VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 1C_452/2011  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 1C_452/2011 vom 21.08.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1C_452/2011
 
Urteil vom 21. August 2012
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Karlen, Eusebio,
 
Gerichtsschreiber Uebersax.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Sararard Arquint,
 
gegen
 
Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau, Postfach, 5001 Aarau,
 
Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, 5001 Aarau.
 
Gegenstand
 
Entzug des Führerausweises,
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 28. Juli 2011 des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 1. Kammer.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.a X.________, wohnhaft in A.________/AG, besitzt seit 2001 den Führerausweis der Kategorie B (Personenwagen). Am 4. Dezember 2008 wurde ihm der Führerausweis für die Dauer von drei Monaten entzogen wegen einer schweren Widerhandlung (insbesondere infolge unvorsichtigen Überholens und ungenügenden Abstands beim Wiedereinbiegen) sowie einer leichten Widerhandlung (wegen Geschwindigkeitsüberschreitung) gegen das Strassenverkehrsgesetz.
 
A.b Am 21. April 2010 um 00.05 Uhr wurde X.________ von der Polizei beobachtet, wie er mit seinem Personenwagen von der Autobahn A2 rückwärts die Autobahneinfahrt Diegten in Richtung Bern/Luzern herabfuhr. Das Bezirksstatthalteramt Waldenburg sprach X.________ mit Strafbefehl vom 8. Juni 2010 der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln durch Rückwärtsfahren auf der Autobahneinfahrt schuldig und auferlegte ihm eine Busse von Fr. 150.--.
 
B.
 
B.a Mit Verfügung vom 24. Juni 2010 entzog das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau X.________ den Führerausweis für sämtliche Kategorien für die Dauer von zwölf Monaten. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei auf der Autobahn und anschliessend auf der Autobahneinfahrt rückwärts gefahren, womit er innert fünf Jahren zum zweiten Mal eine schwere Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz begangen habe.
 
B.b Am 15. Dezember 2010 wies das Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau eine dagegen gerichtete Beschwerde von X.________ ab.
 
B.c Mit Urteil vom 28. Juli 2011 wies auch das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 1. Kammer, eine Beschwerde von X.________ gegen den Departementsentscheid ab.
 
C.
 
X.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht mit dem Hauptantrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und ihn lediglich zu verwarnen; eventuell sei die Sache zur weiteren Sachverhaltsabklärung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
 
Zur Begründung wird hauptsächlich geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt, indem es namentlich von einem Rückwärtsfahren auf der Autobahn selbst ausgegangen sei, und den Anspruch von X.________ auf rechtliches Gehör verletzt, weil es verschiedenen Beweisanträgen auf Ergänzung der Sachverhaltserhebungen nicht stattgegeben habe. Überdies verletze das Gerichtsurteil Bundesrecht, indem es von einer schweren statt einer leichten Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz ausgehe.
 
D.
 
D.a Das Strassenverkehrsamt, das Departement Volkswirtschaft und Inneres sowie das Verwaltungsgericht das Kantons Aargau verzichteten auf eine Stellungnahme zur Beschwerde.
 
D.b Mit Vernehmlassung vom 25. Januar 2012 beantragt das Bundesamt für Strassen ASTRA, die Beschwerde hinsichtlich der Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils gutzuheissen und den Führerausweis von X.________ wegen einer mittelschweren Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz für die Dauer von vier Monaten zu entziehen. Ergänzend verweist das Bundesamt auf ein neueres Urteil des Bundesgerichts in einem ähnlich gelagerten Fall (Urteil 1C_184/2011 vom 31. Oktober 2011).
 
D.c X.________ führt dazu aus, die im vom Bundesamt angerufenen Vergleichsfall enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen liessen sich nicht unbesehen auf den vorliegenden Fall übernehmen, in rechtlicher Hinsicht sei dem Entscheid aber insoweit zu folgen, als jedenfalls nicht von einem schweren Gesetzesverstoss ausgegangen werden dürfe. Das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau macht geltend, das vom Bundesamt beigezogene Urteil lasse sich nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichen, weshalb weiterhin von einer schweren Gesetzeswiderhandlung auszugehen sei. Das Verwaltungsgericht verzichtete erneut auf eine Stellungnahme.
 
