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Informationen zum Dokument  BGer 1B_316/2012  Materielle Begründung
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BGer 1B_316/2012 vom 31.07.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1B_316/2012
 
Urteil vom 31. Juli 2012
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Merkli, Karlen,
 
Gerichtsschreiber Störi.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
A.________,
 
Beschwerdegegnerin,
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt Gossau, Sonnenstrasse 4a, 9201 Gossau SG.
 
Gegenstand
 
Strafverfahren; Nichtanhandnahme,
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 4. April 2012.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ führte von 2004 bis 2007 mit seiner damaligen Lebensgefährtin A.________ das Restaurant B.________. Dazu hatten sie die B.________-Gastro GmbH gegründet. X.________ besass Stammanteile von Fr. 19'000.-- und fungierte als Geschäftsführer mit Einzelunterschrift, A.________ besass Stammanteile von Fr. 1'000.-- und war Gesellschafterin ohne Zeichnungsberechtigung. Die B.________-Gastro GmbH wurde vom Konkursrichter mit Konkurserkenntnis vom 12. Februar 2007 aufgelöst. Das Konkursverfahren wurde am 3. Mai 2007 mangels Aktiven eingestellt und die Gesellschaft gelöscht.
 
Mit Strafanzeigen vom 21. Oktober 2011 an die Staatsanwaltschaft St. Gallen und vom 8. Januar 2012 ans Kreisgericht St. Gallen beschuldigte X.________ A.________, ihn im Zusammenhang mit der gemeinsamen Führung des Restaurants B.________ durch verschiedenste strafbare Handlungen geschädigt zu haben.
 
Am 1. Februar 2012 nahm das Untersuchungsamt Gossau das Strafverfahren gegen A.________ nicht an die Hand. Es erwog, Tätlichkeiten (Art. 126 StGB), die Verletzung des Schriftgeheimnisses (Art. 179 StGB), die Verletzung des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses (Art. 162 StGB) und Verleumdung (Art. 174 StGB) sowie Diebstahl (Art. 139 Ziff. 4 StGB), Veruntreuung (Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) und ungetreue Geschäftsbesorgung (Art. 158 Ziff. 3 StGB) zum Nachteil eines Familiengenossen würden nur auf Antrag verfolgt, und die dreimonatige Antragsfrist sei längst abgelaufen. Eine Verurteilung wegen Unterlassung der Nothilfe im Sinn von Art. 128 StGB falle ausser Betracht, da der Beschwerdeführer nach seiner Sachdarstellung weder je in unmittelbarer Lebensgefahr geschwebt habe noch von seiner damaligen Partnerin im Sinne der Bestimmung verletzt worden sei, womit ein tatbestandsmässiges Verhalten auszuschliessen sei. Eine Verurteilung von A.________ wegen Nötigung im Sinn von Art. 181 StGB setze voraus, dass sie mit Gewalt oder einer konkreten Drohung seine freie Willensbildung oder Willensbetätigung beeinträchtigt hätte, was er gar nicht behaupte. Eine Verurteilung wegen Erpressung im Sinn von Art. 156 Abs. 1 StGB setze voraus, dass der Beschwerdeführer aufgrund von Gewalt oder einer konkreten Drohung zu einer Vermögensdisposition veranlasst worden wäre, was nach der Sachverhaltsdarstellung in der Strafanzeige ausgeschlossen werden könne.
 
Am 4. April 2012 wies die Anklagekammer des Kantons St. Gallen die Beschwerde von X.________ gegen diese Nichtanhandnahmeverfügung ab, soweit sie darauf eintrat.
 
B.
 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________ sinngemäss, diesen Entscheid der Anklagekammer aufzuheben und die Fortführung des Strafverfahrens anzuordnen. Ausserdem beantragt er, dem Bundesgericht weitere Dokumente - diese seien auf einen Ordner beschränkt worden - sowie eine ergänzende Beschwerdeschrift im Sinn von Art. 43 BGG einreichen zu können, da die Sache einen aussergewöhnlichen Umfang habe und von besonderer Schwierigkeit sei.
 
C.
 
