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Informationen zum Dokument  BGer 5D_123/2012  Materielle Begründung
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BGer 5D_123/2012 vom 17.10.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5D_123/2012
 
Urteil vom 17. Oktober 2012
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
 
Bundesrichter L. Meyer, von Werdt,
 
Gerichtsschreiber Zbinden.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Suter,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Regionalgericht Bern-Mittelland, Zivilabteilung.
 
Gegenstand
 
unentgeltliche Rechtspflege (Abänderung Eheschutzmassnahmen),
 
Verfassungsbeschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Zivilabteilung, 2. Zivilkammer, vom 6. Juni 2012.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Eingabe vom 20. Januar 2012 beantragte X.________ (Gesuchstellerin) beim Regionalgericht Bern-Mittelland, es sei ihr für das von Y.________ eingeleitete Verfahren betreffend Abänderung des Eheschutzurteils (CIV 11 8527) die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen und ihr Rechtsanwalt Christoph Suter als amtlicher Rechtsbeistand zu bestellen. Mit Entscheid vom 17. April 2012 wies die Gerichtspräsidentin des Regionalgerichts Bern-Mittelland das Gesuch mangels ausgewiesener Bedürftigkeit der Gesuchstellerin ab. Das Verfahren betreffend Abänderung des Eheschutzurteils ist noch hängig.
 
B.
 
Mit Entscheid vom 6. Juni 2012 wies das Obergericht des Kantons Bern, Zivilabteilung, 2. Zivilkammer, die gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege erhobene Beschwerde der Gesuchstellerin (1) sowie das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren ab (2).
 
C.
 
Die Gesuchstellerin hat am 12. Juni 2012 gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie beantragt (sinngemäss), die Ziffern 1 und 2 des obergerichtlichen Entscheides aufzuheben und die unentgeltliche Rechtspflege für das Abänderungs- sowie das Beschwerdeverfahren zu bewilligen. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht sie ebenso um unentgeltliche Rechtspflege.
 
Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Angefochten ist einmal ein kantonal letztinstanzlicher (Art. 75 Abs. 1 BGG) Beschwerdeentscheid betreffend Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege für eine Abänderung des Eheschutzurteils (1). Dabei handelt es sich um einen Zwischenentscheid mit nicht wiedergutzumachendem rechtlichen Nachteil (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Urteil 5A_108/2007 vom 11. Mai 2007 E. 1.2). Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (BGE 133 III 645 E. 2.2. S. 647 f.). In dieser geht es um die Abänderung von Unterhaltsbeiträgen im Rahmen von Eheschutzmassnahmen, deren Streitwert zur Beschwerde in Zivilsachen berechtigt (Art. 72 Abs. 1 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG i.V.m. Art. 51 Abs. 4 BGG).
 
Gegenstand ist sodann ein Entscheid des Obergerichts, mit dem die unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren abgewiesen worden ist (2). Dieser Entscheid erfüllt ebenso die genannten Voraussetzungen. Dass es sich nicht um einen Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts in seiner Eigenschaft als Rechtsmittelinstanz handelt (Art. 75 Abs. 2 BGG), schadet nicht (BGE 137 III 424 E. 2.2; 138 III 41 E. 1.1).
 
Die Eingabe der Beschwerdeführerin ist somit mit Bezug auf beide angefochtenen Entscheide als Beschwerde in Zivilsachen entgegenzunehmen.
 
1.2 Die Beschwerde ist zu begründen (Art. 42 Abs. 2 BGG). Mit ihr ist in gedrängter Form durch Auseinandersetzung mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, welche Vorschriften und warum sie vom Obergericht verletzt worden sein sollen. Verfassungsverletzungen werden nur geprüft, wenn sie gerügt und gehörig begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 IV 286 E. 1.4 S. 287; BGE 134 I 83 E. 3.2. S. 88 mit Hinweisen).
 
2.
 