E.
 
Mit Verfügung vom 25. November 2011 erteilte der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde die aufschiebende Wirkung.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid über eine Administrativmassnahme im Strassenverkehr. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen; ein Ausnahmegrund liegt nicht vor (Art. 83 BGG). Der Beschwerdeführer, der als Adressat und Direktbetroffener zur Anfechtung des vorinstanzlichen Urteils legitimiert ist (vgl. Art. 89 Abs. 1 BGG), rügt eine offensichtlich unrichtige Feststellung des massgeblichen Sachverhalts sowie die Verletzung der Bundesverfassung und von Gesetzesrecht des Bundes, was zulässig ist (Art. 95 lit. a, Art. 97 Abs. 1 BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist.
 
2.
 
2.1 In tatsächlicher Hinsicht ging das Verwaltungsgericht gleich wie das Strassenverkehrsamt davon aus, der Beschwerdeführer habe sich bereits auf der Autobahn befunden und sei mithin sowohl (zumindest ein kurzes Stück) auf derselben als auch auf der Autobahneinfahrt rückwärts gefahren. Das Verwaltungsgericht stützt sich dafür insbesondere auf den Polizeirapport vom 27. April 2010, in dem im Zusammenhang mit dem beobachteten Rückwärtsfahren auch, wenn auch ohne weitere Konkretisierung, auf die Autobahn und nicht nur auf deren Einfahrt Bezug genommen wird. Demgegenüber wurde dem Beschwerdeführer im Departementsentscheid lediglich vorgeworfen, auf der Autobahneinfahrt rückwärts gefahren zu sein, ohne dass dies allerdings mit einer anderen Rechtsfolge verbunden gewesen wäre.
 
2.2 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Entzugsbehörde nicht völlig frei, von einem rechtskräftigen Strafurteil in gleicher Sache abzuweichen.
 
2.2.1 Von den tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil darf die Verwaltungsbehörde nur dann abweichen,
 
wenn sie Tatsachen feststellt und ihrem Entscheid zugrunde legt, die dem Strafrichter unbekannt waren oder die er nicht beachtet hat;
 
wenn sie zusätzliche Beweise erhebt, deren Würdigung zu einem anderen Entscheid führt, oder wenn die Beweiswürdigung durch den Strafrichter den feststehenden Tatsachen klar widerspricht; hat sie hingegen keine zusätzlichen Beweise erhoben, hat sie sich grundsätzlich an die Würdigung des Strafrichters zu halten;
 
wenn der Strafrichter bei der Rechtsanwendung auf den Sachverhalt nicht sämtliche Rechtsfragen abgeklärt, insbesondere die Verletzung bestimmter Verkehrsregeln übersehen hat.
 
Die Verwaltungsbehörde hat insbesondere dann auf die Tatsachen im Strafurteil abzustellen, wenn dieses im ordentlichen Verfahren mit öffentlicher Verhandlung unter Anhörung der Parteien und Einvernahme von Zeugen ergangen ist, es sei denn, es bestünden klare Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Tatsachenfeststellung; in diesem Fall hat die Verwaltungsbehörde nötigenfalls selbständige Beweiserhebungen durchzuführen (BGE 124 II 103 E. 1c/aa S. 106 mit Hinweisen).
 
2.2.2 Hängt die rechtliche Würdigung sehr stark von der Würdigung von Tatsachen ab, die der Strafrichter besser kennt als die Verwaltungsbehörde (was etwa dann der Fall ist, wenn er den Beschuldigten persönlich einvernommen hat), so ist die Verwaltungsbehörde auch hinsichtlich der Rechtsanwendung an die rechtliche Qualifikation des Sachverhaltes durch das Strafurteil gebunden. Ansonsten bleibt die Verwaltungsbehörde bei der rechtlichen Beurteilung des Falles frei (vgl. BGE 124 II 103 E. 1c/bb S. 106 f. mit Hinweisen).
 