Die Anklagekammer und das Untersuchungsamt Gossau verzichten auf Vernehmlassung. A.________ beantragt, die Beschwerde abzuweisen; die Vorwürfe seien aus der Luft gegriffen und entsprängen der hasserfüllten Fantasie von X.________.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Der angefochtene Entscheid bestätigt, dass das vom Beschwerdeführer angestrebte Strafverfahren nicht an die Hand genommen wird. Er schliesst damit das Verfahren ab. Es handelt sich um den Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Strafsache, gegen den die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1, Art. 90 BGG). Der Beschwerdeführer ist somit zur Beschwerde befugt, wenn er sich als Privatkläger am kantonalen Verfahren beteiligt hat und sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung allfälliger Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 5 BGG). Der Beschwerdeführer hat sich als Privatkläger am kantonalen Verfahren beteiligt. Eine allfällige Verurteilung der Beschwerdegegnerin könnte jedenfalls teilweise Zivilansprüche des Beschwerdeführers begründen, wie er sie in seiner Strafanzeige auch stellte. Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten. Gegenstand des Verfahrens sind allerdings nur in der Beschwerdeschrift selber enthaltene Vorbringen (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.1; 133 II 396 E. 3.2); Verweise auf frühere Rechtsschriften und Akten sind unbeachtlich.
 
1.2 Gesetzlich bestimmte Fristen wie die Beschwerdefrist können nicht erstreckt werden (Art. 47 Abs. 1 BGG). Der Antrag auf Einräumung einer Gelegenheit zur Beschwerdeergänzung käme einer derartigen Fristerstreckung gleich, weshalb ihm nicht entsprochen werden kann. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf Art. 43 BGG ist unbehelflich. Die dort vorgesehene Möglichkeit der Beschwerdeergänzung betrifft ausschliesslich Beschwerden auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Vorliegend handelt es sich nicht um einen solchen Rechtsstreit.
 
2.
 
2.1 Die Staatsanwaltschaft nimmt nach Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO eine Untersuchung u.a. dann nicht an die Hand, sobald aufgrund der Strafanzeige oder des Polizeirapports feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände eindeutig nicht erfüllt sind. Eine Untersuchung darf danach nur dann nicht an die Hand genommen werden, wenn sicher feststeht, dass der Sachverhalt unter keinen Straftatbestand fällt. Im Zweifelsfall - wenn die Sach- und/oder die Rechtslage nicht von vornherein klar sind - ist eine Untersuchung zu eröffnen (BGE 137 IV 285 E. 2.3 mit Hinweisen auf die Lehre).
 
2.2 Die Anklagekammer hat im angefochtenen Entscheid die Nichtanhandnahmeverfügung geschützt und dabei weitgehend auf deren Begründung verwiesen. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, ist nicht geeignet, die Nichtanhandnahme in Frage zu stellen.
 
2.2.1 Der Beschwerdeführer wirft der Beschwerdegegnerin in seiner Strafanzeige verschiedene Antragsdelikte vor, die sie zwischen 2004 und 2007 begangen haben soll (vgl. vorn A. 3. Absatz). Selbst wenn der Beschwerdeführer zwischenzeitlich gesundheitliche Probleme gehabt haben sollte und noch heute an den Folgen mehrerer Operationen leidet, ist es offensichtlich zutreffend, dass die dreimonatige Frist für die Stellung der Strafanträge (Art. 29 aStGB bzw. Art. 30 StGB) im Oktober 2011, als er seine Strafanzeige einreichte, längst abgelaufen war.
 
2.2.2 Das Verfahren wegen Unterlassung der Nothilfe im Sinn von Art. 128 StGB und Erpressung im Sinn von Art. 156 Abs. 1 StGB (vorn A. 3. Absatz) hat das Untersuchungsamt zu Recht und mit zutreffender Begründung (Nichtanhandnahmeverfügung Ziff. 2 c und e S. 3) nicht an die Hand genommen. Darauf ist zu verweisen.
 
2.2.3 Die Strafanzeige enthält keine weiteren, in inhaltlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht ausreichend konkretisierte Tatvorwürfe, die die Eröffnung einer Strafuntersuchung rechtfertigen könnten. Der Beschwerdeführer erhebt in seiner Strafanzeige denn auch weniger konkrete Tatvorwürfe, sondern legt im Wesentlichen bloss dar, wie aus seiner Sicht die Beschwerdegegnerin durch permanentes Fehlverhalten ihr gemeinsames Gastrounternehmen zum Scheitern gebracht habe. Für die Aufarbeitung der Gründe, die zum Niedergang der geschäftlichen und privaten Beziehung des Beschwerdeführers zur Beschwerdegegnerin führten, steht das Strafverfahren indessen nicht zur Verfügung.
 
3.
 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt Gossau, und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 31. Juli 2012
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Störi
 
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