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Informationen zum Dokument  BGer 1B_347/2012  Materielle Begründung
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BGer 1B_347/2012 vom 30.07.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1B_347/2012
 
Urteil vom 30. Juli 2012
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Karlen, Chaix,
 
Gerichtsschreiber Stohner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________, Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Bezirksgericht Arbon, Bahnhofstrasse 16,
 
Postfach 127, 9320 Arbon,
 
Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510 Frauenfeld.
 
Gegenstand
 
Verlängerung der Sicherheitshaft,
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 3. Mai 2012 des Obergerichts des Kantons Thurgau.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Gegen X.________ ist beim Bezirksgericht Arbon ein Strafverfahren wegen gewerbs- und bandenmässigen Diebstahls, Sachbeschädigung, gewerbsmässigen Betrugs, Hausfriedensbruchs, Unterlassung der Buchführung, Misswirtschaft, ungetreuer Geschäftsbesorgung, Entwendung eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch und mehrfachen Fahrens ohne Führerausweis hängig.
 
X.________ wurde am 19. Oktober 2006 in den Philippinen, wo seine Ehefrau und die gemeinsame Tochter leben, festgenommen, am 7. November 2006 an die Schweiz ausgeliefert und hier in Untersuchungshaft versetzt. Diese dauerte bis zum 5. Dezember 2007. Vom 5. Dezember 2007 bis zum 28. März 2011 war er im Strafvollzug und verbüsste wegen anderer Delikte eine Freiheitsstrafe. Anschliessend befand er sich wieder in Untersuchungshaft. Mit Abschluss der Strafuntersuchung und Anklageerhebung vor dem Bezirksgericht ordnete das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Thurgau am 29. Juni 2011 Sicherheitshaft bis zum 24. September 2011 an. Mit Verfügung vom 29./30. September 2011 verlängerte das Zwangsmassnahmengericht die Sicherheitshaft bis zum 24. März 2012. Eine von X.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Thurgau mit Urteil vom 15. Dezember 2011 ab. Auf eine gegen diesen Entscheid von X.________ geführte Beschwerde trat das Bundesgericht mit Urteil 1B_75/2012 vom 15. Februar 2012 nicht ein, weil die Beschwerdefrist nicht eingehalten worden war.
 
Das Bezirksgericht stellte am 7. März 2012 einen Antrag auf Verlängerung der Sicherheitshaft bis zum 24. September 2012. Das Zwangsmassnahmengericht verlängerte die Sicherheitshaft mit Entscheid vom 16. März 2012 bis zum 24. Juni 2012. Die gegen diesen Entscheid von X.________ eingereichte Beschwerde wies das Obergericht mit Entscheid vom 3. Mai 2012 ab, soweit es auf die Beschwerde eintrat.
 
B.
 
Gegen diesen Entscheid führt X.________ Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht. Er beantragt im Wesentlichen, die Sicherheitshaft sei aufzuheben.
 
Das Bezirksgericht Arbon beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei diese abzuweisen. Das Obergericht beantragt die Beschwerdeabweisung. Am 10. Juli 2012 hat das Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau, Generalsekretariat, Straf- und Massnahmenvollzug, auf entsprechende Aufforderung hin eine Stellungnahme eingereicht. Die Vernehmlassungen sind dem Beschwerdeführer zugestellt worden. Dieser hält in mehreren Eingaben - die letzte datiert vom 19. Juli 2012 - an seinem Standpunkt fest.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid in einer Strafsache, gegen den gemäss Art. 78 ff. BGG grundsätzlich die Beschwerde in Strafsachen offen steht. Nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist die Beschwerde gegen den selbstständig eröffneten Zwischenentscheid zulässig, da die umstrittene Fortsetzung der Sicherheitshaft einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Der Beschwerdeführer ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG beschwerdebefugt, zumal er sich nach wie vor in Haft befindet und deshalb ein aktuelles Interesse an der Behandlung der Beschwerde hat.
 
1.2 Nach Art. 100 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des angefochtenen Entscheids beim Bundesgericht einzureichen. Diese gesetzliche Frist ist nicht erstreckbar (Art. 47 Abs. 1 BGG). Der angefochtene Entscheid vom 3. Mai 2012 ist dem Beschwerdeführer am 7. Mai 2012 eröffnet worden, womit die Beschwerdefrist am 8. Mai 2012 zu laufen begann (Art. 44 Abs. 1 BGG) und am 6. Juni 2012 endete.
 