2.3 Im vorliegenden Fall erging das Strafurteil im Strafbefehlsverfahren. Gemäss der Mitteilung vom 25. Mai 2010 über die Eröffnung eines Untersuchungsverfahrens erstreckte sich dieses auf die Verletzung der Verkehrsregeln "durch Rückwärtsfahren auf einer Autobahn und anschliessend auf der Autobahneinfahrt". Mit dem Strafbefehl vom 8. Juni 2010 wurde der Beschwerdeführer demgegenüber einzig der Verletzung der Verkehrsregeln durch Rückwärtsfahren auf der Autobahneinfahrt schuldig gesprochen und verurteilt, und auch in der entsprechenden Sachverhaltsschilderung wurde lediglich ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Autobahnauffahrt rückwärts fahrend verlassen. Der zuständige Bezirksstatthalter erachtete es offenbar nicht als erwiesen, dass der Beschwerdeführer sich bereits auf der Autobahn selbst befunden hatte und dort rückwärts gefahren war. Die Verwaltungsbehörden und auch das Verwaltungsgericht haben dazu keine ergänzenden Abklärungen getroffen, sondern stützen ihre Entscheide in tatsächlicher Hinsicht einzig auf die Unterlagen, die auch dem Bezirksstatthalter vorlagen, namentlich auf den insoweit allerdings auch nicht eindeutigen Polizeirapport. Die Vorinstanzen beziehen sich nicht auf weitere, dem Bezirksstatthalter unbekannte oder von ihm nicht beachtete Umstände oder von ihm übersehene Verkehrsregeln. Es besteht mithin kein genügender Anlass, um von den tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil abzuweichen. Hingegen bindet das Strafurteil die Entzugsbehörden in rechtlicher Hinsicht nicht, hängt die rechtliche Würdigung doch nicht derart von der Würdigung von Tatsachen ab, die der Bezirksstatthalter besser kennt als die Entzugsbehörden. Das gilt unabhängig davon, dass sich der Bezirksstatthalter Waldenburg rein geografisch näher am Ort der Begehung des fraglichen Gesetzesverstosses befindet als die aargauischen Behörden, hat doch auch er keinen Augenschein durchgeführt oder sonstige Beweise abgenommen, die auf besondere Kenntnisse hinweisen würden.
 
2.4 Der Beschwerdeführer rügt sodann eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz sowie die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV sowie eventuell Art. 6 EMRK.
 
2.4.1 Der Beschwerdeführer macht dazu geltend, die Annahmen der Vorinstanz zur Streckenanlage sowie zur daraus abgeleiteten Unübersichtlichkeit liessen sich anhand der vorliegenden Akten nicht überprüfen und seien daher willkürlich. Ohne weitere Abklärungen sei insbesondere nicht abschätzbar, welche Sichtmöglichkeiten für den Beschwerdeführer und für mögliche heranfahrende Autofahrer bestanden hätten. Die Vorinstanz hätte daher nach Ansicht des Beschwerdeführers seinen entsprechenden Beweisanträgen auf eigene Befragung, Vornahme eines Augenscheins sowie Befragung der protokollierenden Polizisten stattgeben müssen.
 