2.1 Die erste Instanz ging davon aus, die monatlich verfügbaren Mittel der Beschwerdeführerin (aus Einkommen) lägen um Fr. 1'072.-- unter ihrem prozessualen Zwangsbedarf. Mit Bezug auf die Vermögensverhältnisse hat die erste Instanz der Beschwerdeführerin deren Guthaben bei der UBS von rund Fr. 16'600.-- (per 31. Januar 2012) als Notgroschen von der Berechnung ausgenommen, hingegen das Aktienpaket der Beschwerdeführerin in den USA im Wert von umgerechnet Fr. 24'713.-- für die Bezahlung der Gerichts- und Anwaltskosten berücksichtigt. Ausgehend von mutmasslichen Gerichtskosten von Fr. 1'400.-- und Anwaltskosten von rund Fr. 4'000.-- hat die erste Instanz angenommen, die Beschwerdeführerin sei in der Lage, die Kosten des Prozesses mit ihrem Vermögen zu bezahlen. Daran ändere nichts, dass sie bei ihren Eltern ein Darlehen von Fr. 18'000.-- aufgenommen habe, zumal auch unter Berücksichtigung dieses Darlehens immer noch ein Freibetrag von Fr. 6'700.-- verbleibe.
 
2.2 Das Obergericht hat sich den Überlegungen mit Bezug auf die Einkommensverhältnisse der ersten Instanz angeschlossen. Im Weiteren hat die Vorinstanz erwogen, dem Vermögen per Ende Januar 2012 stehe eine pro-rata Hypothekarzinsschuld von rund Fr. 2'000.-- gegenüber. Die erste Instanz habe indes der Beschwerdeführerin einen grosszügigen Notgroschen zugebilligt, welcher bei einer Verminderung um die Hypothekarschuld immer noch Fr. 14'000.-- betrage und damit deutlich über dem in der Regel akzeptierten Umfang liege; die Hypothekarschuld habe daher keinen Einfluss auf die Verfügbarkeit des US-Aktienpaketes zur Bezahlung der Gerichtskosten. Die Vorinstanz hat im Weiteren eine Verminderung des Vermögens um den Betrag des Darlehens der Eltern der Beschwerdeführerin im Betrag von Fr. 18'000.-- mit der Begründung abgelehnt, dieses werde erst im Dezember 2016 zur Rückzahlung fällig. Zusammenfassend hielt die Vorinstanz dafür, damit stehe der gesamte Wert des US-Aktienpaketes von rund Fr. 24'700.-- unter Abzug von Fr. 1'072.-- pro Monat, welcher zum Ausgleich der Unterdeckung auf der Einkommensseite benötigt werde, zur Verfügung. Werde des Weiteren berücksichtigt, dass der Prozess noch bis August 2012 dauern könnte, verbleibe ein Nettobetrag von rund Fr. 17'000.--, womit die voraussichtlichen Kosten des Eheschutzverfahrens und des vorliegenden Beschwerdeverfahrens gedeckt werden könnten.
 
3.
 
Die Beschwerdeführerin beanstandet eine rechtswidrige Verneinung der Bedürftigkeit und rügt in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu dieser Verfassungsbestimmung ist ein Gesuchsteller bedürftig, der die Leistung der erforderlichen Prozess- und Parteikosten nur erbringen kann, wenn er die Mittel angreift, deren er zur Deckung des Grundbedarfs für sich und seine Familie bedarf (BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223 mit Hinweisen).
 
3.1 Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden. Dazu gehören einerseits sämtliche finanziellen Verpflichtungen, anderseits die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181; 124 I 1 E. 2a S. 2, je mit Hinweisen). Bei der Ermittlung des notwendigen Lebensunterhaltes soll nicht schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt, sondern den individuellen Umständen Rechnung getragen werden (BGE 109 Ia 5 E. 3a S. 9 mit Hinweisen; 118 Ia 369 E. 4a S. 370).
 
3.2 Das Bundesgericht prüft frei, ob die Kriterien zur Bestimmung der Bedürftigkeit zutreffend gewählt worden sind, während seine Kognition in Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörde auf Willkür beschränkt ist (BGE 119 Ia 11 E. 3a S. 12 mit Hinweis; vgl. auch: 129 I 129 E. 2.1 S. 133 mit Hinweisen).
 
4.
 
4.1 Zur Begründung ihres Vorwurfs macht die Beschwerdeführerin als Erstes geltend, das Obergericht habe die voraussichtlichen Kosten des Eheschutzverfahrens falsch ermittelt. Der Aufwand des Abänderungs- bzw. Beschwerdeverfahrens habe sich im Zeitraum vom 14. Dezember 2011 bis 30. Juni 2012 auf 34.75 Stunden zu Fr. 230.-- die Stunde belaufen, weshalb insgesamt mit einem Finanzbedarf von über Fr. 10'000.-- und nicht mit Kosten von Fr. 5'400.-- (Gerichtskosten: Fr. 1'400.--; Anwaltskosten: Fr. 4'000.--) zu rechnen sei.
 
