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Informationen zum Dokument  BGer 2C_940/2012  Materielle Begründung
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BGer 2C_940/2012 vom 01.10.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2C_940/2012
 
Urteil vom 1. Oktober 2012
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Gerichtsschreiber Feller.
 
1. Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
2. B.________,
 
3. C.________,
 
4. D.________,
 
5. E.________,
 
Beschwerdeführer,
 
alle vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Stulz,
 
gegen
 
Amt für Migration und Integration Kanton Aargau, Rechtsdienst, Bahnhofstrasse 88, 5001 Aarau.
 
Gegenstand
 
Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Rekursgerichts im Ausländerrecht des Kantons Aargau vom 23. August 2012.
 
Erwägungen:
 
1.
 
A.________, 1982 geborene Staatsangehörige von Marokko, heiratete 2000 in ihrer Heimat einen Landsmann; nach ihrer Darstellung soll sie durch ein Eheversprechen ihres Vaters zur Ehe verpflichtet worden sein. Der Ehe entsprangen drei Kinder (B.________ geboren Mai 2003, C.________ geboren Oktober 2004 und D.________ geboren September 2006). Offenbar anlässlich einer Reise in die Schweiz lernte sie im Herbst 2009 E.________ kennen, einen 1966 geborenen Italiener, der seit 1978 in der Schweiz lebt und hier über eine Niederlassungsbewilligung verfügt. Seit August 2010 wohnt A.________ mit ihren Kindern bei ihm.
 
E.________ ersuchte am 17. August 2010 für A.________ und ihre Kinder um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Das Amt für Migration und Integration Kanton Aargau lehnte das Gesuch am 15. November 2010 ab und verfügte die Wegweisung. Die gegen diese Verfügung erhobene Einsprache blieb erfolglos (Entscheid vom 22. Februar 2011). Mit Urteil vom 23. August 2012 wies das Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde ab; es erklärte die Beschwerde - wegen Zeitablaufs - für gegenstandslos, soweit sie ein Gesuch um Aufenthaltsbewilligung für A.________ bis Ende 2011 zwecks Vorbereitung der Eheschliessung mit E.________ zum Gegenstand hatte.
 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bzw. subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 25. September 2012 beantragen A.________ für sich und ihre Kinder sowie E.________ dem Bundesgericht, das Urteil des Rekursgerichts sei aufzuheben; es sei A.________ und ihren Kindern die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen; eventualiter sei A.________ (zusammen mit den Kindern) der Aufenthalt zur Vorbereitung der Heirat mit E.________ befristet bis April 2013 zu erteilen.
 
Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen angeordnet worden.
 
Mit dem vorliegenden instanzabschliessenden Urteil wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
 
2.
 
2.1 Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt. Dass ein Rechtsanspruch auf Bewilligung besteht, muss mit der Beschwerde in vertretbarer Weise geltend gemacht bzw. substantiiert werden (Urteil 2C_821/2011 vom 22. Juni 2012 E. 1, nicht publ. in: BGE 138 II 229; Urteil 2C_459/2011 vom 26. April 2012 E. 1.1, zur Publikation vorgesehen; Urteil 2C_934/2012 vom 25. September 2012 E. 2; generell zur Geltendmachung von sich aus der EMRK ergebenden Ansprüchen s. BGE 137 I 305 E. 25. S. 215 f.).
 
2.2 Die Beschwerdeführer berufen sich auf Art. 8 EMRK, der das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens garantiert. Aus dieser Norm wollen sie insofern einen Bewilligungsanspruch ableiten, als die Beschwerdeführerin 1 und ihre drei Kinder seit gut zwei Jahren mit dem Beschwerdeführer 5 zusammenwohnen.
 
Nach der Rechtsprechung lässt sich bei mehrjährigen stabilen Konkubinatsverhältnissen, an welchem ein Partner mit gefestigter Anwesenheit beteiligt ist, in der Tat unter Umständen ein Anspruch auf eine ausländerrechtliche Bewilligung des bis anhin nicht anwesenheitsberechtigten ausländischen Partners ableiten (s. dazu Zusammenfassung in Urteil 2C_702/2011 vom 23. Februar 2012 E. 3.1 und 3.2). Auf der Grundlage des massgeblichen Sachverhalts lässt sich im Lichte dieser Rechtsprechung vorliegend nicht in vertretbarer Weise ein Rechtsanspruch auf Bewilligung geltend machen:
 