2.4.2 Indessen vermochte sich die Vorinstanz auf den Polizeirapport und die entsprechenden Feststellungen der unteren Instanzen zu stützen. Der Beschwerdeführer behauptet bloss, daraus liessen sich keine weiteren Schlussfolgerungen ziehen, vermag jedoch nicht nachvollziehbar zu erklären, weshalb dies so sein sollte. Aufgrund der aktenkundigen Dokumente bestand vielmehr eine genügende Grundlage für die fraglichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts. Ob diese in jedem Detail zutreffend sind, ist nicht massgeblich, denn jedenfalls sind sie insgesamt nicht unvollständig oder offensichtlich unrichtig bzw. willkürlich. Dass ein Augenschein oder die Befragung der Polizisten, die den Rapport erstellt hatten, weitere massgeblichen Erkenntnisse gebracht hätten, ist nicht anzunehmen, so dass das Verwaltungsgericht in antizipierter Beweiswürdigung darauf verzichten konnte, weitere Beweise abzunehmen (vgl. BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148 mit Hinweis). Es ist daher davon auszugehen, dass die vorliegenden Akten für eine sachgerechte Würdigung des Falles genügten. Überdies vermochte sich der Beschwerdeführer vor allen Instanzen im Rahmen des ihm gewährten rechtlichen Gehörs bzw. der von ihm eingereichten Beschwerdeschriften selbst zur Sache zu äussern. Weshalb er zusätzlich noch mündlich hätte befragt werden müssen, ist nicht ersichtlich. Ein Anspruch darauf bestand im vorliegenden Administrativverfahren jedenfalls nicht.
 
2.5 Demnach ist in tatsächlicher Hinsicht im Sinne des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass er lediglich auf der Autobahnauffahrt und nicht auch auf der Autobahn selbst rückwärts gefahren ist. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht weder den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt noch den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt.
 
2.6 Was die Feststellungen im vom Bundesamt angerufenen ähnlich gelagerten Urteil des Bundesgerichts 1C_184/2011 vom 31. Oktober 2011 betrifft, das denselben Autobahnabschnitt betrifft und zu dem sich der Beschwerdeführer äussern konnte, so können die dortigen Feststellungen insoweit nicht unbesehen übernommen werden, als sie auf veränderbaren Faktoren wie Jahreszeit, Tageszeit, Lichtverhältnisse, Vegetation, konkretes Fahrverhalten usw. beruhen. Auf Feststellungen zu grundsätzlich unveränderten Umständen wie die Streckenführung der Autobahnauffahrt kann aber zurückgegriffen werden, wenn nicht besondere Gründe dagegen sprechen. Der Beschwerdeführer vermag erneut nicht darzutun, inwiefern die entsprechenden Feststellungen, wie er behauptet, teilweise unzutreffend und daher nicht massgeblich sein sollten.
 
3.
 
3.1 Auf Autobahnen ist das Rückwärtsfahren untersagt (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962, VRV; SR 741.11). Der Fahrzeugführer darf Pannenstreifen nur für Nothalte benützen (Art. 36 Abs. 3 VRV). Das gilt nach der Rechtsprechung auch für Autobahnauffahrten (vgl. die Urteile des Bundesgerichts 1C_184/2011 vom 31. Oktober 2011 und 6B_819/2009 vom 14. Januar 2010). Der Beschwerdeführer wurde gestützt auf Art. 90 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958 (SVG; SR 741.01) in Verbindung mit Art. 43 Abs. 3 SVG und Art. 36 Abs. 1 VRV wegen Verstosses gegen diese Verkehrsregeln strafrechtlich rechtskräftig verurteilt.
 
3.2 Nach Widerhandlungen gegen Strassenverkehrsvorschriften, bei denen das Verfahren nach dem Ordnungsbussengesetz ausgeschlossen ist, wird der Führerausweis entzogen oder eine Verwarnung ausgesprochen (Art. 16 Abs. 2 SVG). Eine leichte Widerhandlung begeht, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft, sofern ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft (Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG). Eine mittelschwere Widerhandlung begeht, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt (Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG). Eine schwere Widerhandlung liegt vor, wenn durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernsthafte Gefahr für die Sicherheit anderer hervorgerufen oder in Kauf genommen wird (Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG).
 