Das Beschwerde-Couvert trägt den Vermerk "Abgabe: 07.06.12 1600". In der Stellungnahme vom 10. Juli 2012 gab das Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau, Generalsekretariat, Straf- und Massnahmenvollzug, an, der Aufseher im Kantonalgefängnis habe ausgesagt, sich an die Übergabe erinnern zu können, und er habe bestätigt, dass das Abgabedatum mit 7. Juni 2012 16.00 Uhr korrekt notiert worden sei. Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend, seine Beschwerdeschrift dem Aufseher am 6. Juni 2012 gegen 16.00 Uhr übergeben, dafür jedoch keine Empfangsbestätigung erhalten zu haben.
 
Welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass das Kantonalgefängnis für fristgebundene Eingaben offenbar keine Empfangsbestätigungen ausstellt, und ob vorliegend die Frist zur Beschwerde ans Bundesgericht eingehalten worden ist, kann offen bleiben. Wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, ist die Beschwerde ohnehin abzuweisen.
 
2.
 
In der Sache allerdings erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen die gleichen Rügen wie bereits im bundesgerichtlichen Verfahren 1B_217/2011 vor, ohne dass sich die Verhältnisse entscheidend verändert hätten.
 
2.1 Soweit der Beschwerdeführer unter verschiedenen Gesichtspunkten eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und weiterer Verfahrensrechte rügt, sind seine Vorbringen nicht stichhaltig. Die Vorinstanz hat sich mit sämtlichen entscheidrelevanten Einwänden des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und ihren Entscheid eingehend begründet. Eine Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör liegt damit nicht vor. Ebenso wenig ist ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer mit seinen allgemein gehaltenen Ausführungen auch nicht substanziiert dargelegt, inwiefern die kantonalen Behörden weitere Verfahrensrechte wie namentlich den Anspruch auf ein faires Verfahren missachtet haben sollten (vgl. insoweit auch bereits Urteil 1B_217/2011 vom 7. Juni 2011 E. 2).
 
2.2 An der Beurteilung des dringenden Tatverdachts und des besonderen Haftgrunds der Fluchtgefahr hat sich seit dem letzten Entscheid des Bundesgerichts nichts geändert. Es kann deshalb auf die entsprechenden Erwägungen verwiesen werden (Urteil 1B_217/2011 vom 7. Juni 2011 E. 4 und 5).
 
2.3 Die Vorinstanz hat dargelegt, dass - auch unter Berücksichtigung der retrospektiven Konkurrenz und der langen Verfahrensdauer - angesichts der Intensität des deliktischen Handelns und der enormen kriminellen Energie des Beschwerdeführers sowie der sehr hohen Deliktssumme und der verschiedenen Straferhöhungs- und Strafschärfungsgründe mutmasslich eine Gesamtstrafe von deutlich über fünf Jahren ausgefällt werden dürfte. Bis Ende Juli 2012 befindet sich der Beschwerdeführer seit rund 30 Monaten in Haft. Angesichts der möglichen Freiheitsstrafe von 42 Monaten oder mehr (60 Monate abzüglich der bereits verbüssten Freiheitsstrafe von 18 Monaten) droht damit, wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, zum jetzigen Zeitpunkt keine Überhaft (siehe auch Urteil 1B_217/2011 vom 7. Juni 2011 E. 6).
 
2.4 Betreffend die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung des Beschleunigungsgebots hat die Vorinstanz berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer allein im letzten Jahr im Kanton Thurgau nicht weniger als 15 Verfahren einleitete. Insbesondere reichte er im Verfahren vor dem Bezirksgericht ein Gesuch um Wechsel der amtlichen Verteidigung und ein Ausstandsgesuch gegen die vorsitzende Bezirksrichterin ein. Die abschlägigen Entscheide zog er erfolglos bis vor Bundesgericht weiter (vgl. Urteile 1B_511/2011 vom 31. Oktober 2011 und 1B_645/2011 vom 14. März 2012). Die Vorinstanz hat geschlossen, der Beschwerdeführer könne deshalb aus der Tatsache, dass die erstinstanzliche Hauptverhandlung noch nicht stattgefunden habe, nichts für sich ableiten; allerdings sei diese nun schnellstmöglich durchzuführen. Diesen Ausführungen ist zuzustimmen (vgl. auch Urteil 1B_217/2011 vom 7. Juni 2011 E. 7).
 
3.
 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Entsprechend dem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bezirksgericht Arbon, der Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität sowie dem Obergericht des Kantons Thurgau und Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth, Zürich, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 30. Juli 2012
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Stohner
 
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