Weder der kantonalen Beschwerde an das Obergericht noch dem angefochtenen Entscheid lässt sich entnehmen, dass die Beschwerdeführerin eine entsprechende Rüge bezüglich der Gerichts- und Anwaltskosten des Eheschutzverfahrens beim Obergericht erhoben hätte. Auf die mit Bezug auf die Höhe dieser Kosten erstmals vor Bundesgericht vorgetragene Rüge ist daher mangels Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nicht einzutreten (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 III 639 E. 2).
 
4.2 Die Beschwerdeführerin beanstandet sodann, das Darlehen von Fr. 18'000.-- sei nicht als vermögensverminderndes Element berücksichtigt worden, obwohl es zur Vermeidung der andernfalls drohenden Sozialhilfebedürftigkeit gewährt worden sei. Das Obergericht habe dem Umstand nicht Rechnung getragen, dass vorliegend bei der Beurteilung der Bedürftigkeit nicht nur die Verhältnisse im Zeitpunkt Gesuchseinreichung, sondern auch die zu diesem Zeitpunkt voraussehbaren Umstände zu berücksichtigen gewesen wären.
 
Der Vorwurf, die Darlehensschuld von Fr. 18'000.-- sei zu Unrecht nicht berücksichtigt worden, ist begründet: Tatsache ist, dass diese Schuld besteht. Damit kann es nicht angehen, sie nicht als vermögensminderndes Element zu berücksichtigen. Daran ändert nichts, dass die Rückzahlung des Darlehens erst auf Dezember 2016 vereinbart worden ist. Geht man aber - wie die erste Instanz - von einem Restbetrag von Fr. 6'700.-- aus (Fr. 24'700.-- ./. Fr. 18'000.--), ist die Beschwerdeführerin mit Bezug auf die Gerichts- und Anwaltskosten des erstinstanzlichen Verfahrens (Fr. 1'400.-- + Fr. 4'000.--; E. 2.1) nicht bedürftig, zumal die Hypothekarschuld aus dem zu grosszügig bemessenen Notgroschen beglichen worden ist. Die Beschwerdeführerin bringt nicht substanziiert vor, die Vorinstanz sei von falschen Zahlen ausgegangen, weshalb der angefochtene Entscheid insoweit Art. 9 und Art. 29 Abs. 3 BV verletze. Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
 
5.
 
Das Obergericht hat alsdann aufgrund der gegebenen Vermögenslage angenommen, die Beschwerdeführerin sei zudem imstande, die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu bezahlen. Die Beschwerdeführerin bringt nichts Substanzielles vor, um eine willkürliche Feststellung des Sachverhalts (Art. 9 BV) bzw. eine Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV zu belegen. Insbesondere macht sie nicht substanziiert geltend, es sei ihr nicht möglich gewesen, mit dem verbleibenden Betrag von Fr. 1'300.-- (6'700.-- - Fr. 5'400.--) die Gerichtskosten (Fr. 600.--) und die Anwaltskosten des Beschwerdeverfahrens zu zahlen. Soweit dieser Betrag nicht ausreicht, ist ihr - abgesehen davon - zuzumuten, den ungedeckten Betrag aus dem Notgroschen von noch Fr. 14'000.-- zu begleichen, der nach Auffassung des Obergerichts auch angesichts der bereits erfolgten Kürzung um die Hypothekarschuld immer noch über dem Zulässigen liegt. Auch insoweit ist keine Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV auszumachen.
 
6.
 
Damit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Entschädigung ist nicht geschuldet.
 
7.
 
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist abzuweisen, zumal sich die Beschwerde als von Anfang an aussichtslos erwiesen hat (Art. 64 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird als Beschwerde in Zivilsachen entgegengenommen und abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil der Beschwerdeführerin, dem Regionalgericht Bern-Mittelland, Zivilabteilung, und dem Obergericht des Kantons Bern, Zivilabteilung, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 17. Oktober 2012
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Hohl
 
Der Gerichtsschreiber: Zbinden
 
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