3.3 Nach der Rechtsprechung stellt die mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b SVG einen Auffangtatbestand dar. Sie liegt vor, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung nach Art. 16a SVG und nicht alle qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung nach Art. 16c SVG gegeben sind. Die Annahme einer leichten Widerhandlung setzt voraus, dass kumulativ eine geringe Gefahr und ein leichtes Verschulden vorliegen (BGE 135 II 138 E. 2.2.2 f. S. 141 mit Hinweisen). Die strafrechtliche Qualifikation einer Verkehrsregelverletzung als einfach im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG schliesst die Annahme einer mittelschweren oder schweren Widerhandlung im Administrativverfahren nicht aus. Eine schwere Widerhandlung setzt kumulativ eine qualifizierte (ernsthafte) objektive Gefährdung sowie ein qualifiziertes (schweres) Verschulden voraus (Urteil des Bundesgerichts 1C_355/2009 vom 21. Dezember 2009 E. 2.2).
 
3.4 Eine Gefahr für die Sicherheit anderer im Sinne von Art. 16a-16c SVG ist bei einer konkreten oder auch bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung zu bejahen. Eine erhöhte abstrakte Gefahr besteht, wenn die Möglichkeit einer konkreten Gefährdung oder Verletzung naheliegt. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hängt von den jeweiligen Verhältnissen des Einzelfalls ab (Urteil 1C_184/2011 vom 31. Oktober 2011 E. 2.4.2 mit zahlreichen Hinweisen).
 
3.5 Soweit der vorliegende Fall mit dem im Entscheid des Bundesgerichts 1C_184/2011 vom 31. Oktober 2011 beurteilten vergleichbar ist, lassen sich daraus auch in rechtlicher Hinsicht Rückschlüsse ziehen. Das Rechtsgleichheitsgebot nach Art. 8 Abs. 1 BV verlangt, dass bei vergleichbarer Ausgangslage eine unterschiedliche Behandlung sachlich zu rechtfertigen wäre, andernfalls das Gleichbehandlungsgebot zu beachten ist.
 
3.6 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat er mit seinem Verhalten jedenfalls eine massgebliche erhöhte abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer hervorgerufen bzw. in Kauf genommen. Auch wenn nach dem einschlägigen Polizeirapport keine besonders grosse konkrete Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer bestand, war eine Kollisionsgefahr nicht ausgeschlossen oder unwahrscheinlich. Zwar ereignete sich der Verkehrsregelverstoss in der Nacht, die Sichtverhältnisse waren jedoch gut, wie auch das Strassenverkehrsamt in seiner Eingabe an das Bundesgericht nicht bestreitet. Die Gefahr, die der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten begründete, ist daher weder als gering im Sinne einer leichten Widerhandlung, wie er selbst geltend macht, noch als ernsthaft im Sinne einer schweren Widerhandlung einzustufen, wovon die Vorinstanz ausging. Was das Verschulden des Beschwerdeführers betrifft, so wirkt seine Rechtfertigung, er habe ein Überhitzen des Motors befürchtet und daher von einem Befahren der Autobahn absehen wollen, als wenig glaubwürdig, nachdem er dieses Argument nachgeschoben und nicht bereits gegenüber den ihn bei der Regelverletzung anhaltenden Polizisten geäussert hatte. Wie es sich damit verhält, kann aber offen bleiben, da ohnehin weder alle Voraussetzungen einer leichten noch einer schweren Widerhandlung vorliegen, womit es sich unabhängig von der Schwere des Verschuldens um eine mittelschwere Widerhandlung gemäss Art. 16b Abs. 1 SVG handelt. Damit stimmt die Beurteilung des vorliegenden Falles mit derjenigen im Urteil 1C_184/2011 vom 31. Oktober 2011 überein. Die beiden Fälle erscheinen insofern auch durchaus vergleichbar, gibt es doch trotz gewisser (praktisch immer bestehender) Unterschiede keine offenkundigen sachlichen Gründe, die eine differenzierende Behandlung zu rechtfertigen vermöchten.
 
