit denen des Fahrverbots korrelieren. Ein Signal hat, insbesondere für den rollenden Verkehr, leicht und rechtzeitig erkennbar zu sein. Es muss bei zumutbarer Aufmerksamkeit vom durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer im Fahren durch beiläufigen Blick erfasst, verstanden und befolgt werden können (PETER KÖNIG, in: Strassenverkehrsrecht, 41. Aufl. 2011, N. 33 zu § 39 StVO). Ein Fahrzeuglenker, der die Storchengasse befährt, sieht die angekündigte Parkberechtigung als Zonensignalisation mit einer zeitlichen Beschränkung (7.00 bis 19.00 Uhr) und mit einer limitierten Parkzeit (maximal 30 Minuten), die Begegnungszone mit einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h und endlich ein Fahrverbot bestehend aus drei Verbotssymbolen mit einer ebenfalls zeitlichen Beschränkung (19.00 bis 7.00 Uhr). All diese Signale muss der Fahrzeugführer in ihrer Bedeutung erfassen können, ohne dass er gehalten ist, seine Fahrt zu unterbrechen. Gleichzeitig müsste er, wird der Argumentation der Vorinstanz gefolgt, unzweifelhaft erkennen können, dass das Fahrverbot nur zusammen mit den Parkierungsvorschriften zu lesen ist.
 
Letzteres ist nicht der Fall. Enthält ein Signal ein für den durchschnittlichen Strassenbenützer nicht sofort klar erkennbares Verbot, so ist dieses nicht gültig. Im Zweifel ist ein Verbot zu verneinen, nicht umgekehrt. Tafeln, die Verbote signalisieren, müssen so gestaltet sein, dass es keiner besonderen Aufmerksamkeit und logischen Ableitungen bedarf, um die Existenz eines Verbotes zu erkennen (BGE 106 IV 138 E. 6 S. 141). Von einem unzweideutig signalisierten und daher gültigen Verbot kann hier nicht gesprochen werden.
 
3.4.5 Das Fahrverbot an der Storchengasse ist keine rechtsgültige Zonensignalisation. Es entfaltet deshalb an der Hauptstrasse, wo der Beschwerdeführer das Fahrverbot verletzt haben soll, keinerlei Wirkung. Die Verurteilung wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln durch Nichtbeachten des Vorschriftssignals "Verbot für Motorwagen" verletzt Bundesrecht. Damit erübrigt es sich, die weiteren Rügen näher zu prüfen.
 
4.
 
Die Beschwerde ist gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Beschwerdeführer ist vor dem Bundesgericht nicht anwaltlich vertreten. Besondere persönliche Aufwendungen macht er nicht geltend. Es ist ihm deshalb keine Entschädigung zuzusprechen (BGE 133 III 439 E. 4 S. 446 mit Hinweis).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, vom 14. Februar 2012 wird aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 27. November 2012
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Der Gerichtsschreiber: Faga
 
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