Zwar leben die Beschwerdeführer seit etwa zwei Jahren in einer Wohngemeinschaft. Sie haben jedoch keine gemeinsamen Kinder. Vor allem aber ist die Beschwerdeführerin 1 noch verheiratet, und es ist weder vor den kantonalen Instanzen noch nun vor Bundesgericht konkret aufgezeigt worden, dass die Ehe geschieden bzw. wieweit die entsprechenden Bemühungen gediehen sind und dass bzw. wann der Weg für eine allfällige Eheschliessung zwischen der Beschwerdeführerin 1 und dem Beschwerdeführer 5 frei sein wird (vgl. zur Tragweite dieses Aspekts Urteil 2C_25/2010 vom 2. November 2010 E. 6). Dabei ist auch von Bedeutung, dass bereits im Kanton eine bis Ende 2011 befristete Bewilligung zwecks Vorbereitung der Eheschliessung beantragt worden war; diesbezüglich wurde die Beschwerde vor der Vorinstanz gegenstandslos erklärt. Zwar werden Schwierigkeiten bei der Erwirkung eines Scheidungs- (bzw. eines Ehenichtigkeits-)Urteils in Marokko geltend gemacht, ohne dass aufgezeigt wird, dass eine Scheidung nicht gültig erwirkt werden kann. Die Beschwerdeführer möchten, dass die 2000 geschlossene Ehe, aus der 2003, 2004 und 2006 drei Kinder hervorgegangen sind und über deren Verlauf allein undokumentierte Schilderungen der Beschwerdeführerin 1 selbst vorliegen, als Zwangsehe und darum unter dem Aspekt des ordre public als nichtig betrachtet wird. Es muss bezweifelt werden, dass (und wenn ja, unter welchen Bedingungen) sich eine derartige Feststellung in einem ausländerrechtlichen Bewilligungsverfahren unter Berufung auf den ordre public treffen liesse; weder mit dem in der Beschwerde zitierten BGE 134 II 1 noch gestützt auf die sonstigen Vorbringen der Beschwerdeführer lässt sich dies jedenfalls vorliegend rechtfertigen. Letztere beruhen im Wesentlichen auf allgemeinen Berichten über die Verhältnisse in arabischen Ländern, und es bleibt auch unerfindlich, welche zusätzlichen einzelfallbezogenen Abklärungen (etwa persönliche Befragung) über Umstände, die allein die Beschwerdeführer substantiieren könnten, die Vorinstanz rechts- bzw. gehörsverweigernd unterlassen hätte.
 
Mangels in vertretbarer Weise geltend gemachten Anspruchs auf Erteilung der nachgesuchten Bewilligungen erweist sich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als offensichtlich unzulässig (Art. 108 Abs. 1 lit. a BGG). Dies gilt auch in Bezug auf den Eventualantrag (Erteilung einer befristeten Bewilligung zwecks Vorbereitung einer Heirat). Abgesehen davon, dass es sich dabei um einen neuen Antrag und mithin um ein unzulässiges Novum handeln dürfte (Art. 99 Abs. 1 BGG), setzen sich die Beschwerdeführer mit den Darlegungen der Vorinstanz zu diesem Thema (grundsätzlich E. 5, spezifisch zur Gegenstandslosigkeit der dortigen Beschwerde bezüglich eines früheren ähnlichen Antrags E. 5.2.1) nicht auseinander.
 
2.3 Als offensichtlich unzulässig erweist sich auch die subsidiär erhobene Verfassungsbeschwerde. Die Rechtsschrift enthält keine Rügen, zu deren Erhebung die Beschwerdeführer legitimiert wären (Art. 115 lit. b BGG, dazu BGE 133 I 185).
 
2.4 Auf die Beschwerde ist mit Entscheid des Einzelrichters im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten.
 
2.5 Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung kann wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde nicht entsprochen werden (Art. 64 BGG), sodass es sich erübrigt, Abklärungen über die finanziellen Verhältnisse (namentlich des die Beschwerde mittragenden Beschwerdeführers 5) zu treffen bzw. die Nachreichung der diesbezüglich in Aussicht gestellten Unterlagen abzuwarten.
 
Damit haben die Beschwerdeführer 1 und 5 die Gerichtskosten nach Massgabe von Art. 65 sowie 66 Abs. 1 erster Satz und Abs. 5 BGG) zu tragen.
 
Demnach erkennt der Präsident:
 
1.
 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern 1 und 5 unter solidarischer Haftung auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 1. Oktober 2012
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Feller
 
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