3.7 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers liegt mithin kein leichter Fall nach Art. 16a SVG vor, und es kommt auch keine Verwarnung gemäss Art. 16a Abs. 3 SVG in Frage. Der angefochtene Entscheid verstösst jedoch insofern gegen Bundesrecht, als er den Führerausweisentzug auf Art. 16c statt auf Art. 16b SVG stützt. Die Beschwerde ist daher in diesem Sinne teilweise gutzuheissen, und das Urteil des Verwaltungsgerichts muss insoweit aufgehoben werden. Nach Art. 107 Abs. 2 BGG kann das Bundesgericht diesfalls in der Sache selbst entscheiden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Das trifft hier zu, da alle massgeblichen Umstände erstellt sind.
 
3.8 Nach Art. 16b Abs. 2 lit. b SVG wird der Führerausweis nach einer mittelschweren Widerhandlung für mindestens vier Monate entzogen, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis einmal wegen einer schweren oder mittelschweren Widerhandlung entzogen war. Diese Voraussetzungen sind beim Beschwerdeführer erfüllt, dessen Ausweis bereits einmal am 4. Dezember 2008 wegen einer schweren Widerhandlung für die Dauer von drei Monaten entzogen wurde. Massgeblich für den Beginn der Zweijahresfrist ist weder das Datum des Verkehrsregelverstosses (hier der 14. Dezember 2005) noch der Entzugsverfügung (hier der 4. Dezember 2008, was im vorliegenden Fall allerdings bereits genügen würde), sondern der letzte Tag des Entzugs (vorliegend der 31. März 2009; vgl. BGE 136 II 447 E. 5.3 S. 455). Nachdem der hier fragliche Verkehrsregelverstoss am 21. April 2010 stattfand, ist die Frist von zwei Jahren noch nicht abgelaufen. Erschwerende Umstände, welche ein Abweichen von der Mindestentzugsdauer von vier Monaten rechtfertigen würden, liegen nicht vor, was auch der Einschätzung der Vorinstanzen entspricht, die den Entzug ebenfalls auf die Mindestdauer, allerdings nach ihrer Auffassung von zwölf Monaten gemäss Art. 16c Abs. 2 lit. c SVG, festgelegt hatten. Damit ist dem Beschwerdeführer der Führerausweis für vier Monate zu entziehen.
 
4.
 
4.1 Demnach ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen, und der angefochtene Entscheid ist aufzuheben. Dem Beschwerdeführer ist der Führerausweis für vier Monate zu entziehen, und das Strassenverkehrsamt ist anzuweisen, den Beginn der Entzugsdauer nach Rechtskraft des vorliegenden Entscheids festzusetzen. Im Übrigen muss die Beschwerde abgewiesen werden.
 
4.2 Bei diesem Verfahrensausgang ist dem nur teilweise obsiegenden Beschwerdeführer eine reduzierte Gerichtsgebühr aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 BGG). Der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer überdies für das bundesgerichtliche Verfahren eine reduzierte Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 BGG).
 
4.3 Die Sache geht zurück an das Verwaltungsgericht zur Neuverlegung der Kosten und Entschädigungen im vorinstanzlichen Verfahren.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
1.1 Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 28. Juli 2011 wird aufgehoben.
 
1.2 Dem Beschwerdeführer wird der Führerausweis für die Dauer von vier Monaten entzogen.
 
1.3 Das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau wird angewiesen, den Beginn der Entzugsfrist nach Rechtskraft dieses Urteils festzusetzen.
 
1.4 Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
 
2.
 
Dem Beschwerdeführer wird eine reduzierte Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- auferlegt.
 
3.
 
Der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- zu entrichten.
 
4.
 
Die Sache geht an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau zur Neuverlegung der Kosten und Entschädigungen im vorinstanzlichen Verfahren.
 
5.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau, dem Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 1. Kammer, und dem Bundesamt für Strassen ASTRA schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 21. August 2012
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Aemisegger
 
Der Gerichtsschreiber: Uebersax
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).